RHEINGOLD - Rheingold (EMI Electrola 1C 064-46 160, 1980)
Der deutsche Gitarrist Bodo Staiger spielte als 18-Jähriger zusammen mit Marius Müller-Westernhagen in der Rock’n’Roll Band Harakiri Whoom. Danach gründete er zusammen mit Karl Bartos die Jazzrock-Formation Sinus. Ab Mitte der 70er Jahre spielte er mit der Rockband Lilac Angels ein Album ein. Bekannt wurde er aber anschliessend als Sänger der NDW-Band Rheingold, die er 1980 beeinflusst von Bands wie Kraftwerk und La Düsseldorf gründete. Mit der Band veröffentlichte er zwischen 1980 und 1984 drei Alben und mehrere kommerziell erfolgreiche Singles. Die Mitglieder von Rheingold waren neben Bodo Staiger (Gesang, Gitarre) auch Lothar Manteuffel (Text) und Brigitte Kunz (Keyboards). Inspiriert durch die Düsseldorfer Szene mit den alles prägenden Kraftwerk gründete Bodo Staiger im Jahre 1980 seine Band Rheingold. Mit der ersten Richard Wagner Oper des "Ring der Nibelungen" fand sich der Bandname. Lothar Manteuffel schrieb die meisten Texte und steuerte das Bandlogo bei, Brigitte Kunz übernahm einige Gesangparts auf der ersten LP. Diese LP namens "Rheingold" erschien noch im selben Jahr und erreichte Platz 18 in den deutschen LP-Charts. Insgesamt 38 Wochen hielt sich die erste LP in der Hitparade.
Nach den ersten Singles "Rheingold" und "Fluss" gelang Bodo Staiger mit dem Titel "Dreiklangsdimensionen" der grosse Durchbruch. Die erste, der Neuen Deutschen Welle zugerechnete Single platzierte sich in den deutschen Charts. Diese hielt sich sagenhafte 38 Wochen und knackte gar die Top 20 (Höchstposition 17). Das Debütalbum von Rheingold stand natürlich im Erbe von "Neu!" und "Kraftwerk". Der einleitende Song "Rein" führte den Zuhörer zunächst auf die Spur von Klaus Dinger und Michael Rother (NEU!). Eine Reminiszenz an die grossen Erneuerer aus Düsseldorf. Genauso wie Kraftwerk. Deren Kompositionsweise und der Gesangsstil Bodo Staiger's (er allein war im Grunde Rheingold) in Titeln wie "International" und natürlich "Dreiklangsdimensionen" variierte. Dass hier nicht kopiert wurde, sondern die Musik als Tradition verstanden wurde, lag auf jeden Fall an der Düsseldorfer Herkunft von Rheingold. Und überhaupt dieser Song "Dreiklangsdimensionen": Dieser Floorfiller von 1980. Im Kern vergleichbar mit "Die Roboter" von "Kraftwerk", jedoch mit der Gitarre als Basis, war das Stück damals ein Paradebeispiel für ein modernes deutsches Tanzstück. Doch Rheingold spielte bei weitem nicht nur mit Traditionen, sondern setzte gleichfalls selbst Masstäbe für kommende Generationen an Musikern. "Pirata" nahm den Sequenzerbeat von "Fred vom Jupiter" vorweg und die Gitarre von "International" und "Fluss" wurde fester Bestandteil aller kommenden Songs von Joachim Witt aus der Epoche der Neuen Deutschen Welle.
Und auch textlich - die Texte stammten alle von Lothar Manteuffel - wies die Nadel in Richtung Zukunft: "Wir bauen auf Platinen und wir denken digital. Töne fliegen wie ein Strom den Fluss hinauf. Ströme steuern diesen neuen Tonverlauf" ("Fluss"). Das war in der Tat richtungsweisend. Bedenkt man ausserdem, dass Digitalaufnahmen damals noch unglaublich teuer und daher selten waren, kann man von dem Album "Rheingold" bis heute als einem Pionieralbum sprechen, und dies in der Tat in mehrfacher Hinsicht. Ausserdem gab es bis dahin noch keine CDs, die den Fortschritt hätten transportieren können. Später versuchte die Industrie, mit immer wieder neuen Acts, diesen Erfolg zu wiederholen. Was blieb, waren allerdings fast ausschliesslich Wiederholungen dessen, was Bodo Staiger 1980 vorgelegt hatte. Dieses Album darf eigentlich in keiner Plattensammlung fehlen. Denn ohne sie, wäre die Neue Deutsche Welle nur ein Plätschern am Tegernsee gewesen. Heutige Grössen wie "Wir Sind Helden" und allen voran "Mia" und "Klee", klängen ohne Rheingold wohl vielleicht doch eher nach Peter Maffay und Reinhard Mey.
Die zweite Rheingold LP mit dem Titel "R" war gleichzeitig die Filmmusik zum Film "Der Fan", der als vermeintlicher Neue Deutsche Welle-Skandalfilm Desirée Nosbusch und Bodo Staiger in die Schlagzeilen brachte. Kurze Handlung: Die Nachwuchs-Moderatorin Nosbusch himmelt den Musikstar Staiger alias R an und verspeist ihn, als dieser die Liebe nicht erwidert. Dieser Medien-"Skandal" konnte die Verkaufszahlen antreiben und verhalf so dem Soundtrack "R." bis auf Platz 13 in den LP-Charts. "Fan Fan Fanatisch" und "Das steht Dir gut", die beiden Singles zum Film, steigerten den musikalischen Erfolg von Rheingold weiter. Die in England und den USA veröffentlichten englischsprachigen Versionen brachten hingegen nicht die Resultate, welche sich die Band erhofft hatte. Das stark elektronisch inspirierte Album "Dis-tanz" von 1984 fand ebenfalls nur geringen Anklang und so brachten Rheingold als Band keine neue Musik mehr heraus. In den 90er Jahren kehrten sie im Kontakt mit Kraftwerk wieder zu ihren Wurzeln zurück: Lothar Manteuffel spielte mit Karl Bartos im Duo Electric Music und Bodo Staiger wirkte beim Projekt Yamo des früheren Kraftwerk-Musikers Wolfgang Flür mit. Sie veröffentlichten bei WEA Music eine Remix-CD des alten Klassikers "Dreiklangsdimensionen", ein weiterer Remix von Lexy & K-Paul erschien schliesslich im Jahre 2001.
Bodo Staiger arbeitet seit vielen Jahren als Produzent und Toningenieur in Düsseldorf. Lothar Manteuffel hat seinen eigenen Musikverlag. 2005 wurden die ersten beiden Rheingold-Alben mit zahlreichen raren Bonustracks neu aufgelegt. 2007 schliesslich erschien das Konzeptalbum "Electric City / Düsseldorfer Schule" an denen die komplette Urbesetzung mit Bodo Staiger, Brigitte Staiger sowie Lothar Manteuffel beteiligt war. Das Albumgeriet zu einer bunten Mischung von Coverversionen bekannter Düsseldorfer Elektronik-Ikonen und Pop-Helden, die allesamt im typischen aber aktuellen futuristischen Rheingold-Sound eingespielt worden waren. Dazu gab es einen neuen Titel aus Staiger's Feder namens "Alte Schule". Auf dem Album mit Coverversionen fanden sich neue Versionen der bekanntesten Titel von La Düsseldorf, Kraftwerk, der Gruppe Fehlfarben sowie Michael Rother und Propaganda. Auch eine 2007er Version des Rheingold-Hits "Dreiklangsdimensionen" war darauf enthalten. Die erste LP von Rheingold ist heute zwar weitgehend vergessen, darf aber nachwievor als eine der wichtigsten Veröffentlichungen eines deutschen Musikers betrachtet werden, führte es doch die Neue Deutsche Welle zu einer grossen Popularität, die weit über die Landesgrenzen und den gesamten deutschsprachigen Raum hinaus reichte.
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