Sep 28, 2016

EXIT - Exit (Privatveröffentlichung ohne Nr., 1975)

Die Band Exit entstand im Jahre 1972 in der Schweizerischen Stadt Frauenfeld. Die Gruppe um den Gitarristen Andy Schmid und den Schlagzeuger Kafi Kaufmann waren vor allem an Konzerten eine atemberaubend gute und sehr dynamische Band, die unter anderem als Opening Act für so illustre Bands wie beispielsweise die deutschen Formationen Birth Control und Jane auftreten und sich grossen Respekt verschaffen konnte. 1975 nahmen Exit ihr leider einziges Album auf, das sie privat vertrieben, ohne die Unterstützung einer namhaften Plattenfirma im Rücken, was sehr bedauerlich ist, denn die Platte zählt für mich noch heute zu einer der grossen Sternstunden Schweizerischen Rockmusik-Schaffens. Die kleine Auflage von lediglich 350 Exemplaren sorgte dafür, dass die LP rasch ausverkauft war und schon bald teils astronomische Sammlerpreise erzielen konnte, bis das Werk im Jahre 1993 auf dem Schweizer Label Black Rills Records noch einmal aufgelegt wurde, später, im Jahre 2008 schliesslich auch als CD. Die CD-Version bot dann noch zusätzlich sechs Bonustracks, die zuvor nicht veröffentlicht worden waren.

Aufgenommen wurden die originalen Songs damals mit zwei schlichten Revox 2-Spur-Tonband Maschinen ohne jegliche technische Tricks. Das hat heute rückblickend den Vorteil, dass ihre Songs weitgehend homogen klingen, nicht überproduziert wirken und sehr transparent und, ja ich würde sagen "ehrlich" klingen. Stilistisch reichen die Sounds des Albums von Deutschrock über englischen Beat bis hin zu klassischem Psychedelic Rock und leicht progressivem Flair. Die unveröffentlichten Bonus Tracks der CD-Ausgabe von 2008 entstanden im Probelokal der Gruppe in wechselnden Exit-Besetzungen bis 1979. Von den originalen Songs begeistern eigentlich keine mehr als die anderen: Exit hatten eine Platte eingespielt, die sich wirklich durchgehend gut anhört und die man auch von Beginn bis zum Schluss durchhören muss. Es passt alles gut zusammen, trotz der stilistischen Vielfalt. Die Band traute sich was, verfiel nicht in einen "typischen" Sound, an welchem man die Jungs hätte festmachen können. Klar: Dies allein schafft natürlich noch keine Meisterwerke.

Man muss allerdings berücksichtigen, dass die Schweiz in jenen Tagen nicht gerade ein kreativer Schmelztiegel war. Zu viele Bands wollten einfach ihren grossen Vorbilder nacheifern, manche mehr oder weniger erfolgreich, andere - die meisten - leider weitgehend erfolglos. Und auch wenn die Gruppe Exit, in ihrem Ursprung bestehend aus Andy Schmid (Gitarre, Mundharmonika), Edwin Schweizer (Bass), Roman Portail (Orgel, Synthesizer) und Kafi Kaufmann (Schlagzeug und Perkussion) ebenfalls zu den Verlierern zählten, so haben sie doch immerhin ein Album hinterlassen, das noch heute zu überzeugen vermag und sich qualitativ deutlich vom eher drögen Schweizer Rock der frühen 70er Jahre unterscheidet. Was den Aufnahmen nicht schadete, war der Umstand, dass sie praktisch filterlos ohne grosse Effekte, eingespielt wurden. Dadurch erhielten die Stücke einen gewissen Live-Charakter und ihr Sound blieb zu jeder Zeit offen und dennoch kompakt. Alle vier Songs des Albums zeichnen sich durch gute Kompositionen aus, durch viel spielerische Gimmicks und verraten auch viel Know-How der Musiker, die wohl schon etliche gute Rockplatten in ihrer Sammlung stehen hatten, diese jedoch nicht kopierten, sondern aus ihnen ihre eigenen Inspirationen zogen.

"Paradise", das (bewusst oder unbewusst ?) falsch geschriebene "Balade Of Live", "Talk Around" und "Bad Gossip" bieten eigentlich alles, was damals auch international noch gespielt wurde, obschon die Musik von Exit klar zurückschauen mag: Ihre vier Kompositionen klingen eher, als wären sie drei oder vier Jahre früher aufgenommen worden. Dies bezieht sich nicht nur auf die marginale, bereits erwähnte Aufnahmetechnik, sondern insbesondere auch auf den Sound ihrer Instrumente und schlicht auf die Kompositionen, die dadurch natürlich alles andere als mittelmässig sind. Im Gegenteil: Hier versuchte eine Gruppe, einen authentischen Sound zu spielen, der in der Schweiz eher wenig populär blieb über die Jahre und 1975 wohl auch bereits out of fashion war. Vielleicht war dies auch der Grund, warum damals keine grosse Plattenfirma die LP veröffentlichen mochte. Schliesslich kamen da schon härtere Rockbands wie Tea, Krokus oder die urschweizerischen Rumpelstilz auf die noch arg provinziellen Bühnen und definierten bald darauf den neuen Schweizer Pop und Rock. Die Gruppen Toad und Tusk einige Jahre früher, spielten den härteren Rock als Exit, dafür verneigten sich Exit wiederum stilistisch hörbar und teils deutlich vor deutschen Krautrock-Bands wie Jane und Birth Control (vor allem in Bezug auf die Orgel-Arrangements in den Songs).

Trotzdem waren Exit auch recht progressiv unterwegs und man findet in ihren langen Songs auch immer wieder Reminiszenzen beispielsweise an die Pink Floyd der "Meddle"-Phase, allerdings ohne deren Hochglanz-Sound, sondern eher wie eine Art Pink Floyd-Garage Rock Combo. Originell ? Ja, auf jeden Fall und vor allem: Gut, sogar sehr gut. Denn das fehlt dem progressiven Rock mitunter: Dieses rohe, ungeschliffene Element in der Musik. Ob bewusst oder unbewusst, oder aufgrund der im internationalen Vergleich eher bescheidenen Studio-Einrichtung im damals angesagten MS Studio in Dietikon bei Zürich: Die Aufnahmen sind gut und haben die Zeit gut überdauert. Heute schätzt der Kenner solche glamourlosen Vierspur-Aufnahmen viel mehr als damals, als man selbst bei gewöhnlichen Pop-Produktionen kaum mehr irgendwo mit weniger als 24 Spuren auskam. 

Als "Proto-Prog" könnte man die Musik bezeichnen, die Exit gespielt haben: Ordentlich abwechslungsreiche Rocksongs, versehen mit interessanten wabernden Orgelausflügen, jazzigen Einsprengseln, instrumentalen Jam-Abschnitten und eher spärlich eingesetzten Synthesizer-Klängen (vor allem im Song "Talk Around"). Dabei wirkt die Musik immer auch melodiös und fast mitsingbar.

Die weiteren Songs des sehr ordentlich klingenden, aus verschiedenen Studiosessions stammenden Bonusmaterials auf der CD-Ausgabe von 2008 sind etwas jazziger und gelegentlich auch funkiger ausgefallen ("Take A Little More Time"). Mit Gallus Bachmann's Saxophon kommt eine zusätzliche Klangfarbe in die Musik, während Martin Beerli die Jazzrockausrichtung der Musik mit einem schwungvollen Elektro-Piano (neben den klassisch-progressiv eingesetzten Orgel und Synthesizer) verstärkt. "II" ist dabei eine abwechslungsreiche Instrumentalnummer mit nettem, etwas nach Canterbury klingenden Symphonik-Jazzrock, die durchaus Spass macht. Mit "Clarinetto" sorgt dann die Band mit einem nicht so recht zum Rest passenden Dixie Swing-Kalauer für einen humorvollen Abschluss.

Die Band Exit kann man vielleicht nicht mit den eher bekannteren Krokodil, Island, Circus, Welcome oder Kedama vergleichen, da diese Bands auch sehr viel mehr finanzielles Polster für ihre Aufnahmen zur Verfügung hatten, aber Fans von Jane oder generell frühem Krautrock, der zudem auch sehr melodiös sein darf, dürften diese Platte wie ich sehr mögen.
Andy Schmid und Kafi Kaufmann waren auch später noch musikalisch aktiv, nachdem die Band Exit Geschichte war. Andy Schmid starb 2001 während eines Konzerts in Kairo, Kafi Kaufmann veröffentlichte ab und zu Soloalben und ist immer noch aktiv.



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