Jul 9, 2020



BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB - Howl (Echo Records ECHLP 67, 2005)

Als die auf den Namen Black Rebel Motorcycle Club hörenden drei schwarz gekleideten Desperados aus San Francisco drei Jahre zuvor mit ihrem Debutalbum auf der Bildfläche erschienen, war die Euphorie gross. Ueberall wurden B.R.M.C. neben den Raveonettes als würdige Nachfoger der Reid Brüder alias The Jesus & Mary Chain gefeiert. Bärenstarke Fuzz-Gitarren und Darkwave-Rock n' Roll waren wieder en vogue. Ein schnell aus der Hüfte herausgeschossenes Nachfolgealbum ("Take Them On, On Your Own") folgte ein knappes Jahr danach. Danach war erst einmal Sendepause. Die Gruppe machte laut eigenen Aussagen eine harte Zeit durch, hatte mit zwischenmenschlichen Problemen zu kämpfen und es sah in der Tat so aus, als würde kein weiteres Album mehr nachkommen.

Doch mit ihrem dritten Album "Howl" überraschten sie in mehrfacher Hinsicht: Die Band meldete sich nicht nur furios zurück, sie gestaltete auch ihre Musik nach völlig neuen musikalischen Gesichtspunkten. Der Blues kam in die Musik von B.R.M.C., ausserdem ein gesunder Schuss Folk Music. Trotzdem war auch hier ein solides Rockalbum am Start, das jedoch aufgrund der Songs und den wesentlich differenzierteren, ja sehr viel reifer wirkenden Arrangements trotzdem eine dicke Ueberraschung darstellte. Die Zeiten von kompromisslos vorwärts preschenden Rockern im Stil etwa von "Love Burns", "Whatever Happened To My Rock'n'Roll" (ihrem erfolgreichen Single-Start einige Jahre zuvor), "Stop" oder "We're All In Love" schienen erst einmal Vergangenheit zu sein. Selbstbewusst zeigte die Band ihre Country- und Bluesseite, hatte sich vorher aber nie getraut, solche Songs auf auf ihre bisherigen Alben zu packen. Nun hielten die Mundharmonica und die akustischen Westerngitarren Einzug. Die Phaser-, Delay- und Fuzz-Effekte wurden eingemottet. Laut Aussage der Bandmusiker legte man nun mehr Wert auf die Texte, wechselte das Plattenlabel und konnte nun "die Musik machen die man liebt".

Das Schwergewicht legte die Band indes nicht mehr auf prägnante Hooklines und möglichst rasch mitsingbaren Refrains, sondern auf elegante und wohlkomponierte, auch anspruchsvollere Songs als zuvor. Dabei entpuppten sich gerade die mit vorwiegend akustischen Instrumenten und spärlich arrangierten Titel wie etwa der Opener "Shuffle Your Feet" als wahre Perlen, die man in der Art und Weise, wie sie vorgetragen wurden, eher schon einem Tom Petty zugeschrieben hätte, jedoch kaum einer Independent Rockband, die noch knapp zwei Jahre zuvor musikalisch durchwegs Vollgas gegeben hatte. "Howl" bedeutete auch die Suche nach den eigenen Roots, oder besser gesagt: Der Mut, sich mit seinen eigenen Roots auseinanderzusetzen und nicht von ihnen aus den eigenen Sound zu suchen. Viele Bands und Musiker tragen sich im Laufe ihrer Karriere mit diesem Gedanken. Man will den Fans zeigen, woher man kommt, womit man als Künstler inspiriert worden war und welche Einflüsse zum eigenen Musikschaffen geführt haben.

Das einzig Fragwürdige bei diesem musikalisch absolut prächtig gelungenen Roots-Album ist wohl, warum sich die Band schon nach einer durchaus relativ kurzen Zeit ihres Bestehens so offen zu ihren Roots bekannt hat. Normalerweise warten Musiker erst jahrelang, bis sie sich selbst verwirklicht haben, um dann den Fans zu zeigen, woher sie ursprünglich ihre Ideen und Inspirationen geholt hatten. Es gab natürlich auch etliche Fans der Gruppe, die ihnen dieses Album übel nahmen, weil sie nicht damit gerechnet hatten. Die künstlerische Freiheit indes bescherte der Musikwelt schon so einige überraschende Alben, denen man zum Zeitpunkt ihres Erscheinens eher ablehnend gegenüber stand, die sich aber Jahre später als die eigentlichen Meisterwerke entpuppten. Als vergleichendes Beispiel dafür mag vielleicht das Song-Album "Paris 1919" herhalten, das einen damals als Avantgarde-Künstler gerade etablierten John Cale von einer unerwartet pop-orientierten Seite zeigte, und dessen Album erst Jahre später zu einem der schönsten Werke seines künstlerischen Schaffens erkoren wurde.

Höhepunkte auf diesem Album sind das herrlich wimmernde "Weight Of The World", das wohl nicht Wenige eher in die Nähe der trocken-spröden Romantik eines Nick Cave bringen würden, ausserdem das verträumt-mystische "Promise" mit einem wunderbaren Klavier, gespielt von Michael Been (The Call, Peter Gabriel), und ganz sicherlich auch der erhabene "Gospel Song", der zugegebenermassen hervorragend gespielt ist, aber wohl doch am deutlichsten die Rock-Fans verschreckt haben dürfte. "Howl" ist ein grossartiges Album, das dem Hörer enorm viel Freude bereitet. Das Einzige, was er dafür tun muss ist, die bisher eher düster grollenden Rocksongs der Band für einen kurzen Moment aus seinem Kopf ausblenden. Eine zugegebenrmassen nicht ganz leichte Aufgabe, denn vergleichend würde man vielleicht mutmassen: Könnten Status Quo zum Beispiel ein Country-Album einspielen und man würde die Fans bitten, sich einfach ihren Boogie mal einen Moment lang im Kopf auszuschalten ? Doch, ich denke, das würde funktionieren. Zumindest für mich funktioniert es bei B.R.M.C. auch. Und zwar völlig problemlos, und das seit nunmehr auch schon zehn Jahren.




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