THE HIGH LINE RIDERS - Bumping Into Nothing
(Blue Rose Records BLU DP0656, 2015)
Nach fast 18 Jahren kehrten die High Line Riders 2015 zurück auf die grosse Americana Rock-Bühne. Die High Line Riders ? Ja, das war eine sehr lange Zeit und wohl nur eingefleischte Fans der 90er Jahre erinnerten sich vielleicht noch an diese Band aus New York City und ihr einziges Album "Somewhere South Of Here" aus dem Sommer 1997. Wenn man allerdings die damals komplette Bezeichnung - Ed Pettersen & The High Line Riders - nennt, dann sollte es doch klicken: Genau jener Ed Pettersen hatte nämlich seitdem eine richtig interessante Karriere hingelegt, gilt als einer der ganz vielseitigen Musiker zwischen Singer/Songwriter, Folk, Power Pop, Rock bis hin zu Electronic Music und Freestyle Jazz. Aber mit seinem Album "Bumping Into Nothing" und der Reaktivierung des alten Bandnamens schien er 2015 gut gerüstet für die Rückkehr zum ehrlichen Rock'n Roll mit kernigen Lead Vocals, lauten Gitarren und klasse Songs, die sich einer nach dem anderen ins Ohr brennen würden.
Der heute 58-jährige Ed Pettersen, ein gebürtiger New Yorker mit norwegischen Wurzeln, begann seine musikalische Laufbahn Mitte der 90er Jahre als Folkie und Singer/Songwriter, sozialisiert durch die Outlaw Country Music in seinem Elternhaus, selbst entdeckten Vorbildern wie Pete Townsend und Paul Westerberg bis hin zu Bruce Springsteen, Oasis und Steve Earle. Sein 1995 erschienenes Debütalbum hiess "Desperate Times" und bereits da gehörte er zum Freundeskreis der Brandos und der Del Lords, zwei der angesagtesten NYC-Acts jener Zeit. 1997 bedeutete den überregionalen Durchbruch mit der Gründung seiner Band The High Line Riders und dem allseits hervorragend bewerteten Album "Somewhere South Of Here". Das war einfach klasse Rock'n Roll auf Basis von Country Rock mit starken Songs, guten Musikern und einer gehörigen Dosis Big City-Attitüde. Das berühmte No Depression-Magazin, Wortführer des Genres damals wie heute, urteilte etwa: "Das Album klingt so behaglich wie ein Paar alte, getragene Jeans". Wegen einer seltenen Erbkrankheit, die phasenweise zu starken Schmerzen führte, konnte sich Pettersen die anstehende Vermarktung durch regelmässiges Touren nicht leisten und die Ära mit den Riders war allzu schnell zu Ende. Anfang des neuen Jahrtausends widmete er sich der Aufbereitung alten, zum Teil unveröffentlichten Materials. 2001 erschien ein komplett neu gestaltetes Remake von "Desperate Times", zwei Jahre später der Sampler mit dem skurrilen Titel "Two T's All E's", eine deutliche Ansage über die richtige Schreibweise seines Namens.
Zu dieser Zeit war Ed Pettersen bereits in seine neue Heimat Nashville gezogen. 2002 wurde das einzige Album ("Spare Bedroom") seiner damals aktuellen Combo The Strangelys veröffentlicht. Wie schon bei den High Line Riders wieder mit den beiden Abbott-Brüdern, Mike an der Leadgitarre und Pete (Ex-Average White Band) am Schlagzeug, ging es diesmal um komplexen Pop Rock in einem Mix aus Oasis, Fastball und Creed. Dazu war Pettersen auf Tribute-Alben für Waylon Jennings und Uncle Tupelo vertreten, hatte 2006 als Produzent und Musiker massgeblichen Anteil an der Verwirklichung des epochalen 3CD-Werks "Song Of America", auf dem er zusammen mit zahlreichen prominenten Kollegen (John Mellencamp, Blind Boys Of Alabama, Black Crowes, The Mavericks, Andrew Bird, Old Crow Medicine Show) 500 Jahre amerikanische Geschichte aufbereitete. Dieses Projekt sollte ihm sogar mehr Anerkennung verleihen als sein gesamter Output zuvor. Auf dieser Erfolgswelle schwimmend realisierte er 2007 sein erstes Album mit neuen Aufnahmen seit 10 Jahren: "The New Punk Blues Of" bot wieder exquisite, handgemachte Tracks aus eigener Feder im Grenzbereich von Grosstadt-Folk und Songwriter/Rock.
Doch ermachte noch mit weiteren Projekten von sich reden. Als Mad King Edmund beschäftigte er sich mit Freistilmusik, Experimental Jam Rock, Noise Improvisationen, Electronic Americana bis hin zum Avantgarde Jazz. Sein 2012er Grosswerk "Happening: A Movement In 12 Acts" kam als hochpolitische Free Jazz-Operette mit Rezitationen von Walter Egan, Charles Walker, Suzy Bogguss, Freedy Johnston, Mary Gauthier, Matthew Ryan und vielen anderen daher. Es ging hierbei um den ökonomischen und moralischen Niedergang der USA und den Einfluss der Occupy-Bewegung, die sämtliche Erlöse aus diesem ambitionierten Projekt erhielt. Kurz darauf zog es Pettersen wieder zum Folk. Nach Erkundungen in Norwegen bei seinen Vorfahren entstand 2012/2013 "I Curse The River Of Time: A Norwegian American Tale". Eine aufwändig als Hardcover-Kunstbuch veröffentlichte Sonderedition kombinierte den wunderschönen, in Nashville mit lokalen Topleuten und norwegischen Gastmusikern eingespielten Americana Folk mit skandinavischer Literatur und Illustrationen. Dann kam "Nashville Electric". Die gleichnamige CD von 2014 enthielt ausschliesslich experimentelle Feedback-, Drone-, Psychedelic- und Electronic-Instrumentals, sehr wild und eine weitere völlig andere Seite diesen hervorragenden und vielseitigen Künstlers.
Und dann erfolgte also die gloriose Rückkehr zum straighten, schnörkellosen, klar Gitarren-dominanten Rock'n Roll typisch amerikanischer Provinienz. Nicht ohne Grund also hatte Ed Pettersen seine Band wie schon so viele Jahre zuvor mit The High Line Riders betitelt, obwohl alleinig Drummer Pete Abbott wieder dabei war. Den Bass spielte David Santos, dazu kamen Gary Goodlow an der Lead Guitar und der bekannte Mike Brenner (Low Road, John Train, Marah, Magnolia Electric Co., Slo-Mo) mit Lap Steel, Pedal Steel oder Electric Slide. "Bumping Into Nothing" wurde zwar komplett in Nashville eingespielt, aber danach klang hier gar nichts, sondern wieder nach New York City à la Brandos, Del Lords, Willie Nile, Steve Wynn, vor allem aber nach Eric Ambel, auch erinnerte vieles hier an die kultigen Bottle Rockets. Bob Olhsson, Recording-Legende seit den 60er Jahren, der lange für Motown Records (Marvin Gaye, Stevie Wonder) tätig war und der später in San Francisco mit Grateful Dead gearbeitet hatte, war für den griffigen Rock'n'Roll-Sound verantwortlich. Die bekannte Tastenfrau Jen Gunderman (The Jayhawks, Paul Burch, Eric Brace und Peter Cooper) war mit Orgel oder Piano immer dabei, mit zusätzlichen Stimmen halfen solch illustre Freunde wie Freedy Johnston, Chuck Mead (Ex-BR549), Countrysängerin Joanna Smith, der norwegische Singer und Songwriter-Star Henning Kvitnes, die Farewell Drifters und die junge Norwegian/Americana Folkfrau Ida Jenshus.
Zu den Songs: "Every Time It Rains" hatte schon zu Beginn wieder alles, was ein Opener braucht: drei elektrische, singende, heulende Gitarren, bärenstarke Lead Vocals und einen markigen Refrain, "Cold Comfort" folgte als druckvoller Rocker im mittleren Tempo, auf "Janey" gebärdete sich Pettersen als extrovertierter Shouter. Der Titelsong "Bumping Into Nothing" bot mit seinem klassischen Springsteen/Seger/Mellencamp-Modus genau die Qualität eines Titelsongs, auf "Holding Pattern" ging's dagegen etwas dunklerer zu. "I Hope You're Happy Now" kam als flotte Nummer mit dominanter Steel Guitar vor dem düster bluesigen Talking Lamento "Jason Molina's Blues" im Zentrum. Über harschen, dräuenden Slide & Leadgitarren zollte Pettersen dem verstorbenen Charismatiker Molina von Magnolia Electric Co. resp. Songs:Ohia eindringlich Tribut. Mit viel Country Rock folgte die Steel & Twang-unterwanderte Ballade "You Can't Get There From Here", mit "I Don't Think About When You Were Mine" und "Small Town In My Mind" standen weitere fetzige Uptempo Rocker dahinter. "I'm Where You Were" war eine im Tempo herrlich heruntergefahrene Ballade mit attraktivem Duettgesang von Joanna Smith und klingelnder Jingle Jangle Guitar. Das mit gepflegtem Boogie Piano unterlegte "Hard On Me (Out Of Innocence)" und noch einmal "Cold Comfort" (in einem Alternativ Mix) schlossen dieses prächtige Album ab. Ein weiterer Volltreffer im schillernden musikalischen Lebenslauf von Ed Pettersen, der als Künstler so viel gemacht hat und hier mit urtypischem amerikanisch ausgefärbtem Rock'n'Roll überzeugen konnte.
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