CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL - Mardi Gras (Fantasy Records 9404, 1972)
"Mardi Gras" war das siebte und letzte Studioalbum der US-amerikanischen Rockgruppe Creedence Clearwater Revival und erschien im April 1972 bei dem Plattenlabel Fantasy Records. Benannt wurde das Werk nach dem Karnevalsfest des amerikanischen Südens. Das Album entstand, nachdem Tom Fogerty die Gruppe 1971 verlassen hatte. Geprägt ist es im Wesentlichen durch die sich abzeichnenden Differenzen in der Band. Während bei den früheren Alben alleine John Fogerty die Songs und die Arrangements schrieb und auch produzierte, war man nun übereingekommen, die Rollen stärker zu verteilen, da Stu Cook und Doug Clifford mit ihren Rollen im Hintergrund der Band nicht mehr zufrieden waren. Dies führte dazu, dass Clifford und Cook in den Songs, die sie geschrieben hatten, auch sangen. Das Album wurde von den Kritikern überwiegend negativ bewertet und verkaufte sich weniger gut als seine Vorgänger, ein Umstand, der meiner Meinung nach diesem Werk nicht gerecht wird.
Nach dem sechsten Album von Creedence Clearwater Revival, dem weiteren Erfolgswerk "Pendulum" aus dem Jahre 1970, passierte etwas Untypisches für die Band: Nachdem sie 1969 gleich drei Alben herausgebracht hatten und ein Jahr später zwei, vergingen nun zwei Jahre, bis das nächste Werk erschien. Für die erfolgsverwöhnte Band definitiv eine lange Zeit. Der Grund für diese kreative Bremse waren Misverständnisse zwischen den Mitgliedern. Stu Cook (Bass) und Doug Clifford (Schlagzeug) wollten mehr Anteil an der Produktion der Songs haben und als ernstzunehmende Künstler mehr in den Vordergrund treten. Dies führte leider dazu, dass John Fogerty's Bruder Tom die Gruppe verliess und somit nur noch drei Mitglieder übrig waren. Die Folge von Tom Fogerty's Abgang waren letztlich gravierend: Die Songs der Gruppe wirkten im Fluss nicht mehr ganz so rund, ähnlich wie die Beziehung der drei verbliebenen Musiker. Die meisten Fans und Kritiker sahen dies so, und "Mardi Gras" konnte in ihren Augen nicht mehr die Qualität der ersten Platten erreichen, wie etwa zuvor noch "Pendulum" oder gar "Cosmo's Factory".
Die Gruppe Creedence Clearwater Revival begann ihre musikalische Karriere unter dem Namen The Blue Velvets, gegründet Anfang 1959 von John Fogerty und dessen Schulfreund Doug Clifford, sowie Stu Cook, im kalifornischen El Cerrito. In einem Interview erklärte Doug Clifford, dass er John Fogerty in seiner damaligen Schule im Musikraum kennenlernte, wo dieser gerade Klavier spielte. Er war auf den Raum aufmerksam geworden, weil Fogerty dort gerade die Art von Musik hörte, für die sich auch Clifford interessierte, nämlich Stücke von Fats Domino und Little Richard. Kurz darauf kam es zu folgender Gesprächssituation zwischen den beiden. Clifford fragte Fogerty, ob er eine Band gründen wolle, worauf ihn Fogerty fragte, was für ein Instrument er spiele. Clifford entgegnete, dass er Schlagzeug spiele. Doug Clifford besass zu jener Zeit eine Snaredrum und eine Bassdrum. Fogerty meinte darauf: "Gut, lass uns das machen, aber ich spiele eigentlich Gitarre. Ich suche einen Klavierspieler". Nach fünf Monaten ergänzte Stu Cook das Duo. Anfangs spielte dieser Klavier und lernte später noch Bassgitarre zu spielen. Etwas später stiess dann schliesslich auch Tom Fogerty, der ältere Bruder von John, zur Band. Sie spielten gemeinsam auf Schulveranstaltungen und kleinen Festen, wobei ihr Repertoire im Wesentlichen aus Instrumentalversionen der damaligen Hits bestand. Während dieser Zeit nahmen sie bereits einige Platten für den örtlichen Orchester-Musikverlag auf, blieben aber erfolglos.
Nach dem High-School-Abschluss aller Bandmitglieder arbeiteten The Blue Velvets kaum noch an einer musikalischen Karriere. Tom, der ältere der Fogerty-Brüder, hatte bereits eine eigene Familie zu versorgen; Doug Clifford und Stu Cook gingen aufs College und John Fogerty wurde Armee-Reservist. Als die vier Musiker 1964 einige Demoaufnahmen zur Plattenfirma Fantasy Records brachten, war man dort von der Musik der Blue Velvets angetan. Die anschliessend hinzugefügten Gesangsaufnahmen kamen dann als Schallplatte auf den Markt. Allerdings waren die Musiker nicht begeistert, als sie bei der Veröffentlichung feststellen mussten, dass die Plattenfirma die Band in Golliwogs umbenannt hatte. Zunächst hielt sich der Erfolg weiter in Grenzen, sie veröffentlichten ein paar unbeachtete Singles. Dennoch stachen die vier Musiker schon damals mit Eigenkompositionen aus der Masse der örtlichen Musikgruppen heraus. Mit dem Song "Brown Eyed Girl", der im Jahre 1967 veröffentlicht wurde, löste John Fogerty seinen Bruder Tom als Sänger ab. Dieser Wechsel bedeutete erneut einen musikalischen Aufbruch; mit "Walk On The Water" entstand bald darauf das erste Stück, das kein Liebeslied war. Mit dem Titel "Porterville" wurde ein weiterer Titel veröffentlicht. Im Dezember 1967 benannte sich die Gruppe in Creedence Clearwater Revival um. Dieser Name entstand aus dem Vornamen (Credence) eines befreundeten Arbeitskollegen von Tom Fogerty und einer Biermarke (Clearwater), die unter anderem mit Reinheit warb. Clearwater stand jedoch auch für die Einstellung der Band zum Umweltschutz. Das Revival symbolisierte den Zusammenhalt der Band, die sich nach einigen (nicht immer freiwilligen) Namensänderungen wieder selbst benennen durfte. Diese Erklärung des Namens berücksichtigt allerdings nicht das christliche sogenannte Revival in der Creedence Clearwater Church von 1801. Solche Revivals traten in den USA seit dem 18. Jahrhundert auf, und zwar vor allem während der Great Awakenings.
Der erste Titel, den sie unter dem neuen Bandnamen einspielten, war "Suzie Q.", ein damals bereits elf Jahre altes Lied von Dale Hawkins, das die Band schon seit ihrem Bestehen in ihrem Repertoire hatte. Anschliessend nahmen die Musiker Screamin' Jay Hawkins' Erfolgstitel "I Put A Spell On You" auf, "Walk On The Water" (zum zweitenmal), "Get Down Woman", "Gloomy" und einige weitere Stücke. Der Titel "The Working Man" war bereits ein früher Versuch, den Kern der Lower Class-Mentalität des Volkes anzusprechen. Das erste Album mit dem schlichten Namen "Creedence Clearwater Revival" wurde Anfang 1968 fertiggestellt und im Juni desselben Jahres veröffentlicht. Die Reaktion auf diese Platte war gross: bei den Radio-Stationen gingen zahlreiche Hörerwünsche ein. Danach lief die Platte regelmässig in den Radiosendungen, und es entstand eine regelrechte CCR-Manie. Mit dem 1969 erschienenen Album "Bayou Country" fand die Band zu dem Stil, den sie auch über die nächsten Jahre beibehielt. Die Musik der Gruppe wurde nun als Bayou Rock oder auch Swamp Rock bezeichnet, da sich ihre Songtexte und immer wiederkehrende musikalische Themen vor allem mit ländlichen Weisheiten befassten. Schliesslich nahm man an, dass Creedence Clearwater Revival aus Louisiana stammen müsse, gerade "Proud Mary", ihre zweite Hit-Single bestärkte diese Annahme. Dieser Mythos entwickelte sich hauptsächlich durch die Liebe John Fogerty's zum Süden der USA; seine bevorzugte Musik - Blues und klassischer Rock ’n’ Roll - kamen fast ausnahmslos von dort. Und dieser Stil, angereichert durch einen Country-Einschlag, manifestierte sich auf dem nachfolgenden Album "Green River" mit dem gleichnamigen Titelsong sowie den weiteren Hits "Lodi" und "Bad Moon Rising". Damit hatte die Band nun endgültig ihre musikalische Prägung gefunden.
Ihr Auftritt im selben Jahr als Mit-Headliner des Woodstock Festivals erschien weder in dem Film über das Festival noch auf dem ursprünglichen Woodstock-Album, da John Fogerty und die Plattenfirma sich weigerten, die Rechte dazu freizugeben. Fogerty betrachtete den Auftritt, der gegen drei Uhr nachts nach einem langen Auftritt von The Grateful Dead stattgefunden hatte, als zu schlecht, um veröffentlicht zu werden, da nur ein kleiner Teil des Publikums noch wach war und die Band angeblich mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Mit dem Hit "Fortunate Son" auf dem Album "Willy And The Poor Boys" im November 1969 wurden Creedence Clearwater Revival zum ersten Mal politisch. Gegenstand der Verachtung war der gefühllose Reiche, der die Macht zu seinen eigenen Zwecken verdrehte. Querverweise zu dem zu der Zeit schwelenden Vietnamkrieg drängten sich auf. Die Textzeilen: "It ain’t me, it ain’t me. I am no senator’s son. It ain’t me, it ain’t me. I am no fortunate one" bezogen sich augenscheinlich auf den Umstand, dass wohlhabendere und einflussreichere Bürger Möglichkeiten besassen, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. "Down On The Corner" war der grösste Hit aus dieser LP, der unbekanntere Titel "Don’t Look Now (It Ain’t You or Me)" wurde von offizieller Seite stark angefeindet.
Zur Zeit der Veröffentlichung von "Cosmo’s Factory", der fünften LP, befanden sich Creedence Clearwater Revival auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Hits aus dieser Periode sind "Lookin’ Out My Back Door", "Up Around The Bend" und "Who’ll Stop The Rain". Mittlerweile spielte die Band regelmässig vor grossem Publikum in der ganzen Welt, jede Single verkaufte sich millionenfach und jede ihrer bisherigen fünf LP's wies Verkaufszahlen von über einer Million auf. Sogar Raubpressungen waren auf dem Markt. Die vier Musiker setzten sich stark für die Bürgerrechte ein und gaben zahlreiche Benefiz-Konzerte. Ohne dies bekannt zu machen, versorgten sie die Indianer der belagerten Alcatraz-Insel mit Lebensmitteln und Ausrüstungsgegenständen. Die im Dezember 1970 veröffentlichte LP "Pendulum" wurde schon vor dem Erscheinungsdatum über eine Million Mal vorbestellt. Das Album enthielt mit "Hey Tonight" den einzigen Nummer-1 Hit für die Gruppe in Deutschland. Jahre später wurde aber deutlich, dass John Fogerty seine Bandkollegen auf "Pendulum" inzwischen zu Statisten degradiert hatte; die wesentlichen Beiträge zur Platte kamen von ihm. Vielleicht auch gerade deswegen sang Fogerty wohl nie souveräner als auf diesem Album. Der Gruppenverband war nun jedoch nicht mehr aufrechtzuerhalten, Tom Fogerty schied im Februar 1971 aus, um sich an einer Solokarriere zu versuchen.
Auf dem im April 1972 erschienenen Album "Mardi Gras" legte daher folgerichtig jeder der verbliebenen drei Musiker seine eigenen Kompositionen vor. Die Platte sollte nach demokratischen Prinzipien innerhalb der Band entstehen, geriet aber so stilistisch nicht einheitlich. Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, dass die Platte nicht an die Erfolge von davor anknüpfen konnte. Ich persönlich finde das sehr schade, dennauch "Mardi Gras" war niemals dieses schlechtgeredete Album, als das es bis heute gilt. Auch auf diesem letzten Werk vor der Trennung bot das verbliebene Trio einige bemerkenswerte musikalische Momente, die immer noch sehr viel besser waren, als so manch andere Gruppe auf Platte bannten.
"What Are Gonna Do ?" veränderte mit Doug Clifford wieder die Stimmung mit einem schnelleren Tempo. Wieder einer dieser gute Laune versprühender Song mit einem tollen Refrain. "Sail Away", von Stu Cook dargeboten, reihte sich nahtlos in die anderen Songs des Albums ein: schön im Fluss, nicht spektakulär, aber gemütlich und sehr entspannt. Es folgte eine Coverversion des Gene Pitney-Klassikers "Hello Mary Lou": Ein toller Song und ein ebenso tolles Cover, gesungen von allen drei Creedence Clearwater Revival-Musiker und in Bezug auf das gesangliche Arrangement für mich persönlich eigentlich der Höhepunkt des ganzen Albums. Dieses mehrstimmige Arrangement hätten die drei Musiker sehr viel konsequenter angehen sollen, dann wären dem Album ganz bestimmt noch viel grössere Glanzpunkte verliehen worden. Mit dem schlichten und geraden "Door To Door" präsentierte Stu Cook einen waschechten Rock'n'Roll, der später als B-Seite der Single "Sweet Hitch-Hiker" veröffentlicht wurde. Abgeschlossen wurde das Album und danach auch die Karriere der Band mit John Fogerty's "Sweet Hitch-Hiker". Ein guter Abschluss, sowohl des Albums, als auch der Karriere der Band, welche noch einmal in den Charts reüssieren konnte. Die Single war recht erfolgreich, stand in der ganzen Welt in den Hitparaden, wenn auch nicht mehr in den obersten Rängen. In Deutschland und der Schweiz reichte es aber noch einmal für einen Platz 1.
Fazit: Obwohl "Mardi Gras" als das schwächste Album der Band bezeichnet wird, so ist es doch sehr viel besser, als man meint. Die Songs sind in sich alle gut, sie waren halt einfach anders, will heissen: demokratisch arrangiert worden: Sie boten allen Bandmitgliedern die Möglichkeit, sie auf ihre eigene Art und Weise vorzutragen. Trotzdem waren alle Titel in einem Guss geraten, es gab keinerlei Ausflüge auf stilistisch anderes Terrain, als jenes, welches die Gruppe schon die Jahre zuvor beackert hatte.
John Fogerty machte sich zu einer langen und widersprüchlichen Solokarriere auf, indem er als erstes unter dem Pseudonym "The Blue Ridge Rangers" eine vor allem vom Bluegrass und dem Hillbilly inspiriertes Album unter die Leute brachte, eine vierköpfige Band auf dem Cover suggerierte, jedoch alle Instrumente selbst einspielte. Danach veröffentlichte er unter seinem eigenen Namen viele Platten, die immer wieder mal Hits abwarfen, so etwa das durch die Gruppe Status Quo in alle Hitparaden der Welt transportierte "Rockin' All Over The World" oder auch den Hit "Eye Of The Zombie", der John Fogerty durch die 80er Jahre rettete. Live durfte John Fogerty seine eigenen Songs lange Zeit und einige gerichtliche Prozesse lang nicht aufführen, weil er von seiner damaligen Plattenfirma Fantasy Records über's Ohr gehauen wurde.
Doug Clifford und Stu Cook spielten 1974 auf dem tollen Album "Groover's Paradise" von Doug Sahm mit, einem Werk, das heute - rückblickend betrachtet - fast so etwas wie ein Creedence Clearwater Revival Werk sein könnte, zumindest musikalisch gab es dort so einige markante Stellen zu hören, die durchaus auch einem CCR-Album hätten entliehen sein können. Danach spielten die beiden Musiker als Backing Section in der Band des Singer/Songwriters Don Harrison mit. Als Don Harrison Band konnte diese Gruppe einen kleinen Hit feiern mit einer Wiederauflage des CCS-Klassikers "Sixteen Tons" im bewährten Creedence Clearwater Revival-Sound. Später gab es etliche Wiedervereinigungen, die jedoch nie mit Beteiligung von John Fogerty vonstatten gingen. John's Bruder Tom Fogerty veröffentlichte nur wenig erfolgreiche Platten, starb relativ früh. John Fogerty stieg aber immer wieder wie Phönix aus der Asche und produzierte noch Jahrzehnte später ausgezeichnete Platten.
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