Mar 5, 2016


DOG SOLDIER - Dog Soldier (United Artists Records UAS 29769, 1975)

Dog Soldier war ein leider nur sehr kurzlebiges Bandprojekt des Schlagzeugers Keef (Keith) Hartley, der schon seit Anfang der 60er Jahre von seiner britischen Heimat Lancashire aus bereits als Jugendlicher in diversen Bands trommelte, bevor er mit den Thunderbeats einen Auftritt als Support Act für die Beatles bestreiten konnte. Da die Beatles zu der Zeit gerade einen neuen Schlagzeuger in der Person von Ringo Starr bekommen hatten, wurde der Posten in Ringo's ehemaliger Band Rory Storm & The Hurricanes frei. Keef Hartley nutzte diese Gelegenheit und stieg bei der Band ein, vor allem, weil ihn die 10 Pfund Wochengage reizten. Mit den Hurricanes zog Keef Hartley in der Folge auch bis nach Hamburg in den legendären Star Club. Das war Ende 1963. Dort schloss er sich einer weiteren kurzlebigen Band mit Namen Freddie Starr & The Starr Boys an, die aber bereits Mitte 1964 auseinander fiel. Hartley ging zurück nach London und meldete sich auf eine Anzeige in der Musikzeitschrift Melody Maker: "Drummer wanted for Rhythm'n'Blues Band". Ein gewisser Art Wood suchte für seine Band einen Schlagzeuger. Hartley bekam den Posten und wurde Mitglied der Band The Artwoods. Art Wood war übrigens der Bruder von Ronnie Wood (Faces, später Rolling Stones) und der Band gehörte auch der spätere Deep Purple-Keyboarder Jon Lord an. Mit den Artwoods spielte Hartley bis Mitte 1967, als er - wiederum als Bewerbung auf eine Anzeige - Schlagzeuger bei John Mayall wurde. Zu der Zeit wehte ein regelrechter personeller Tornado durch John Mayall's Band und so spielte Keef Hartley in der kurzen Zeit zwischen Mitte 1967 und Mitte 1968 unter anderem mit späteren Top-Musikern wie Mick Taylor, Andy Fraser, John McVie und Dick Heckstall-Smith zusammen, die alle später mit Bands wie den Rolling Stones, Free, Fleetwood Mac und Colosseum Karriere machten. So gesehen war John Maeef Hartley erhoffte.

Einen ersten Anlauf dazu unternahm Hartley noch im Jahr 1968, als er mit dem Bassisten Gary Thain, der später Mitglied von Uriah Heep wurde, sowie den zukünftigen FREE Musikern Paul Rodgers und Paul Kossoff einige Songs im Tonstudio einspielte und diese dem Besitzer des renommierten Blueslabels Chess Records vorlegte. Leider ergab sich daraus keine Möglichkeit einer Veröffentlichung, weshalb Hartley das Bandprojekt wieder fallen liess. 1969 unternahm er einen weiteren Versuch, eine eigene Band zu gründen, und diesmal waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt. Für seine Keef Hartley Band fand er in dem Bassisten Gary Thain, dem Gitarristen Spit James, dem Keyboarder Peter Dines und dem Sänger Owen Finnegan seine ersten musikalischen Bandpartner, mit denen er für das Deram-Label schon bald die erste LP "Halfbreed" einspielen sollte. Die Plattenfirma war allerdings der Meinung, dass der Gesang von Owen Finnegan nicht professionell genug sei, weshalb die Band nach einem anderen Sänger Ausschau hielt. Nachdem mit Sam Holland ein weiterer Sänger nicht zufriedenstellend agierte, trat als endgültiger Gesangskandidat Miller Anderson in die Band ein. Mit ihm wurde die LP dann aufgenommen und veröffentlicht.

Keef Hartley spielte zusammen mit dem Sänger Miller Anderson in nur etwas mehr als zwei Jahren beeindruckende 5 Langspielplatten ein, von denen keine qualitativ auch nur annähernd das Mittelmass streifte. Alle waren sie sehr professionell aufgenommen, musikalisch äusserst vielseitig, mal mehr bluesorientiert, dann wieder mit erhöhtem Jazz-Anteil, auch soulig und bisweilen recht funky, aber insgesamt auch immer nahe am progressiven Rock jener Zeit angelehnt. Nachdem ein insgesamt 13-köpfiges Ensemble das sehr jazzorientierte Album "Little Big Band" veröffentlichte und auch live erfolgreich aufführte, verliess Miller Anderson die Band, um eine Solokarriere einzuschlagen, die jedoch nach nur einem Album (ebenfalls für Deram Records) schon wieder beendet war. Miller Anderson stieg später bei Savoy Brown ein und sang und spielte Gitarre auf deren Album "Boogie Brothers". Seine weiteren musikalischen Stationen umfassten auch Prominenz wie beispielsweise T. Rex, Blood, Sweat & Tears, Mountain und die Spencer Davis Group, mit denen er vor allem live unterwegs war. Keef Hartley selber löste seine Band nach einem eigentlichen Soloalbum, das er 1973 veröffentlichte und das den Titel "Lancashire Hustler" trug, auf und arbeitete unter anderem für die Bluessängerin Dana Gillespie, den Singer/Songwriter Michael Chapman und die Gruppe Vinegar Joe um Robert Palmer und Elkie Brooks, bevor er Mitte 1974 wieder eine eigene Band am Start hatte: Dog Soldier.

Zusammen mit seinem früheren Bandkumpel Miller Anderson, sowie dem ehemaligen Artwoods-Gitarristen Derek Griffiths und zwei weitern Musikern - Paul Bliss am Bass und Mel Simpson an den Keyboards - startete die Band mit viel Hoffnung. Einen bemerkenswerten und überaus erfolgreicher Auftritt zusammen mit Jess Roden in der Reihe "BBC Radio 1 In Concert" nährte die Hoffnung, bald auch eine Plattenfirma zu finden, für die man ein Album einspielen könnte. Dies schien zunächst von Erfolg gekrönt zu sein, als nämlich United Artists grünes Licht für Aufnahmen gab. Doch noch während die neue Gruppe um Keef Hartley damit beschäftigt war, im legendären Island Aufnahmestudio in der Basing Street in London vom 18. November bis 15. Dezember 1974 neue Titel zu arrangieren und aufzunehmen, wurde seitens der Plattenfirma, der es nicht rosig ging und die ernsthaft ums Ueberleben kämpfte, regelrecht Druck auf die Musiker ausgeübt, ihre Aufnahmen müssten sehr kommerziell sein und das zu veröffentlichende Album müsste auf jeden Fall einen Hit abwerfen - das vorgeschossene Budget für die Aufnahmen müsste unter allen Umständen auch wieder eingespielt werden, ansonsten man die Band fallen liesse. Es geht daher das Gerücht, dass die Band unter diesem Druck von ihrem eigentlichen Sound ziemlich abwich und unter enormem Druck versuchte, einen einigermassen radiofreundlichen Rock einzuspielen, der hoffentlich den Massengeschmack treffen würde.

Der Schuss ging erwartungsgemäss nach hinten los. Während das Album trotz aller widrigen Umstände in der Entstehung ein perfekt klingendes, wohlarrangiertes und ausgeklügeltes Stück Rockmusik geworden war, liess es sich kaum verkaufen. Die Musiker wollten es allen recht machen und genau das war der entscheidende Punkt: Es klang beliebig, nicht mehr eigenständig genug und obwohl kompositorisch wie instrumental alle Stücke des Albums zu gefallen wussten, hörten Experten in fast jedem Song ein vermeintliches "Original". So wurde das Stück "Several People" etwa mit dem typischen Groove der Doobie Brothers verglichen, "Long And Lonely Night als eine Anbiederung an den klassischen Westcoast Sound verstanden, "You Are My Spark" die gewollt-ungewollte Nähe zum Sound der Gruppe Moby Grape angedichtet, das 11 Minuten lange "Looks Like Rain" als kläglicher Versuch, mit Pink Floyd-Elementen zu experimentieren  - alle natürlich mit einem jeweils negativen Beigeschmack, was den tollen Stücken jedoch überhaupt nicht gerecht wird.

Nichtsdestotrotz ist Dog Soldier ein hervorragendes und abwechslungsreiches Album geworden, das einer völlig verfehlten Politik eines vor dem finanziellen Abgrund stehenden Plattenlabels zum Opfer fiel. Auch die weitere Existenz der Band stand unter keinem günstigen Stern. Nachdem die Platte veröffentlicht wurde, sollte sie durch Konzerte auch promoted werden. Aufgrund einer Erkrankung des Sängers Miller Anderson mussten jedoch etliche Auftritte abgesagt werden. Die Gruppe spielte während Miller Anderson's Abwesenheit wiederum ausschliesslich ältere Keef Hartley Stücke ein und wollte diese auch live präsentieren. Darüber zerstritten sich alle Beteiligten jedoch und nachdem Miller Anderson sich in Richtung Savoy Brown verabschiedete, fiel die Gruppe auseinander, nachdem sie alles in allem nicht einmal ein Jahr existiert hatte.

Zurück bleibt ein extrem gut gespieltes, sehr vielseitiges und trotzdem leider fast gänzlich übersehenes Rock Album, das rückwirkend betrachtet wohl eines der Interessantesten des Jahres 1975 gewesen ist.

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