CHILLIWACK - Rockerbox (Casino Records CAS-1006, 1975)
Geboren in Vancouver, wuchs der spätere Chilliwack-Leader Bill Henderson im Westen Kanadas auf und begann seine Karriere als Musiker noch während er in der Highschool war. Er studierte anschliessend Musik an der University of British Columbia und im Jahre 1964 wurde er angefragt, ob er einer neu zu gründenden Formation beitreten möchte, die aus ehemaligen Musikern der lokalen Gruppe The Classics hervorgehen sollte. Nach zwei Jahren an der Highschool konnte die Band bereits einen Plattenvertrag mit einem lokalen Plattenlabel an Land ziehen. Dies führte zur ersten Single-Einspielung "Looking At A Baby" im Jahre 1967, für deren Veröffentlichung sich die Gruppe allerdings umbenannte in The Collectors. Unter diesem Namen brachte die Band in der Folge zwei Langspielplatten heraus, bevor sie sich im Jahre 1970 erneut umbenannte, nunmehr in Chilliwack. Die Geschichte der stets unterschätzten Band Chilliwack beginnt also eigentlich streng genommen bei der Gruppe The Collectors. Bill Henderson spielte zusammen mit Claire Lawrence, Glenn Miller, Ross Turney und Howie Vickers eine Art kanadische Variante der hippiebewegten Westcoast-Musik der damaligen Zeit. Instrumentenreich und von vielerlei Stilen beeinflusst, erschlossen die Collectors einen meditativen, improvisationsweiten Sound, der 1968 erstmals auf einem Album zu hören war. Das Debutalbum umfasste unter anderem die fast 20 Minuten lange und albenseitenfüllende Rock-Suite "What Love", die bei den Musikkritikern sehr grossen Gefallen fand. Auf der Basis der Filmmusik zu "Grass And Wild Strawberries" entstand 1969 die zweite LP, die wiederum sehr konträre Musikformen zu einem harmonischen Gesamtbild formte. Die Band stand kurz vor dem internationalen Durchbruch, als sich Bandboss Bill Henderson Mitte 1969 zu einer musikalischen Kursänderung entschloss.
Den neuen Bandnamen lieferte ein Vorort von Vancouver. Der Name ist von indianischer Herkunft und bedeutet soviel wie 'Tal der Flüsse'. Auf ein Trio reduziert, bestehend aus Henderson, Claire Lawrence und Ross Turney, klangen Chilliwack nun deutlich progressiver, experimentierfreudiger und innovativer. Mit ihrem 1971 veröffentlichten Doppelalbum "Chilliwack" (das zweite Werk - das erste erschien einige Monate zuvor verwirrenderweise ebenfalls unter dem simplen Titel "Chilliwack") vertrauten sie zumeist in ausufernden Arrangements auf ihre instrumentale Vielseitigkeit und die gute Abstimmung untereinander. Dies geriet manchmal etwas langatmig, mal beschwingt abwechslungsreich, insgesamt aber auf jeden Fall hochinteressant und sehr zeitgemäss: Die 60er Jahre Einflüsse wurden merklich weniger, bis sie schliesslich kurz darauf ganz aus ihrer Musik verschwanden. Insbesondere an Konzerten präsentierten sich Chilliwack als kompetente und hochenergetische Band. Einer ihrer ersten grossen Live-Erfolge war der Auftritt an der Expo 70 im offiziellen kanadischen Pavillion. Es folgten regelmässige Konzertreisen und einige kleinere Achtungserfolge in Form von Singles, von denen die noch 1970 veröffentlichte "Rain-O" die nachhaltigste war. 1972 folgte das dritte Chilliwack-Album mit dem Titel "All Over You", nachdem sich auf dem zweiten Album bereits eine Single zum grösseren Hit entpuppt hatte: "Lonesome Mary". In Kanada genoss die Gruppe inzwischen einen richtigen Kultstatus. Chilliwack galten als echte Alternative zu den in der Hitparade äusserst erfolgreichen The Guess Who, und es war eine Frage der Zeit, wann auch Chilliwack ihren ersten grossen Hit in Kanada landen würden.
Dieser eine Hit liess jedoch weiterhin auf sich warten, weil der Gruppe laut einem Musikkritiker auch die Konsistenz fehlte, was mit angeblich fehlenden Qualitäten in punkto Songwriting von Bill Henderson gleich gesetzt wurde. Bill Henderson begab sich daraufhin ins musikalische Exil und tüftelte an neuen Sounds, bevor er die Gruppe Chilliwack zuerst für gescheitert, danach für neu formiert erklärte, und dabei den Stil dramatisch änderte. Aus der zuvor aus drei Musikern bestehenden Band erwuchs nun eine vierköpfige, sehr aufgeräumte Rockband, mit welcher Henderson nun davon ausging, das passende musikalische Erfolgsrezept im lupenreinen Power-Rock gefunden zu haben. Neu zur Band gestossen war als zweiter Gitarrist Howard Froese, und das nächste Album "Riding High", das 1974 beim Plattenlabel Goldfish Records erschienen und vom erfolgreichen Musiker Terry Jacks ("Seasons In The Sun") produziert worden war, klang in der Tat bemerkenswert rockbetont und vor allem auch auf das Wesentlichste reduziert: Ausufernde Soli und lange Improvisationen waren endgültig passé. Im Zuge der LP-Veröffentlichung erschien auch eine weitere Single: "Crazy Talk" bescherte Chilliwack dann den schon so lange erhofften Single-Hit in Kanada.
Die Band spielte nun kompakter und verzichtete weitgehend auf abgehobene Solo-Etüden. Klare Rhythmus-Strukturen, der gewohnt gute Gesang und ein eindeutiges Bekenntnis zum Gitarren-Rock machten das nachfolgende, im Jahre 1975 erschienene Album "Rockerbox" zu einem überdurchschnittlich guten Rockalbum. Die Band war hierfür zur Plattenfirma Casino Records gewechselt. Das wahrscheinlich fatalste an dem neuen Album, so gut es auch war: Die Plattenfirma veröffentlichte keine Single daraus, obwohl sich einige der Songs auf dem Album hervorragend dafür geeignet hätten. So fehlte der Band einmal mehr der grosse Hit, was umso ärgerlicher war, als dass sie im Jahr zuvor ja mit der Single "Crazy Talk" auf bestem Wege waren, auch ausserhalb Kanadas in den Vereinigten Staaten endlich Fuss fassen zu können. Immerhin wurden ihre Platten inzwischen auch in Europa und auch in Deutschland veröffentlicht. Das aktuelle Werk "Rockerbox" beispielsweise erschien in den USA auf Sire Records, allerdings mit einem alternativen und relativ drögen Plattencover, das kaum Aufsehen erregte. In Europa, und somit auch in Deutschland, erschien die Platte auf Philips Recordes, mit demselben alternativen Plattencover wie die US-Ausgabe. Hierzulande fand die Platte kaum nennenswertes Echo und landete schon bald in den Grabbeltischen zum Schleuderpreis, was diesem hervorragenden Rockalbum in keinerlei Hinsicht gerecht wurde.
Nach dieser erneuten Enttäuschung wechselten Chilliwack wiederum die Plattenfirma. Nun landeten sie bei Mushroom Records und das im Jahre 1976 veröffentlichte Album "Dreams, Dreams, Dreams" brachte endlich den ersehnten Durchbruch, auf den die Gruppe so viele Jahre hatte warten müssen. Die Single-Auskopplung "Fly At Night" schaffte wieder die Top 50 in Kanada und auch die nächste Single "California Girls", ebenfalls dem "Rockerbox"-Album entnommen, konnte punkten. Als Liveband genossen Chilliwack ohnehin seit vielen Jahren einen hervorragenden Ruf, auch ausserhalb ihrer Heimat Kanada. Nun schien sich endlich auch der entsprechende Plattenumsatz anzukündigen. Die Gruppe expandierte zum Quintett, indem sie Brian MacLeod in die Band holte. Später verliess allerdings Howard Froese die Gruppe, doch Brian MacLeod setzte qualitativ viele neue Eckpunkte mit seinem Songwriting, sodass das im Jahre 1978 erschienene Album "Lights From The Valley" zum grossen Hit wurde. Die Band fand hier eine perfekt ausgewogene Balance zwischen kernigem Gitarren-Rock und wundervoll flüssigem Westcoast-Poprock, der seine Wirkung beim Publikum nicht verfehlte: Die Single-Auskopplung "Arms Of Mary" wurde ein grosser Hit, sowohl in Kanada, den USA, als auch in Europa, wo die Single beispielsweise auch in Deutschland oft im Radio gespielt wurde und die Top 50 erreichte.
Als Chilliwack's drittes Album auf Mushroom Records im Jahre 1979 erschien, ging dies mit einer markanten Besetzungsveränderung einher. Von der originalen Band waren nur noch Bill Henderson und Brian MacLeod übrig geblieben. Hinzu kamen drei neue Musiker, die jedoch in Kanada's Rockszene bestens bekannt waren und in auch weltweit agierenden Bands gespielt hatten: Das Album "Breakdown In Paradise" wurde mit dem Schlagzeuger Rick Taylor, der zuvor bei der Hardrock Gruppe Striker gespielt hatte, sowie mit Ab Bryant, dem ehemaligen Bassisten der Rockband Prism und dem neuen zweiten Gitarristen John Roles eingespielt, der zuvor bei der Gruppe Bond tätig gewesen war. Musikalisch änderte dies jedoch eher wenig. Gute Kompositionen, überragende Gesangsleistungen, die weiterhin hervorragenden Songtexte und vor allem das laidbacke Gemisch aus Rock und Westcoast-Flair blieben auch weiterhin Chilliwack's Markenzeichen. Nur dieser kleine zündende Song, der einen Siegeszug um die Welt feiern sollte, der fehlte und kam auch diesmal wieder nicht. Bill Henderson zog erneut die Reissleine und krempelte mal wieder alles um. Nun machte er aus dem Quintett wieder ein Trio; Rick Taylor und John Roles mussten gehen. Mit dem Bankrott des Plattenlabels Mushroom Records wechselte die Gruppe zu Solid Gold Records und nahm für dieses Label das 1981 erschienene Album "Wanna Be A Star" auf, das wiederum glänzende Verkaufszahlen erreichen konnte, jedoch wiederum nur in Kanada. Auch drei Single-Hits warf dieses Werk ab: "My Girl (Gone, Gone, Gone)" mit welcher die Band gar einen JUNO Award gewann, "(Don't Wanna) Live For A Living" und "I Believe". Mit "My Girl (Gone, Gone, Gone)" erreichten Chilliwack die kanadischen Top 20.
Chilliwack zählten nachwievor trotz all ihrer Qualitäten nur zur zweiten Garnitur der kanadischen Rockmusik. 1982 waren Chilliwack in ihrer Heimat so populär wie kaum zuvor. Ihre Songs verblieben auch im Folgejahr in den Charts und das Album "Wanna Be A Star" verkaufte sich nachwievor sehr gut. Es erschien (auf RCA Records) auch in Deutschland. Ihr geschliffener, gesangsbetonter Sound mit seinen strahlenden Melodien und Harmonien hinterliess überall grosse Anerkennung, führte aber einfach nicht zum internationalen Erfolg. Die Erfolgswelle in Kanada ebbte allerdings auch schnell wieder ab. Ihr Jubiläumsalbum "Opus X" ging in der Flut der Veröffentlichungen erneut komplett unter und so kamen Chilliwack nie über eine kanadische Spitzenband hinaus, die in ihrer Heimat Kultstatus besassen, ausserhalb Kanadas letztlich jedoch kaum wahrgenommen wurden. Auch ein 1984 aufgenommenes letztes Album unter dem Titel "Look In, Look Out" blieb erfolglos. Chilliwack trennten sich im Jahre 1988 und Brian MacLeod formierte eine neue, eher am harten Rock orientierte Band namens Headpins, bevor er Mitte der 90er Jahre an Krebs erkrankte. Bill Henderson wechselte von der Gitarre in den Produzentenstuhl und betreute Plattenaufnahmen bekannter Musiker und Bands, unter ihnen The Nylons, Long John Baldry, Jr. Gone Wild, Toronto, The Irish Rovers und The West End Girls, nebst zahlreichen anderen. Er wude auch einige Jahre lang Präsident der 'Songwriter's Association Of Canada' und erhielt 1982 einen Award als bester kanadischer Musikproduzent des Jahres.
Ab 1991bis 2015 trat Bill Henderson immer wieder auch live auf, entweder mit einer Formation namens UHF oder unter dem Chilliwack-Banner. Im Jahre 2003 erschien gar ein neues Livealbum von Chilliwack mit dem Titel "There And Back - Live" 2005 spielte er mit seiner Band am 'Voyageur Days Festival' in Mattawa, Ontario zusammen mit anderen hochkarätigen kanadischen Rockbands, die ihre Wurzeln teilweise ebenfalls in den frühen bis mittleren 70er Jahren hatten, wie etwa Moxy, Toronto, Trooper, Goddo, Killer Dwarfs und Ray Lyell. Am 24. Mai 2010 feierte die aktuelle Besetzung von Chilliwack, bestehend aus Bill Henderson, Ed Henderson, Doug Edwards und Jerry Adolphe eine '40th Anniversary' Show im River Rock Show Theatre in Richmond, British Columbia zusammen mit vielen ehemaligen Mitgliedern der früheren Chilliwack-Besetzungen, wie Roy Forbes, Ab Bryant und Claire Lawrence, sowie Howard Froese's Sohn Tyson an der akustischen Gitarre, der für seinen Vater spielte, welcher Mitte der 90er Jahre an Krebs verstorben war. Ausserdem trat dort auch der Leadsänger der Collectors, Howie Vickers auf. Seit diesem Anlass spielte Bill Henderson immer wieder mit Chilliwack in Kanada an Konzerten, aber auch als Duo, zusammen mit Claire Lawrence.
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