BLUR - The Great Escape (Food Records 7423 8 35235 28, 1995)
Blur zählten zu den wichtigsten Vertretern des 90er Jahre Brit-Pop. Dabei vollzog die Band während der 90er Jahre mehrere musikstilistische Wandel. Stand ihr Debütalbum noch unter dem Einfluss der Shoegaze- und Madchester-Bewegung, so begab sie sich nach drei weiteren vom britischen Pop geprägten Alben zum Indie-Rock und drang mit ihren drei letzten Alben vor der Bandpause in den Grenzbereich zwischen Rock, elektronischer und experimenteller Musik vor. Ursprünglich hiess die Band Seymour, der Name wurde aber 1990 auf Wunsch ihres neuen Labels Food Records in Blur geändert. Ihre grössten Erfolge waren die Singles "There’s No Other Way" (1991), "Girls And Boys" (1994), "Country House" (1995), "Beetlebum Song 2" (1997) und "Coffee & TV" (1999) sowie die Alben "Parklife", "Blur" und "13".
Während das 1991 veröffentlichte Debütalbum noch stark am damals modischen Manchester Rave orientiert war, markierte bereits das zweite Album "Modern Life Is Rubbish", das 1993 erschien, eine musikalische Neuausrichtung, die mit dem dritten Album "Parklife" im Jahr darauf erfolgreich fortgesetzt wurde. Ihr expliziter Bezug auf die britische Popmusiktradition der Kinks und der Beatles einerseits und ihre klar formulierte Ablehnung der in den frühen 90er Jahren vorherrschenden US-amerikanischen Rockmusik wie etwa dem Grunge sorgten dafür, dass die Gruppe Blur schliesslich von der Musikpresse zum Schöpfer des modernen Brit-Pop ausgerufen wurde. Den Höhepunkt erreichte der Medienhype im Zusammenhang mit dem Erscheinen des vierten Albums "The Great Escape" im Jahre 1995, als die bürgerlichen Musiker von Blur von britischen Zeitungen zu Antagonisten der Arbeiterklasse-Band Oasis stilisiert wurden.
Nach dem eher fröhlichen und verspielten "Parklife" wirkte dieses Album inhaltlich schon fast ein wenig melancholisch. Fast alle Lieder handelten von Einsamkeit und Trennungen. Das Album wurde auch als die Kehrseite von "Parklife" beschrieben, statt von der Arbeiterklasse handelte es mehr von Figuren aus den Vororten und den Problemen des modernen Lebens. Musikalisch setzte die Band ihre Suche durch alle möglichen Varianten der Popmusik (vor allem der 60er Jahre) fort. Stücke wie "The Universal" führten den Gedanken eines 'To the End' fort und zeugen vom Mut zu grossen Arrangements, Chören und orchestralen und Big Band-artigen Instrumentalisierungen. Die erste Single "Country House" dagegen war ein weiteres Beispiel für den Brit-Pop Sound. Dadurch, dass "The Great Escape" zeitgleich mit dem zweiten Album "(What’s the Story) Morning Glory ?" von Oasis veröffentlicht wurde, stachelte die Presse eine 'Battle of Brit Pop' zwischen beiden Bands an. Während Blur mit der Single "Country House" vorerst das Rennen knapp für sich entscheiden konnten, verkaufte sich das Album "The Great Escape" am Ende nicht so zahlreich wie das Album der Konkurrenz. Ein Nebeneffekt dieser 'Battle' war, dass die vorherigen beiden Alben nun auch ein Interesse ausserhalb Englands weckten. Eine Single wie "Charmless Man" war auch wieder massenkompatibler angelegt und erhielt positivere Fanreaktionen.
Als beste Newcomer-Band kam 1995 übrigens eine Band namens Oasis zum Zuge, die im Folgejahr immerhin drei Awards für ihr zweites Album "(What's The Story) Morning Glory" einheimste. Im Mittelpunkt stand die Frage, welcher der beiden grossen Hoffnungsträger britischer Popmusik wohl die legitime Beatles-Nachfolge antreten würde. Beide Bands verkörperten im Sinne des neu entwickelten Nationalbewusstseins von nun an die Brit-Pop Bewegung, obwohl der Sound doch eigentlich ziemlich wenig Gemeinsamkeiten aufwies. Tatsache war aber auch, dass beide Bands vom Medienrummel profitierten, sodass man auch Blur's ersten beiden Alben über die britischen Grenzen hinaus Beachtung schenkte. Das Geheimnis ihres Erfolges waren letztlich ihre eingängigen Melodien, die durchaus beatlesken Chöre, ausserdem Plastik-Keyboards neben Alphörnern und die erklärten Einflüsse von Heroen des Königreichs wie David Bowie, Madness und The Kinks. Obwohl sich "The Great Escape" letztlich nicht so gut verkaufte wie der Oasis-Zweitling, erweiterten Blur darauf ihre Vorstellung von Pop um ausgefeiltere Kompositionen und noch absurdere Arrangements.
Mit ihrem fünften und sechsten Studioalbum schlug die Gruppe ab 1997 einen völlig neuen Weg ein. Man verzichtete auf die Bläserarrangements, forcierte die rockigen Elemente und wechselte schliesslich auch den Produzenten. Statt des langjährigen Weggefährten Stephen Street sass nun der ursprünglich aus dem Bereich der elektronischen Musik stammende William Orbit am Mischpult, der schon auf Blur's Doppel-EP "Bustin’ & Dronin’" einen Remix von "Movin' On" beigesteuert hatte. Mit dem auch in den USA erfolgreichen Song "2" schafften die Musiker nun den internationalen Durchbruch, nachdem sich ihr Erfolg zuvor hauptsächlich auf Grossbritannien und einige europäische Länder beschränkt hatte. Das 1999 erschienene Album "13" war zwar kommerziell etwas weniger erfolgreich, wurde aber von der Kritik sehr positiv aufgenommen und enthielt mit dem Song "Coffee & TV" zumindest einen kleineren Hit.
Noch während der Aufnahmen zu "Think Tank" verliess dann allerdings Leadgitarrist Graham Coxon im Jahr 2002 die Gruppe aufgrund künstlerischer Differenzen. Seine Mitwirkung an dem Album beschränkte sich daher auf das letzte Stück "Battery In Your Leg". Bereits recht früh machte Damon Albarn deutlich, dass er sich eine Rückkehr von Coxon zur Band wünschte und die Arbeit mit Blur bis zu diesem Zeitpunkt ruhen lassen würde. Im Januar 2007 liess Bassist Alex James dann verlauten, dass die Chancen für eine Reunion relativ gut stünden, auch wenn bis zu diesem Zeitpunkt noch keine verbindlichen Zusagen vorhanden waren. Ende 2008 kündigte die Band dann zwei Reunion-Konzerte in der Besetzung mit Graham Coxon im Londoner Hyde Park an. Die Auftritte fanden am 2. und 3. Juli 2009 statt. Bereits am 28. Juni 2009 waren Blur in Originalbesetzung beim Glastonbury Festival aufgetreten.
2010 erschien in den Kinos die Dokumentation 'No Distance Left to Run'. Im April desselben Jahres kam eine neue Vinyl-Single, betitelt "Fool’s Day" heraus, die wenige Tage später kostenlos von der Homepage der Band heruntergeladen werden konnte. Danach hiess es von Seiten Damon Albarns, er wolle mittelfristig definitiv an weiteren Aufnahmen mit Blur arbeiten. Tatsächlich fand danach eine Aufnahmesession mit dem englischen Poeten Michael Horovitz statt, die aber unveröffentlicht blieb. 2012 liess Produzent William Orbit auf Twitter durchblicken, mit der Band an neuem Material zu arbeiten, wenig später überraschten Albarn und Coxon bei einem Benefizkonzert mit der Akustikversion des neuen Blur-Stücks "Under The Westway", und Ende Februar 2012 traten Blur bei den Brit Awards auf. Mit den mit Orbit aufgenommenen Stücken war die Band allerdings unzufrieden. Im Februar 2014 gab Albarn daher bekannt, dass es neues Material für Blur gebe, dass allerdings aufgrund der vielen Nebenprojekte der Bandmitglieder noch unbestimmte Zeit verstreichen werde, bis man es vollenden und veröffentlichen könne, so dass vorerst nicht mit einem neuen Album zu rechnen sei.
Am 19. Februar 2015 kündigte die Band überraschend das neue Album "The Magic Whip" für den 24. April 2015 an und veröffentlichte vorab mehrere Singles. Die Aufnahmesessions hatten 2014 in den Avon Studios in Hongkong stattgefunden, als die Band während einer Asientournee pausierte, als Produzent fungierte Stephen Street. Einige Konzerte, wie etwa im Hyde Park, folgten. Das von der Kritik überwiegend gelobte Album erreichte in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Top 5; in Grossbritannien gelangte es bis an die Spitze der Verkaufscharts.
Sänger Damon Albarn war inzwischen auch der Kopf der Gorillaz, die einige weltweit erfolgreiche Studio-LPs herausbrachten. Ein weiteres Projekt war die transafrikanische Kooperation Mali Music, die 2002 zu einer Plattenproduktion führte und Albarn auch in der Folgezeit beschäftigte. Im Januar 2007 veröffentlichte er zusammen mit dem Drummer Tony Allen, Paul Simonon (ehemals Bassist bei The Clash) und dem ehemaligen The Verve-Gitarristen Simon Tong ein gemeinsames Album unter den Namen "The Good, the Bad & The Queen". Am 28. Juni 2007 wurde beim Manchester International Festival seine erste Oper "Monkey: Journey To The West" uraufgeführt. Damon Albarns zweite Oper "Dr Dee - An English Opera" wurde von Regisseur Rufus Norris inszeniert und hatte, ebenfalls im Rahmen des Manchester International Festival, am 1. Juli 2011 Premiere im Palace Theatre.
Graham Coxon veröffentlichte seit 1998 acht Soloalben auf seinem Independent Label Transcopic Records (seit 2002 vertrieben über Parlophone/EMI). Des Weiteren war Coxon seit 2009 unregelmässiger Bestandteil der Solo-Auftritte von Pete Doherty und begleitete diesen an der Gitarre. Alex James war an den kurzlebigen Gruppen Me Me Me und Fat Les beteiligt. Me Me Me, die aus James, dem The Lilac Time-Sänger Stephen Duffy, Justin Welch (Elastica) und Charlie Bloor bestand, veröffentlichte im Jahre 1996 eine UK Top 20-Single ("Hanging Around"). Fat Les wiederum war ein Projekt, an dem James, der kontroverse Künstler Damien Hirst, ein alter Kommilitone der Blur-Bandmitglieder, und der Schauspieler Keith Allen mitwirkten. Ihre Single "Vindaloo" erreichte 1998 Platz 2 der britischen Charts. James' nächstes Projekt nannte sich WigWam. Dave Rowntree wiederum war seit 2006 Mitglied bei The Ailerons und nennt die Computergrafik-Firma Nanomation sein Eigen. Seit einigen Jahren engagiert er sich in der Londoner Lokalpolitik für die Labour Party. Bei der Kommunalwahl im Mai 2007 kandidierte er in seinem Heimatbezirk Westminster für Labour und belegte in dem traditionell konservativen Wahlkreis Marylebone High Street den dritten Platz hinter den Kandidaten der konservativen Tories und der Liberaldemokraten.
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