Jul 11, 2017


WYCKHAM PORTEOUS - Looking For Ground (Bohemia Beat Records 0006, 1995)

Geboren im kanadischen Victoria in British Columbia, und nur selten weg von der Westküste Kanadas ("The sole pinprick of temperate weather in all of Canada"), wusste Wyckham Porteous schon seit seiner frühesten Jugend, dass seine Berufung die eines Schriftstellers war, aus dessen Wunschtraum aber schon ziemlich bald auch der Ehrgeiz erwuchs, Lieder und Songtexte zu verfassen. Er selbst erklärte das in einem Interview folgendermassen: "I knew I had to be a songwriter. I knew I wanted to sing. But, where I was living, there was no Nashville, no Tin Pan Alley, no L.A., there was really no place to put your focus". Der Musiker spielte auf zahlreichen Festivals, in vielen Clubs und Bars und reiste kreuz und quer durch Kanada. Hängen blieb er schliesslich in Vancouver, als er dort in dem Club ?Joe's Café' seinen bis dato erfolgreichsten Gig absolvieren konnte und auch gleich nach dem Auftritt sofort wieder gebucht wurde. Das attraktivste Venue vor Ort, das Arts Club Theatre verpflichtete den Singer/Songwriter ebenfalls für mehrere Konzerte. Kurze Zeit später, mehr einem Sinn für Romantik folgend als aus geschäftlichem Interesse, bearbeiteten Porteous und seine langjährige Partnerin Patty Fraser, die zum damaligen Zeitpunkt schon recht erfolgreich im Theaterbereich tätig gewesen war, eine Radiosendung für die CBC (Canadian Broadcasting Company), in welcher seine vielen musikalischen Reisen auf unterhaltsame Weise dokumentiert und mit eigener Musik angereichert wurden. Diese Sendung wurde in ganz Kanada ausgestrahlt und brachte dem Künstler eine grosse Resonanz.

Letztlich war es dieser erfolgreichen Sendung zu verdanken, dass sich ein Sponsor meldete, der sich bereit erklärte, mit Wyckham Porteous die Aufnahmen für ein Album zu finanzieren. Ein sehr prominentes Management nahm sich dem Unternehmen an. Das Management betreute zu jener Zeit auch den Top-Star Bryan Adams. Es gab schliesslich ein nur in geringen Stückzahlen erhältliches Album, von dem allerdings nicht wenige abgesetzt werden konnten und in Kanada's Radiostationen war Wyckham Porteous ein viel gehörter Künstler. Ein kleines Independentlabel zeigte Interesse, die handgefertigte CD auch industriell zu fertigen und zu veröffentlichen, doch dazu kam es schliesslich doch nicht. Stattdessen folgte eine Einladung zu einem Auftritt auf Rod Kennedy's Kerrville Festival, das den Musiker nach Texas führte. Dort blieb er erst einmal hängen, lehrte an einer lokalen Songwriting School in Kerrville zusammen mit Austin's Country-Grösse Christine Albert. Nicht nur bei seinen Musikschülern erntete der Lehrer aus dem fernen Kanada grosse Bewunderung, auch der Promoter Rod Kennedy war begeistert von Porteous' Musik, weswegen er über einen Co-Instruktor ein Demotape von Wyckham Porteous in das Handgepäck des Country- und Bluesrockers Jimmy LaFave schmuggelte. Dieser wiederum war gerade an dem Festival aufgetreten und auf dem Weg nach Denver, um den Chef der Plattenfirma Bohemia Beat, Mark Shumate zu treffen. Als Jimmy LaFave während der Fahrt nach Denver das Tape mit der schlichten handgeschriebenen Aufschrift 'Porteous' hörte, war er sofort total begeistert, sowohl von der darauf zu hörenden Musik, aber insbesondere auch von Wyckham Porteous' sonorer und warmer Stimmfarbe.

Als sich dann Jimmy LaFave und Mark Shumate das Tape gemeinsam angehört hatten, meinte der Labelchef Shumate, dass man diese Musik eventuell als ein von Jimmy LaFave zu produzierendes Album veröffentlichen könnte. So kam es dann auch. Als Jimmy LaFave wieder zurück in Texas war, begannen sogleich die gemeinsamen Aufnahmen in den Cedar Creek Studios in Austin. Die Stimme aus dem Regen hatte einen Platz in der Sonne gefunden. Für die Aufnahmen verpflichtete Wyckham Porteous zuerst seine angestammte Band, der er den Namen The Band Of Tennesseeans verpasst hatte. Zu den Tennesseeans gehörte zu jener Zeit auch die Hammond B3-Legende Ian McLagan, der mit den Rolling Stones, Bob Dylan und vielen weiteren Topstars zusammengearbeitet hatte. Dazu gesellten sich im Verlauf der Aufnahmen einige weitere Musiker, wie zum Beispiel Paul Sweeny (Mandoline), Gene Elders (Violine), der Gitarrist Mitch Watkins und der Mundharmonikaspieler Randy Glines. Für Chorgesang kamen neben einigen anderen auch die Countrysängerin Abra Moore, Christine Albert und natürlich auch Jimmy LaFave hinzu, der das Album auch produzierte und ihm einen ungemein warmen, gefühlvollen und trotzdem knackigen Sound verpasste.

Das Album "Looking For Ground" geriet zu einem wahren Meisterwerk des Americana und zu einem Meilenstein in Wyckham Porteous' Schaffen, den er in den nachfolgenden Jahren leider nicht mehr würde toppen können. Die Platte erschien im September 1995 und erhielt fabelhafte Kritiken in den Musikmagazinen in Kanada, den USA und selbst im fernen Europa. Der einhellige Tenor lautete 'a roots rock masterpiece'. Das Album erreichte kurz nach seiner Veröffentlichung die Top Ten in den Americana Charts und wurde 1997 bei der jährlichen West Coast Music Awards Show der Pacific Music Industry Association in der entsprechenden Kategorie mit dem Preis 'Best Roots Traditional Album' ausgezeichnet. Das musikalische Programm des Albums, das wahlweise an John Hiatt, aber auch an The Band erinnern mochte, begeisterte und überzeugte mit ausgefeilten Songs, reifen und wunderbaren Melodien, die so gar nicht zu einem Debutalbum passen wollten. Wyckham Porteous verband in seinen Kompositionen gleich dreierlei stilistische Mittel, in dem er Country, Folk und Rock gleichermassen in jede seiner Kompositionen legte. Kritiker hörten beispielsweise ein Amalgam aus Robert Earl Keen, Guy Clark und John Prine heraus, und fast an jeder Stelle konnte man die typischen Songmerkmale von John Hiatt herausfiltern. Das tat der Eigenständigkeit der Musik jedoch trotzdem keinen Abbruch, weil es vor allem die einmalige und mit einem grossen Wiedererkennungswert ausgestattete Stimme von Wyckham Porteous war, die den Songs auf dem Album die Seele gaben.

Angefangen mit dem Titelstück "Looking For Ground", einem lässigen und unbeschwert lockeren und coolen Westcoast-Poprock Titel, über "Back On That Train" und den atmosphärischen "Cumberland Waltz" bis zur einschmeichelnden Americana-Ballade "Glory", welche Wyckham Porteous gemeinsam mit Julianne Banks im Duett sang, präsentierte der talentierte Musiker insgesamt 13 hervorragende Titel, die allesamt auf einem gleichbeibend hohen musikalischen und kompositorischen Niveau angesiedelt waren und die es locker mit jedem erfolgreichen Act in diesem musikalischen Bereich aufnehmen konnten. Nicht zuletzt die grosse Vielseitigkeit in instrumentaler Hinsicht, die vielen kleinen Arrangement-Finessen machten das Album zu einem abwechslungsreichen und spritzigen Hörgenuss. Ein textliches Hauptaugenmerk warf Wyckham Porteous auf das Reisen und die Eindrücke während langer, selbst erlebter Trips quer durch den ganzen amerikanischen Kontinent, beschrieb dabei etwa eine lauschige Sommernacht auf einer kleinen Insel an der kanadischen Westküste im Song "Please Don't Call Me", sinnierte über sein eigenes Leben in Hundejahren während einer Reise nach North Saskatchewan im Song "Seven Years" und schrieb in "I Would Stay Here" einen Liebesbrief an die Prärie. Am ergreifendsten aber waren die Worte, die er im Song "Cumberland Waltz" wählte. Es handelte sich dabei um die letzten Gedanken des Pazifisten Ginger Goodwin, bevor dieser in den Hügeln über Cumberland erschossen wurde.

Dem exzellenten Album "Looking For Ground" folgte "In This World", das Porteous bei Ragged Pup Records veröffentlichte. Morris Tepper, der in Los Angeles ansässige Gitarrist und Produzent, der vor allem für seine Arbeiten mit Captain Beefheart, Tom Waits, Frank Black und P.J Harvey bekannt war, wurde Wyckham's neuer Produzent, der ihn musikalisch zu anderen Orten führen wollte. Dies gestaltete sich allerdings ausserordentlich schwierig, denn der Schritt vorwärts sollte auch ein Schritt rückwärts sein. Will heissen: Wyckham Porteous wählte für sein nächstes Album alte Songs, die e bis dato noch nicht veröffentlicht hatte und wollte diese etwas moderner und zeittypischer arrangieren, sodass sie einen Touch Alternative Rock erhalten sollten. Als die beiden jedoch im Nomad Studio auf Saltspring Island mit den entsprechenden Aufnahmen, zusammen mit dem Schlagzeuger Pat Steward (von der Band Odds) aund dem Bassisten Rob Becker (der für Patricia Conroy spielte) begonnen hatten, wurde diese Idee wieder verworfen. Trotzdem gelang es diesem Team, in nur fünf Tagen zehn neue Basic Tracks einzuspielen. An zwei weiteren Lokationen wurden weitere Arrangements an diesen neuen Songs vorgenommen, und zwar in Vancouver und in Victoria. Als nächstes wurde ein Mixing Engineer gesucht, der dem Ganzen einen professionellen Sound geben sollte. Hierzu verpflichteten Morris Tepper und Wyckham Porteous den renommierten Toningenieur Joe Chiccarelli, einen persönlichen Freund der Teppers und ein Veteran in diesem Bereich, der schon für die Künstler Beck, Frank Zappa und U2 an den Reglern gesessen hatte. Trotz allem Aufwand fand sich am Ende jedoch keine Plattenfirma, welche diese Aufnahmen veröffentlichen wollte.

Erst 12 Jahre später erschien Wyckham Porteous' Nachfolger der Platte "Looking For Ground", das Alternative Rockalbum "sexanddrinking", aufgenommen für das kleine Plattenlabel Cordova Bay Records. Es klang wesentlich straffer und rockiger, und Porteous experimentierte darauf auch mit seiner Stimme: Sprachfetzen, verschiedenartige Vokaleffekte und gar Spoken Word Elemente fanden sich in den teils recht abgedrehten Songs, die allesamt ziemlich weit von dem weg waren, was er auf seinem Debutalbum an Harmonieseligkeit und locker-leichtem Feeling gezeigt hatte: Piano Lounge Tracks mixte er mit Folk, Rap, Rock, Jazz, Country und Blues, und schaffte es dennoch, das alles unter einen Hut zu bringen und sogar noch zusammenhängend zu präsentieren. "sexanddrinking" wurde nominiert als 'Best Indie Release' und 'Best Folk Release' im Jahre 2002 bei den West Coast Music Awards. Wyckham war in jenem Jahr noch zusätzlich nominiert als 'Musician of the Year'.




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