Mar 15, 2016


KALA - Kala (Bradleys Records BRADL1002, 1973)

Kala ist ein Wort aus dem Sanskrit und bedeutet "Zeit". In vielen östlichen Kulturen gilt das Wort Zeit seit jeher als Inbegriff allen Schaffens, als Sinnbild für die Ewigkeit, die Natur, die Schöpfung und die Weisheit. Dieses Verständnis für östliche Mystik findet sich in musikalischer Form auch in der britischen Band Quintessence, einer stilistisch sehr vielfältig agierenden Gruppe, die in der Zeit von 1969 bis 1972 fünf entsprechend fernöstlich angehauchte Platten eingespielt hat, die sich daneben auch westlicher Einflüsse aus Jazz, Rock und der Psychedelik bediente. Nachdem die Gruppe Quintessence aus recht fragwürdigen Gründen ihre Aktivitäten aprupt einstellte, bildete sich eine Nachfolger-Band um den Sänger Phil 'Shiva' Jones und den Gitarristen Dave 'Maha Dev' Codling, mit dem Namen Kala. Vier Musiker der Gruppe Quintessence überwarfen sich 1972 mit dem amerikanischen Veranstalter ihrer Konzerte in den USA, weigerten sich, an einem Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall aufzutreten, nachdem ihre Forderung nach einer höheren Vorauszahlung der Gage verweigert worden war. Dies wiederum hatte zur Folge, dass der Besitzer von Island Records, Chris Blackwell, den Vertrag mit der Band auflöste, was zum Ende der Gruppe Quintessence führte.

Der musikalische Neubeginn der beiden übriggebliebenen Musiker Jones und Godling Anfang 1973 war indes nicht wirklich erfolgreich, was schade ist, denn auch mit Kala ging eine Band an den Start, die sich der fernöstlichen Elemente bediente, insgesamt jedoch eher weltlichere Musik präsentierte. Zu den immer noch vorhandenen mystischen Elementen, welche einige Stücke deutlich dominierten und sehr an die Musik von Quintessence erinnerte, gesellten sich bei Kala auch sehr bodenständige, leicht jazzig arrangierte Rock-Songs, die zwar bisweilen etwas gewöhnungsbedürftig klangen, weil sie nicht die Musik darstellten, die man sich von den beiden Musikern bis anhin gewohnt war, doch waren sie zumindest im Hier und Jetzt arrangiert, atmeten durchaus den damaligen Zeitgeist und man könnte auch schon fast von kommerziellen Momenten sprechen, denn typisch progressive Momente sind auf dem einzigen Album der Band nur äusserst spärlich zu finden, was die Platte in meinen Augen aber leichter und zugänglicher macht.

Klares Highlight der Platte ist allerdings dann doch der Titel "Meditations", der noch stark an den Sound von Quintessence angelehnt ist. Was hier begeistert, sind einmal die Geige, die eine folkigen Note in das Stück bringt und ausserdem der Gesang von Gastsängerin Carol Grimes, jener Musikerin, die später für Virgin Records eine Handvoll exquisiter Blues- und Folkrock-Alben einspielte (besonders schön: ihr 1975er Album "Warm Blood"), und die mit ihrer eigenen Band Delivery recht bekannt war im Umfeld der Canterbury-Szene. Auch der Titel "Honey Of Love" bot von der musikalischen Atmosphärik her den Sound der Gruppe Quintessence.

Auf der anderen Seite finden sich auf dem Album allerdings auch durchaus neue Sounds, die weitab vom fernöstlichen Stil angesiedelt sind: der von der britischen Folkrock-Band Daddy Longlegs stammende Musiker Peter Arnesen etwa, der mit seinem Klavierspiel durchaus zu gefallen weiss, sehr viel Bodenhaftung in die Stücke bringt und insgesamt der Musik einen eher rockigen Touch verleiht. Insbesondere in Stücken wie "Pearl" oder "Still Got Time" klingt das dann schon fast wie ein Mix aus den Faces und beispielsweise Lindisfarne oder Decameron. Mit Les Nicol gehörte der Band Kala denn auch ein Gitarrist an, der im Rock zuhause war. Er spielte zuvor bei Ray Owen's Moon (der Band des kurzzeitigen Juicy Lucy-Sängers) und Methuselah (Vorbote der späteren Band Amazing Blondel), bevor er 1974 als Gitarrist mit Pavlov's Dog auch kommerziell erfolgreich musizierte. Auch der Gast-Keyboarder David Skinner sorgte für interessante Momente in der Musik von Kala, indem der spätere Mitmusiker in Phil Manzanera's Band 801 etwa dem Opener "Travelling Home" angenehm jazzige Tupfer verlieh.

Der manchmal leidlich in Richtung Bigband tendierende Kala Sound, die eher weltlich ausgelegte rockige Ausrichtung und die nur wenig ausgeprägten fernöstlichen Elemente sorgten beim Publikum für Irritation, wahrscheinlich deshalb, weil man sich mehr Nähe zum Vorgänger ausgemacht hatte. So war der Platte leider kaum nennenswerte Beachtung beschieden, weshalb nach einigen wenigen Konzerten bereits Schluss war für die Band. Während Sänger Phil 'Shiva' Jones und Gitarrist Dave 'Maha Dev' Codling mit Kala experimentierten, spielten die verbliebenen Quintessence-Musiker noch unregelmässig zusammen bis weit in die 80er Jahre, bevor Jones die Band Quintessence für einen Auftritt am Glastonbury Festival in England reaktivierte.

Obwohl das Album Kala am Ende vielleicht ein bisschen wie ein musikalischer Gemischtwarenladen klingt, sind kompositorisch und arrangementmässig doch etliche Glanzstücke zu hören, denen man die hohe musikalische Kompetenz der Beteiligten anmerkt. Ein längst vergessenes Stück Musik, das man dank einer umfassenden CD-Wiederveröffentlichung ("After Quintessence: The Complete Kala Recordings" Hux Records HUX115, 2010) noch einmal neu entdecken kann.

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