OWEN TEMPLE - Mountain Home (El Paisano Records EPR 650182, 2011)
Seit mehr als einer Dekade gehört der Singer/Songwriter Owen Temple aus Austin Texas fest zum Inner Circle der dortigen Szene und darüberhinaus. Er veröffentlicht regelmässig eigene Platten und hat auch einige grössere Erfolge bei uns in Europa zu verzeichnen gehabt. So gelang ihm in 2009 mit "Dollars And Dimes" sogar ein Nummer 1-Erfolg in den Euro Americana Charts, mit seiner eher nachdenklichen bis düsteren Betrachtungsweise des augenblicklichen Zustands der amerikanischen Gesellschaft (und der des Südwestens insbesondere) trifft er den Nerv des nach Tiefgang und Authentizität in der Americana Music suchenden Publikums sowieso perfekt. "Mountain Home" ist sein sechstes Album. Owen Temple ist ein leibhaftiger Texaner durch und durch, er ist hier geboren und er hat bislang alle seine Platten bis auf eine Ausnahme in Austin mit lokalen Musikern aufgenommen. Nach den beiden Frühwerken "General Store" (1997) und "Passing Through" (1999) mit dem allgegenwärtigen Lloyd Maines (Dixie Chicks, Terry Allen, Ray Wylie Hubbard, Robert Earl Keen) als Produzent zog es ihn einmalig nach Nashville. Für Produzent Phil Madeira (Buddy & Julie Miller, Emmylou Harris, Greg Trooper) und Musiker vom Schlage Al Perkins und Fats Kaplin wurde vermutlich der Etat überzogen, aber das Ergebnis "Right Here And Now" (2002) reiht sich nahtlos in die Diskografie des sympathischen Country/Folk Troubadours ein, in der es nach einer längeren Pause 2007 und einer Wiederaufnahme der Lloyd Maines-Sessions weitergeht mit "Two Thousand Miles" und der erwähnten "Dollars And Dimes"-CD, die zu einer Art Durchbruch führte.
Der in Texas sehr geschätzte Gabriel (Gabe) Rhodes, Sohn von Singer/Songwriterin Kimmie Rhodes, hatte jenes Album bereits als Produzent und Hauptmusiker begleitet und führte diesen exzellenten Job auf "Mountain Home" fort. Er ist an diversen akustischen Gitarren zu hören, genauso wie mit Banjo, Dobro und am Klavier. Mit Freunden wie Charlie Sexton (Bass, Baritone Guitar), Rick Richards (Drums), Bukka Allen (Tasten, Akkordion), Tommy Spurlock (Pedal Steel) und Brian Standefer (Cello) stehen ihm die fundiertesten Studiomusiker zur Seite, die man im Grossraum Austin antreffen kann und deren Namen in jeder guten Americana-Sammlung zigfach im Kleingedruckten zu lesen sind. Zudem treten in Gastrollen noch die Songschreiberkollegen Gordy Quist (akustische Gitarre, Gesang) von der Band Of Heathens und Adam Carroll (Harmonica) auf, sowie Jamie Wilson von den Trishas mit schönen Harmony Vocals. Wer einen grundnatürlichen, dabei top-professionellen State-of-the-Art Americana Sound made in Texas sucht, der wird ihn hier finden.
Aber es sind natürlich die Songs, die bei solch einem Typen wie Owen Temple im Vordergrund stehen. "Mountain Home" ist voll von skurrilen Charakteren, seltsamen Geschichten und schrägen Lebensläufen fernab der Main Route. Bereits im ersten Stück, dem Titelsong, geht's um eine wahre Story, die sich in "Mountain Home" (ja, den Ort gibt es wirklich, im Hill Country-Niemandsland zwischen Fredericksburg und Kerrville, Temple hat dort lange gelebt) zugetragen hat. Farmer haben Anhalter und Hobos direkt von der Interstate 10 gekidnappt, um sie bei sich als Sklaven arbeiten zu lassen - der Wilde Westen in den 80er Jahren! 20 Jahre Knast haben sie dafür erhalten, aber im Song geht es auch um ihre Rückkehr in diese Gegend nach all den Geschehnissen. "Desdemona" war eine boomende Ölstadt für wenige Jahre, bis die Quelle schon Anfang der 20er Jahre wieder versiegte. "Medicine Man" ist eine Kollaboration von Temple mit seinen Freunden Adam Carroll und Gordy Quist. In einer doch arg anderen Version erschien diese Nummer übrigens parallel auf der Band Of Heathens-Platte "Top Hat Crown & The Clapmaster's Son".
"Fall In Love Every Night" ist ein Tribut an den Stevie Ray Vaughan- und Willie Nelson-Biographen Joe Nick Patoski und solche Texas-Heroen wie Ray Wylie Hubbard, Billy Joe Shaver, die Vaughans, die Sextons und vielen weiteren. In "Jacksboro Highway" berichtet Owen Temple von den Zuständen entlang des legendären State Highways 199 in den 40er und 50er Jahren. Illegale Nachtclubs, Spielhöllen und Schwarzbrenner-Hütten säumten die Strasse und das Gesetz schaute weg. "Old Sam" ist mal ein ganz anderer, fast privater Blick auf den historisch beladenen Sam Houston, Gouverneur von Texas und US Senator. Danach kommt eine sehr emotionale Würdigung des alten Leon Russell-Songs "Prince Of Peace", bevor mit "One Day Closer To Rain" - über die lange Dürre im Sommer 2009 - dieses wirklich in allen Belangen überzeugende Texas-Werk schliesst, das nicht nur ein oder zwei Mal an den grossen Townes Van Zandt erinnert.
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