Dec 3, 2022


SAVOY BROWN - Hellbound Train (Decca Records TXS 107, 1972)

"Hellbound Train" war das achte Studioalbum von Kim Simmonds und seiner Band Savoy Brown. Es folgte dem bereits zuvor mit dem Vorgängerwerk "Street Corner Talking" eingeschlagenen Weg und baute auf Pop- und Rock-Elemente im ursprünglichen Bluesrock und war damit überraschenderweise sehr erfolgreich, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Anfang 1972 begab sich die Band erneut ins Tonstudio, nachdem die LP "Street Corner Talking" ebenso wie die daraus ausgekoppelte Single "Tell Mama" (mit der Rückseite "Let It Rock") unerwartet grosse Resonanz gefunden hatte und sich sowohl die Single wie auch die LP ausserordentlich gut verkaufen konnten. Mit der Single "Tell Mama" schafften Kim Simmonds und seine Mitmusiker einen veritablen Rang 83 in den amerikanischen Billboard Charts. Motiviert und mit vielen neuen Ideen und insbesondere hervorragendem Songmaterial spielten Savoy Brown insgesamt sieben neue Songs ein, von denen alle aus der eigenen Feder von Kim Simmonds, Andy Silvester und Paul Raymond stammten, nachdem die Gruppe noch für den Vorgänger immerhin zwei Fremdkompositionen aufgenommen hatte. Dies zeugte vor allem auch von einem grossen Selbstvertrauen in die eigenen Kompositions-Stärken und der nachfolgende Erfolg sollte der Band diesbezüglich auch recht geben.

"Hellbound Train" wurde zum grössten Erfolg der Gruppe in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa konnte die Band gute Verkaufszahlen abliefern. Der Pop-Appeal half der Band dabei auf jeden Fall, denn Songs wie "Doin' Fine" oder "Troubled By These Days And Times" waren inzwischen ziemlich weit vom traditionellen, britisch gefärbten Bluesrock früherer Tage entfernt. Das Album "Hellbound Train" wurde wieder wie sein Vorgänger von Neil Slaven produziert, aufgenommen in den Trident Studios in London und eingespielt von Roy Thomas Baker, der sich später mit seiner Studioarbeit für die Hardrock Band Queen profilieren konnte. Das Besondere an den neuen Songs war, dass sie perfekt auf die Stimme von Dave Walker ausgelegt waren. Dessen Gesangsstil umfasste nicht nur den verrauchten Blues, sondern auch den leicht theatralischen Mol-Blues und die Lässigkeit positiv wirkender Poprock-Nummern.

"Doin' Fine", von Kim Simmonds komponiert, dürfte hier das beste Beispiel dafür sein. Nicht ohne Grund wurde dieses Stück an den Anfang des Albums gestellt. Das Titelstück "Hellbound Train" indes war ein wahres Rockmonster. An sich eine relativ monotone Komposition, erfuhr das Stück in dessen Verlauf eine kontinuierliche Steigerung der Spannung, bis es in einem chaotischen Lärm einfach abgewürgt wurde. Es gibt einige Veröffentlichungsvarianten, bei denen dieses Stück ausgeblendet (faded out) wurde, im Original jedoch wurde es abrupt mitten im Spiel gekappt. Inhaltlich folgte das Stück "Hellbound Train" den Eindrücken, welche Kim Simmonds vom Vietnam-Krieg verstanden hatte und sollte eine Art akustische Gewaltspirale inszenieren, die sich immer schneller und unkontrollierter drehte und schliesslich als Detonation ohne jede Vorwarnung zur absoluten Stille führte. Etwas anderes ist ja der Tod auch nicht. Von daher war das abrupte Ende des Songs nachvollziehbar.

Betrachtet man die stilistische Bandbreite der anderen Songs auf dem Album, so kann man durchaus sagen, dass "Hellbound Train" eines der vielseitigsten Werke der Band war, und offensichtlich auch ein Album, das sträflich unterbewertet wurde, trotz des ansprechenden Erfolges. "Hellbound Train" präsentierte einige der stärksten und atmosphärischsten Songs der Gruppe überhaupt. Neben dem recht souligen und sehr lockeren Mol Blues-Titel "Lost And Lonely Child" waren das vor allem die sehr starken Nummern "Troubled By These Days And Times" mit seinem unterschwelligen Gospel-Flair, einem musikalischen Ausdruck, den die Band zuvor nie gezeigt hatte, sowie der kernige Rocker "If I Could See An End", der die Gruppe geerdet wie selten zuvor präsentierte. Einige der Titel auf dem Album waren sehr orgeldominant. Paul Raymond war als Co-Autor einiger Titel auch verantwortlich für die relativ starke Keyboard-Akzentuierung einiger Stücke. Insbesondere seine Komposition "Troubled By These Days And Times" trug diese markante Orgel-Handschrift, doch auch im Stück "It'll Make You Happy", von Kim Simmonds geschrieben, spielte er eine sehr dominante Hammond Orgel. Auch Kim Simmonds' Blues "Lost And Lonely Child" erhielt viel von seiner Atmosphärik durch Paul Raymond's Orgelsounds verpasst.

David Anstey's psychedelisches Plattencover-Design unterstrich die Kraft und Vielseitigkeit der Songs noch zusätzlich durch seine Comic Art und passte wie die Faust aufs Auge zum Titelstück. Auch im Inner Sleeve der ausklappbaren Original-LP war ein Comic von David Anstey zu sehen, quasi die Comic-Geschichte zum Song "Hellbound Train". Gargoyles, Ghouls und Dämonen umrankten einen Zug auf seiner Fahrt auf direktem Weg in die Hölle. David Anstey war nicht nur für Savoy Brown als Coverdesigner tätig, er lieferte unter anderem auch das Coverdesign zum Album "Swaddling Songs" der britischen Folkband Mellow Candle und viele weitere Plattenhüllen in jenen Tagen. Das Album "Hellbound Train" war insbesondere in Amerika ein grosser Erfolg, welcher der Band auch eine Gold-Auszeichnung bescherte. Die Platte enterte am 18. März 1972 die Billboard Charts, stieg bis auf Rang 34 und hielt sich während 21 Wochen in den Billboard Charts. Damit war "Hellbound Train" das erfolgreichste Album der Gruppe und sollte es auch bleiben, denn diesen Erfolg konnten Savoy Brown später nicht mehr wiederholen.

Das Titelstück wurde Jahre später von der Band Love & Rockets unter dem abgeänderten Titel "Bound For Hell" adaptiert. Der Sänger Dave Walker verabschiedete sich nach dem Erfolg des Albums und einer ausgedehnten US-Tour von der Band, um der Gruppe Fleetwood Mac beizutreten, wo er allerdings nicht reüssieren konnte und kurze Zeit später wieder geschasst wurde. Dass die Band Savoy Brown mit ihren Alben "Street Corner Talking" und "Hellbound Train" insbesondere in den Vereinigten Staaten so erfolgreich war, hatte sie ein gutes Stück weit auch Rod Stewart und dessen Band The Faces zu verdanken, welche Kim Simmonds und seine Band auf Konzerten mitnahm und ihre Popularität dadurch steigern konnte. Dass bei Kim Simmonds jedoch wie schon in der Vergangenheit des öfteren nichts von langer Dauer war, offenbarte sich auch nach dem Album "Hellbound Train" und dem Abgang von Dave Walker. Auf der Suche nach einem Ersatz für den hervorragenden Sänger, der sich später zeitweise ganz aus dem Musikgeschäft zurückzog, um in den späten 80er Jahren erneut für einige Jahre und einige ganz hervorragende Alben zu Savoy Brown zurückzukehren, ging Kim Simmonds zurück nach England und rekrutierte den Shouter Jackie Lynton, um ein Jahr später mit dem Werk "Jack The Toad" ein weiteres Bluesrock-Juwel einzuspielen.





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