ROY BUCHANAN - You're Not Alone (Atlantic Records SD 19170, 1978)
Für sehr stilvollen, eleganten Blues mit viel Feeling, dafür stand der Gitarrist Roy Buchanan Zeit seines Lebens. Zumeist etwas im Schatten der grossen Meister dieses Genres verstand es der Musiker stets zu begeistern. Ob im eher ruhigeren Blues, oder im währschaften Blues Rock: Buchanan war überall zuhause. Trotzdem war sein Wiedererkennungswert sehr hoch. Der Gitarrist war immer unter Vielen seiner Zunft klar herauszuhören. Deshalb überraschte dieses 1978 veröffentlichte Album nicht wenige Fans, die zum Teil auch recht konsterniert auf die Veröffentlichung reagierten. Hier hatte Roy Buchanan in den USA mit einigen hochkarätigen Studiomusikern ein Experiment gewagt, das er mit seiner Tourband wohl so konsequent nicht hätte umsetzen können. Roy Buchanan klang auf dem Werk "You're Not Alone" ziemlich ähnlich wie Pink Floyd. Sehr sphärisch, was dem zeitweise üppigen Einsatz von spacigen Synthesizerklängen geschuldet war, auf der anderen Seite aber auch mit teils frappant an David Gilmour erinnernden Gitarrenläufen, die der Musiker aber eigentlich auch sonst schon immer als sein Markenzeichen präsentierte, nur eben nicht in dieser stilistischen Art. Bei manch einem der fast überwiegend langen Songs, hört man Mitt-Siebziger Klänge von Pink Floyd, was die Blues-Puristen damals wohl zugegebenermassen wenn nicht verschreckte, dann doch zumindest überrascht haben dürfte. Allein: Wenn man wie ich dieses Werk als das erste von Roy Buchanan kennengelernt hat, dann hat man wohl einen etwas objektiveren Bezug zu diesem Ausnahmekünstler. Ich kannte Roy Buchanan vor dieser Veröffentlichung in der Tat bloss dem Namen nach. Seine Werke kannte ich bis dahin nicht.
Ungewöhnlich wie diese Platte war auch der Lebensweg von Roy Buchanan. Der am 23. September 1939 in Ozark, Arkansas geborene spätere Meister und Pionier der Fender Telecaster Gitarre, zog im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie nach Pixley in Kalifornien, wo sein Vater Arbeit auf einer Farm gefunden hatte. Mit neun Jahren bekam er von seinen Eltern seine erste Gitarre. Trotz mehrerer Jahre Unterricht lernte Buchanan nie Noten zu lesen, sondern spielte rein nach Gehör. Als die am perfektesten zu ihm passende Gitarre entpuppte sich die legendäre Fender Telecaster. Mit 12 Jahren bekam Buchanan sein erstes Engagement in einer örtlichen Band, den Waw Keen Valley Boys. Mit 16 zog er zu seinen älteren Geschwistern nach Los Angeles, wo er bei den Heartbeats spielte, zusammen mit Spencer Dryden, der später bei Jefferson Airplane und den New Riders Of The Purple Sage als Schlagzeuger bekannt wurde. Höhepunkt der Heartbeats war der Auftritt in dem Film "Rock Pretty Baby". Seine nächste Band war Oklahoma Bandstand in Tulsa, bevor er drei Jahre in der Begleitband von Dale Hawkins spielte, der 1958 mit "My Babe" seinen grössten Hit feiern konnte. Danach war Roy Buchanan unter anderem für Ronnie Hawkins, The Coasters, Frankie Avalon und Eddie Cochran tätig.
1961 heiratete Buchanan Judy Owens und wohnte mit ihr zunächst in der Nähe von Washington, D.C. In den folgenden Jahren war er nicht im Musikgeschäft aktiv. Erst ab 1969 trat er wieder in kleineren Clubs im Grossraum Philadelphia/Washington auf. 1970 fand er in verschiedenen Zeitungen und schliesslich im Magazin Rolling Stone Erwähnung, nicht zuletzt, da er 1969 angeblich als Nachfolgemusiker für den Rolling Stones-Gitarristen Brian Jones gehandelt wurde, ein Angebot, das er allerdings ablehnte. 1971 machte ihn eine Fernsehsendung mit dem Titel "Introducing Roy Buchanan" einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Erst in den 70er Jahren erschien dann eine Reihe von Alben, die teilweise recht erfolgreich waren, überzeugen konnte er aber nur als Gitarrist, nicht als Sänger. Er galt bei manchen als der "beste unbekannte Bluesgitarrist". Es folgten zahlreiche Tourneen und Konzerte, bis Buchanan sich in der zweiten Hälfte der 70er Jahre aus dem Plattengeschäft zurückzog. Zuvor allerdings verblüffte er seine Fans noch einmal mit einem ebenso grossartigen, wie ungewöhnlichen Werk, der Platte "You're Not Alone".
Unter den Fittichen von Produzent Raymond Silva ging Roy Buchanan 1978 ins Atlantic Studio in New York und griff auf zwei der damals bereits hochkarätigsten Sessions- und Studiomusiker zurück, nämlich auf den Top-Bassisten Willie Weeks, der zuvor beim ersten Soloalbum von Steve Winwood beschäftigt war und früher auch in der Band von Donny Hathaway mitgespielt hatte und auf den Schlagzeuger Andrew Newmark, dessen Künste zuerst bei Sly & The Family Stone aufgefallen waren, und der später unter anderem von Eric Clapton, George Harrison, Pink Floyd (sic!) und David Gilmour verpflichtet wurde. Als zweiter Gitarrist wurde Ray Gomez aufgeboten. Gomez startete seine musikalische Karriere ursprünglich als Perkussionist, wechselte danach aber zur Gitarre und lernte Jazz. Er spielte unter anderem auf dem bekannten Album "School Days" von Stanley Clarke mit. Als einflussreichster Beteiligter darf allerdings Jean Roussel genannt werden. Der Producer und Arrangeur steuerte sämtliche Keyboard-Arrangements bei und verlieh der Platte diesen sphärischen und das Werk dominierenden Touch. Mit solchem Instrumentarium hatte Buchanan zuvor noch nie gearbeitet und hat es auch danach nicht mehr gemacht. Darum ist diese Platte so einzigartig im Gesamtwerk dieses Gitarristen.
Der Einstieg in das Album war denn auch sehr sphärisch, nannte sich "The Opening...Miles From Earth" und leitete nach zwei Minuten über in den ersten Song "Turn To Stone", der eine Ueberraschung darstellte: Er klang richtig hart rockend und war eine Neuauflage des bekannten Titels aus der Feder von Joe Walsh, dem Roy Buchanan neben dem eher nahe am Original gehaltenen Grundriff eine herrlich bluesige und sphärische, fast jazzig wirkende Solierung folgen liess, die diesem Titel zwar irgendwie den Rock-Groove nahm, den Song insgesamt jedoch ganz klar aufwertete gegenüber dem Original von Joe Walsh. Das nachfolgende "Fly Night Bird" war dann Pink Floyd pur. Hier dominierte Buchanan's Leadgitarre mit langgezogenen Solo-Klängen ganz in der Tradition von David Gilmour. Hier meinte man zum erstenmal, einer bislang nicht bekannten Floyd-Nummer zu lauschen, so nahe war dieses Stück an Gilmour's Band gehalten. Der die erste LP-Seite beschliessende Kracher "1841 Shuffle" indes zeigte dann eher wieder den typisch forschen Buchanan-Bluesrock Stil.
Die B-Seite der Platte eröffnete mit einer absolut meisterhaften Coverversion des Neil Young Titels "Down By The River". Von dem Song gibt es zahlreiche Coverversionen anderer Bands und Musiker, und wenn mir persönlich bis dato jene Variante der Band Majic Ship am besten gefallen hatte, so kam nun auf jeden Fall dicht dahinter und noch vor dem Original von Neil Young diese Version von Roy Buchanan. Eine wundervoll gefühlvolle Inszenierung dieser Nummer, die mit aussergewöhnlich gutem und für Roy Buchanan eher untypischem Gesang ausgestattet war, für den die Sänger und Sängerinnen Gary St. Clair (Leadstimme), David Lasley, Krystal Davis, Alfa Anderson und Schmusemeister Luther Vandross verantwortlich zeichneten. Grossartig bei diesem Stück dann auch wieder die schier endlos in die Länge gezogene Solo-Reise von Roy Buchanan. Das anschliessende "Supernova" darf eher als kürzeres Zwischenspiel angesehen werden, bevor es mit dem letzten Longtrack "You're Not Alone" das Titelstück zu hören gibt, das wieder gänzlich Pink Floyd-Flair verströmt. Dieser wiederum sehr sphärisch ausgelegte Song beschliesst mit einem langen Ausklang ein ebenso stimmungsvolles, wie verträumtes und hochklassiges Album, das in der Discographie von Roy Buchanan einzigartig blieb, was eigentlich schade ist. Viele Fans des Musikers konnten erst nach Jahren mit dem Werk ihren Frieden schliessen, weil der Gitarrist darauf stark von seinen eigenen Wurzeln abwich. Es gibt aber auch die anderen, weniger puristischen Musikfans, welche dieses Werk schlicht für das Beste halten, was Roy Buchanan überhaupt veröffentlicht hat. Ich gehöre eindeutig zu Letzeren, auch wenn ich Buchanan's sonstiges Oeuvre gleichermassen schätze.
Nach diesem Album war Buchanan nicht mehr so produktiv. In den gesamten 80er Jahren veröffentlichte er nur vier, allerdings recht erfolgreiche weitere Alben. Auf dem 1981 veröffentlichten "My Babe" war als Schlagzeuger Danny Brubeck, ein Sohn von Dave Brubeck zu hören. 1985 erschien das Album "When A Guitar Plays The Blues", das sich 13 Wochen in den Billboard-Charts hielt und für einen Grammy nominiert wurde. Buchanan kam des Öfteren mit dem Gesetz in Konflikt und hatte grosse Alkoholprobleme. Am 14. August 1988 wurde der Musiker nach einem schweren Streit mit seiner Frau wegen Trunkenheit festgenommen. Später wurde er tot in seiner Zelle aufgefunden, laut offiziellem Bericht hatte er sich mit dem eigenen Hemd erhängt. Bis heute sind die Umstände seines Todes Gegenstand zahlreicher Spekulationen. "You're Not Alone" ist bis heute mein Lieblingsalbum dieses Musikers geblieben, auch wenn ich viele seiner Werke inzwischen für unverzichtbar halte, wie etwa die beeindruckenden Live-Alben "Live Stock" und "Live In Japan". Neben der "You're Not Alone" würde ich als Studioalben seine Platten "Second Album" von 1973 und die bereits erwähnte LP "When A Guitar Plays The Blues" von 1985 empfehlen.
Danke für die Vorstellung dieses Albums, das ich noch aus meiner Jugend kenne und vergessen habe. Mir jedenfalls gefällt es sehr gut.
ReplyDeletePS: Überhaupt schreibst Du ein coolen, interessanten Blog - Du bist wahrlich ein echter und gut informierter Musikfan. Gratulation und vielen Dank.
Hallo snapper33, besten Dank. Ich schreibe über die Platten, die mich über all die vielen Jahre bis heute nachhaltig beeindruckt haben. Die Faszination für die Musik dauert bis heute an und ich entdecke immer noch viele tolle Platten, auch von jüngeren bis aktuellen Bands. Beste Grüsse Beatnik
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