WILSON DIESEL - Short Cool Ones (Aurora Records TVL93459, 1996)
Zugegeben: Auf den ersten Blick lockt ein Bluesalbum, zumal erst noch ausschliesslich gefüllt mit Coversongs kaum mehr Jemanden hinter'm Ofen hervor. Und trotzdem gibt es sie noch: Diese Sternstunden guter Musik, die sich hinter unscheinbaren Namen und sogar hundert-, wenn nicht tausendfach gecoverten Evergreens verbergen. Eine dieser Sternstunden stammt aus Australien, wurde 1996 veröffentlicht und entstand aus der Zusammenarbeit zweier in Australien seit langer Zeit erfolgreichen musikalischen Institutionen, nämlich aus der gemeinsamen Leidenschaft für den Blues heraus entstandenen Kollaboration zwischen dem Sänger und Mundharmonika-Spieler Chris Wilson und dem Sänger und Gitarristen Diesel.
Während Chris Wilson auch hierzulande vielleicht noch dem einen oder anderen Musikhörer als Vokalist der Rockband Crown Of Thorns ein Begriff ist, dürfte Diesel nie grossartig ausserhalb Australiens wahrgenommen worden sein. In seinem Heimatland ist er allerdings seit vielen Jahren ein Garant für tolle Rockmusik, sei es als Diesel, als Johnny Diesel, aber auch unter seinem bürgerlichen Namen Mark Denis Lizotte. Unter der Bandflagge Johnny Diesel & The Injectors war er am populärsten, schaffte in Australien gar zwei Nummer Eins Hits und konnte auch mit seiner Band Diesel grosse Erfolge feiern. Ausserdem war Lizotte auch lange Zeit in der Band des Cold Chisel Sängers Jimmy Barnes unterwegs. Chris Wilson wiederum stellte seine gesanglichen Fähigkeiten - neben zahlreichen Soloprojekten - auch Musikern und Bands wie etwa Girl Overboard oder dem in Australien ebenfalls sehr erfolgreichen Folkrock-Musiker Paul Kelly zur Verfügung.
Auf dem Album "Short Cool Ones" trafen sich die beiden Musiker, um ihrer gemeinsamen Leidenschaft für den Blues zu frönen, scharten mit der als The Leatherbacks passend betitelten Backing Band hochkarätige Begleitmusiker um sich und spielten 16 traditionelle Blues- und Soul-Titel ein, die allesamt sehr tight, rudimentär und extrem groovy klangen. Besonders der Keyboarder Rob Woolf, der von der Band Silverchair bekannt ist, setzte tolle Akzente mit der guten alten Hammond Orgel, die er öfters mal im Stakkato-Stil einsetzte, und die meisten Songs nicht flächig grundierte. Bassist Dean Addison, der bei My Friend The Chocolate Cake spielt und der Schlagzeuger Angus Diggs von The Groovesmiths bildeten das solide und rumpelnd-pumpende Fundament, das für eine extrem trockene Bodenhaftung sorgte, und die Songs damit herrlich hausbacken erdeten.
Stilistisch zeigten sich die zwei Musiker bei der Auswahl der Songs sehr vielseitig. Sie berücksichtigten traditionellen Chicao Blues ebenso wie Country-Blues, Soul- und Rhythm'n'Blues-Klassiker, die jedoch alle eine sehr eigenständige Note verpasst bekamen und sich qualitativ doch spürbar von vielen anderen Versionen der Songs abheben konnten. Herrlich in Szene gesetzt ist zum Beispiel gleich der Opener, der Soul-Rock Klassiker "I Can't Stand The Rain" von Anne Peebles, der hier in bester Al Green Manier und instrumental recht nahe an der ruppigen Variante von Humble Pie angelehnt ist. Die beiden Musiker singen hier hervorragend Duett, der eine mit einer glasklaren und sehr souligen Stimme (Wilson), der andere (Diesel) mit einer angenehm halbversoffenen Reibeisen-Stimme, ähnlich jener von Rod Stewart. Die beiden Stimmen ergänzen sich grossartig, was auch zu der grossen Abwechslung führt, welche die beiden in der Folge durch ihr gesamtes Album-Repertoire sehr unterhaltsam unter Beweis stellen können.
Der einzige, von Diesel selbst geschriebene Track "Other Man" zeigt indes, dass auch eigene Kompositionen durchaus wie alte Klassiker klingen können. Der in diesem Song präsentierte Soul-Rock treibt ganz schön locker vorwärts und könnte gut auch von Sam & Dave aus den 60er Jahren stammen - gespielt im Rock-Stil der 90er Jahre. Toll gemacht! Der Willie Dixon-Klassiker "Spoonful" klingt archaisch, zeigt eine ungemein verzerrte Mundharmonika, wie man sie etwa von Magic Dick (J. Geils Band) her kennt, der Rhythmus ist erdig, hart wie Beton und erinnert damit an ältere Muddy Waters-Songs. Ausser "Spoonful" haben Wilson und Diesel auch die Willie Dixon Titel "Evil", "Little Red Rooster" und "My Babe" gecovert. Besonders ihre Version von "Little Red Rooster" rollt sehr lässig und erinnert frappant an die Coverversion der Rolling Stones von Mitte der 60er Jahre. Hier kommt die Coolness eines Sam Cooke mit der warmen Orgel eines Billy Preston zusammen.
Ob "Running Shoes" von Junior Bonner, "Too Wet To Plough" von Johnny Shines oder Elmore James' "Sun Is Shining": Die beiden Musiker spielen alle ausgewählten Songs mit einem tollen Drive, wirken dabei sehr authentisch und überzeugend und man hat beim anhören manchmal das Gefühl, als würde man einem ganz exquisit zusammengestellten Sampler zuhören, der alle Schattierungen des Blues auf einer Platte zusammenfasst. "Sugar Babe" und "Don't Start Me Talking", sowie das wundervolle "Cherokee Dance" seien hierfür stellvertretend für die enorme Fülle an Variationsfreudigkeit noch genannt. Das Sahnehäubchen am Schluss der Platte zeigt dann noch eine herzerweichende Version des Charlie Rich-Klassikers "Who Will Your Next Fool Be", der mit seinem glühenden Country & Western-Wimmern die Herzen der Damen zum schmelzen bringen kann.
Schade, dass es bei diesem einmaligen Projekt geblieben ist. Die beiden Musiker liefen sich zwar später immer wieder mal über den (Bühnen-)Weg, haben zusammen aber keine weitere Platte gemacht. Schade. Es gäbe doch noch so viele Bluesnummern, die man - gemessen an der Qualität der hier präsentierten 16 Titel - durchaus noch rauskramen könnte.
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