BEATNIK - Kaleidoscopia (Eargasm Wreckords EAR CD-268103, 2008)
Beatnik ist ein Schweizer Musiker und Querdenker, der sich selbst auch gerne als Big Daddy Beatnik bezeichnet. Bereits seit Mitte der siebziger Jahre aktiv, zunächst mit der STEVE WHITNEY BAND mit ungestümem Rock'n'Roll, wandelte er später mit verschiedenen Soloprojekten auf seinen eigenen Wegen durch die Ländereien des Blues, wobei er auch gelegentliche Abzweigungen in Richtung Roots und Americana durchschritt. Zuletzt hat er, ausser mit langjährigen musikalischen Weggefährten wie dem Gitarristen Carsten Göke, genannt "El Vagabundo" oder dem Bassisten Raoul Walton (La Düsseldorf, Heinz Rudolf Kunze, Marius Müller-Westernhagen), immer wieder mit Musikern von Anyone's Daughter zusammengearbeitet, wodurch auch einige sphärisch-krautrockige Klänge mit in sein Werk eingeflossen sind.
Auf seinem Album "Kaleidoscopia" hat er, neben den Genannten und einigen anderen (nicht nur musikalischen) Freunden auch noch Alex Conti (Atlantis, Lake, Hamburg Blues Band) um sich geschart, um gemeinsam mit ihnen in seinen Kosmos einzutauchen. Nach verlässlichen Augenzeugenberichten ist dabei vieles der Kompositionen, die Beatnik gemeinsam mit Hans Peter Küng realisiert hat, im Studio weiterentwickelt und zur Vollendung gebracht worden. Wobei der Hörer an einer Entwicklung teilhaben kann, in dem sich Beatnik und seine Musik von einer blaugefärbten Raupe zu einem bunten, in vielen Farbfacetten schillernden Schmetterling verwandelt. Es fusst zwar (noch ?) vieles aus dem Blues, aber das Fenster öffnet sich sperrangelweit für Einflüsse aus Jazz und Weltmusik. Aber der Reihe nach.
Dem wolkigen Intro "Unlock The Gate" folgt ein langes, von den gegensätzlichen Leadgitarristen dominiertes Instrumental mit "Art Is". Auf der einen Seite Alex Conti mit seinem strahlend-funkelnden Hochglanzsound, auf der anderen Seite El Vagabundo, dessen Spiel von aufregenden Kanten und Widerhaken durchsetzt ist. Sämtliche Stücke des Albums schliessen sich übrigens nahtlos aneinander an und fliessen ineinander über, da es ja auch keine Nummernrevue sein soll, sondern ein in sich geschlossenes Ganzes, in dem sich der Musiker Beatnik offenbart.
Bei "The Sea" hört man dann auch die Stimme des Meisters. Rein optisch würde man eigentlich ein kraftvolles Organ mit einem etwas hemdsärmeligem, vielleicht sogar meckernden Timbre erwarten, aber Beatnik ist ein regelrechter Crooner, voller Gefühl, Ausdruck und Wärme. Auch in diesem Stück wird ausgiebig soliert, wobei Matthias Ulmer, der Keyboarder von Anyone's Daughter, besonders gut zur Geltung kommt. Mit dem heimlichen Höhepunkt des Albums, "Spectral Voyager" wird es lebhafter, mit dem French Horn und der Harp kommen neue, aufregende Klangfarben hinzu. Insbesondere die Kombination der schnellen, clubsoundartigen Electronics mit der sonst traditionell im Blues verhafteten Mundharmonika von Mario Anastasini ist wirklich spannend. Die Gitarre von Conti übernimmt dann das Szepter und schlägt Schneisen in den sanft treibenden, pluckernden Beat, bis man in jazzrockige Gefilde eintaucht. Und am Ende weht mehr als ein Hauch von Al di Meola durch die Boxen - absolut grandios.
"Celestial Moog" ist ein klassisch inspiriertes Pianozwischenspiel mit einigen Moogsounds als konterkarierende Glasperlen. Das sanft groovende "Restrain And Release" wird wieder durchpulst von der Kraft der zwei (unterschiedlichen) Gitarren, während bei dem kontemplativen Intermezzo "Dark Crystal" die Gedanken auf eine weite Reise geschickt werden. "Bassaman Vibration" nimmt als furiose, leicht angeschrägte Bassbattle zwischen Raoul Walton und Dani Winterberg mächtig Fahrt auf und rattert leichtfüssig davon, um letztlich vom fast schon sakralen "Spirit Flow" eingebremst zu werden. Mit "Goodbye Blues Cry" gibt es dann den Umkehrschwung zurück in blaugetränkte Gefilde bevor alles weggesaugt und die Tür zugeschlagen wird (wortwörtlich).
Die mehr als 72 Minuten vergehen wie im Flug, was ich persönlich bei einer Scheibe mit bluesiger Grundausrichtung nur selten so empfinde. Beatnik hat gemeinsam mit seinem kongenialen Partner für beeindruckende Soundlandschaften, Hans Peter Küng, und seinen erlesenen Mitstreitern eine musikalische Welt geschaffen, in der man sich vom traditionellen Bluesschema immer wieder wegbewegt, ohne die Wurzeln zu verraten. Und wenn man weiss, dass Eroc das Mastering besorgt hat, kann man auch sicher sein, dass diese Scheibe klanglich höchsten Ansprüchen genügt. Selbst auf meinem bescheidenen Equipment, das schon Jahre auf dem Buckel hat, klingt "Kaleidoscopia" einfach fantastisch.
Dazu kommt als Sahnehäubchen ein wirklich hübsches und stimmiges Artwork, das eine in allen Belangen mehr als gelungene Produktion abrundet. Zu erwerben ist das edle Teil beim Künstler selbst über dessen Homepage.
(Ralf Stierlen)
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