Feb 12, 2018


RANDY NEWMAN - Little Criminals (Warner Brothers Records BSK 3079, 1977)

Der amerikanische Singer und Songwriter Randy Newman wurde in eine musikalische Familie geboren, seine drei Onkel Alfred Newman, Emil Newman und Lionel Newman waren erfolgreiche Komponisten von Filmmusik; davon war Alfred Newman der bekannteste. Auch sein Vater, der Mediziner Irving Newman, war hobbymässiger Songwriter. Randy Newman ist ausserdem ein Cousin von Thomas Newman und David Newman. Randy Newman wuchs in New Orleans (Louisiana), von wo seine Mutter stammte, und in Los Angeles auf und begann bereits im Alter von 17 Jahren, als Songwriter zu arbeiten. Nach seinem Musikstudium bekam er einen Job als professioneller Songwriter bei Metric Music. Nach ein paar Hits unter anderem für Gene Pitney, Manfred Mann und Jerry Butler bekam er 1967 einen eigenen Künstlervertrag bei Reprise Records. Die erste Platte namens "Randy Newman" verkaufte sich jedoch so schlecht, dass die Plattenfirma sie schliesslich verschenkte. Auch das Folgealbum "12 Songs" erlitt dieses Schicksal. Ein Grund für den anfänglichen Misserfolg und dafür, dass meist andere Interpreten viel grössere Erfolge mit Newman-Songs hatten als der Komponist selbst, dürfte in der gewöhnungsbedürftigen, näselnden Stimme des Songwriters zu suchen sein.

Erst mit den folgenden Alben konnte sich Randy Newman als Künstler etablieren. Seine Platten "Sail Away" (1972) und "Good Old Boys" (1974) wurden von den Kritikern einhellig gelobt, waren insbesondere unter Studenten populär und verkauften sich recht gut. Fast im Sinne eines Konzeptalbums (und als ein solches war die LP zunächst auch geplant) sang Newman auf "Good Old Boys" Lieder, die verschiedene Seiten des amerikanischen Traums kritisch beleuchteten und sich insbesondere gegen die Rednecks genannten konservativ-reaktionären Bewohner der Südstaaten wandten. Gemeinsam mit dem 1977 erschienenen "Little Criminals", das Newmans ersten eigenen Single-Hit "Short People" enthielt, markierten "Sail Away" und "Good Old Boys" nach Ansicht vieler Kritiker den Höhepunkt von Newmans Schaffenskraft. Der erfolgreiche Song brachte Newman zunächst Beleidigungsklagen von Behindertenorganisationen und Proteste kleinwüchsiger Menschen ein. Im US-Bundesstaat Maryland wurde das Lied sogar gerichtlich verboten. Die Leute verstanden vielfach nicht, dass Newman in diesem für ihn typischen Character-Song bewusst in die Rolle eines Menschen mit einem offensichtlich lächerlichen und völlig überzeichnet dargestellten Vorurteil schlüpfte und verwechselten den Künstler mit der von ihm geschaffenen Kunstfigur.

Newman setzte sich in seinen Songtexten mitunter intensiv mit historischen Themen auseinander, so zum Beispiel in "In Germany Before The War" mit dem Fall des Serienmörders Peter Kürten oder in "The Great Nations Of Europe" mit der europäischen Expansion im 16. Jahrhundert, die auf geistreiche Weise auf gegenwärtige Tendenzen in der US-amerikanischen Aussenpolitik bezogen wurde. Fast prophetisch wirkte schliesslich die Satire "Political Science" von 1972, die den Narzissmus mancher Amerikaner, die sich von der übrigen Welt nicht genügend wertgeschätzt fühlen und daher umso aggressiver auftreten, karikiert – damals auf den Vietnamkrieg bezogen, hat der Text bis heute wenig an Aktualität eingebüsst: "No one likes us, I don’t know why. We may not be perfect, but heaven knows we try. All around even our old friends put us down. Let’s drop the Big One and see what happens. We give them money, but are they grateful ? No, they’re spiteful and they’re hateful. They don’t respect us. So let’s surprise them. We’ll drop the Big One and pulverize them".

Das von Randy Newman zu Mitte der 70er Jahre geschriebene "Louisiana 1927" beschrieb die grosse Flut in Mississippi, Arkansas und Louisiana und beklagte, wie die Bevölkerung in den 20er Jahren erst von der blindwütenden Natur geschlagen wurde und dann von einer hartherzigen Regierung, der das Leid der Menschen egal war: "Louisiana, Louisiana, they’re tryin’ to wash us away!". Nach dem Hurrikan Katrina wurde Louisiana 1927 die inoffizielle und emotionale Hymne des Staates Louisiana. Newman trat im Jahr 2005 bei einem Post-Katrina Benefit auf und nahm das Lied erneut, unterstützt durch das Louisiana Philharmonic Orchestra, für ein Album zu Gunsten der Katrina-Opfer auf. Mehrere Künstler, darunter Aaron Neville, Bo Dollis & The Wild Magnolia, Willie Nelson, Martin Simpson und Howard Tate hatten das Lied in eigenen Versionen interpretiert. Newman war aufgrund seiner sarkastisch-satirischen Texte früh ein Liebling der Intellektuellen. Zu kurz gegriffen wäre allerdings, ihn als Zyniker oder Komiker zu beschreiben, da er auch sehr anrührende, ernste Texte verfasst hatte. Musikalisch war Newman einerseits von Blues, Rock und Ragtime beeinflusst, andererseits versah er seine Songs oft mit ausgefeilten klassischen Orchesterarrangements. Seine Vielseitigkeit als Songwriter und Arrangeur wurde vielleicht am besten auf dem Album "Little Criminals" deutlich.

"Little Criminals" war das sechste Album von Randy Newman. Es erschien im September 1977 bei Reprise Records. Das Album beinhaltete zahlreiche politische und mitunter auch zynische Texte, wie etwa den kontrovers diskutierten Song "Short People". Die Musik des Albums war von Newmans Klavierspiel und den Orchesterarrangements bestimmt. Das von Lenny Waronker und Ross Titelmann produzierte Album erreichte Platz 9 der Billboardcharts und war somit Newmans grösster kommerzieller Erfolg. Die Kritiken für das Album fielen gut aus. So verteilte Allmusic dreieinhalb von fünf möglichen Sternen. Der Musikkritiker Robert Christgau hingegen vergab die Schulnote 2 +, merkte aber an, dass Newmans Songs auf "Little Criminals" nicht mit seinen besten Stücken mithalten könnten. Unter den Studiomusikern befanden sich alle damaligen Mitglieder der Band The Eagles. Das Stück "Short People" wurde im November 1977 mit der B-Seite "Old Man On The Farm" als Single veröffentlicht. Das Lied war sehr erfolgreich und erreichte Platz 1 der Cash Box Top 100 und Platz 2 der Billboard Hot 100 und international zahlreiche weitere Platzierungen. Der Titel "Jolly Coppers On Parade" war laut Newman nicht unbedingt als Anti-Polizei Song zu verstehen. Er behandelte vielmehr offenen Rassismus. Newman hatte dieses Thema bereits auf Songs wie "Yellow Man" vom Album "12 Songs" angesprochen. "In Germany Before The War" behandelte die Taten des deutschen Serienmörders Peter Kürten, der 1931 wegen Mord in neun Fällen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Newmans damalige Ehefrau stammte aus Düsseldorf, der Stadt, in der Kürten die meisten seiner Opfer ermordete. Im Text des Songs wurden die Emotionen des Täters aus seiner Sicht geschildert. "Sigmund Freud's Impersonation Of Albert Einstein In America" beschrieb das Schicksal des deutschen Physikers Albert Einstein nach seiner Auswanderung in die USA in den 30er Jahren. Dabei wurden auch mögliche Erwartungen und Hoffnung geschildert. Das Stück wurde mit einem Orchester eingespielt. Der Song "Baltimore" thematisierte die Probleme in der Stadt Baltimore, wie etwa Kriminalität und Suburbanisierung. Vor allem trat die Sicht der sterbenden Stadt heraus; zum Song gehörte ein markantes Gitarrensolo von Glen Frey.

Musikalisch war Randy Newman deutlich von der Hollywood-Filmmusik beeinflusst, wie besonders die Arrangements auf seinen Platten aus den 70er Jahren zeigten. Im Konzert trat er allerdings fast ausschliesslich solo am Klavier auf, wodurch zwar die Texte prägnanter hervor traten, sich das Publikum jedoch die nicht selten opulenten Arrangements der Studioalben hinzudenken musste. Im Studio wurde Newman von prominenten Musikern wie Ry Cooder, Mitgliedern der Eagles, Paul Simon, George Harrison, Elton John, Mark Knopfler, Jeff Lynne oder Van Dyke Parks begleitet. Dabei stand die gefällige und oft eingängige Musik häufig im Kontrast zu den oftmals satirischen, bissigen oder hintergründigen Texten. Zwischen den Plattenveröffentlichungen machte Newman seit den 80er Jahren immer längere Pausen, arbeitete allerdings immer wieder für Film-Soundtracks. 1995 entstand zudem das Musical "Faust". Während das zugehörige Studioalbum Newman in gewohnter Form zeigte, wurde die Bühnenproduktion von Kritikern und Publikum sehr verhalten aufgenommen. Das bislang letzte reguläre Studioalbum mit durchgängig neuem Material entstand 1999. Das 2008 erschienene "Harps & Angels" enthielt neben neuen Songs (die aber teils bereits seit Längerem als Bootlegs kursierten) auch ältere in neuen Aufnahmen wie etwa "Feels Like Home". Neun Jahre nach seinem letzten Album kam Newman im Sommer 2017 mit "Dark Matter" und neun neuen Songs heraus. Für die US-amerikanische Musik-Plattform Pitchfork Records, erläuterte der Musik-Satiriker sämtliche Tracks.

Früh begannen andere Künstler, die Songs von Randy Newman aufzunehmen und mit ihren Versionen Erfolge zu feiern. Im Jahre 1967 kam Alan Price mit "Simon Smith And The Amazing Dancing Bear" in die englische Hitparade. Die Gruppe Three Dog Night hatte früh einen Hit mit seinem ironischen Anti Drogen-Lied "Mama Told Me Not To Come". Zahlreiche Künstler coverten den Song "I Think It’s Going To Rain Today", wie zum Beispiel Melanie Safka, Tom Odell oder Katie Melua. Harry Nilsson nahm in den 70er Jahren erfolgreich ein ganzes Album mit Newman-Songs auf: "Harry Nilsson Sings Randy Newman". In den 80er Jahren machte Joe Cocker den Newman-Song "You Can Leave Your Hat On", der zuvor bereits von Etta James 1976 aufgenommen worden war, zum Welthit, während Nina Simone das Lied "Baltimore" in ihr Repertoire aufnahm. Auch "Feels Like Home" von 1995 wurde inzwischen bereits wiederholt gecovert. Nach 16 Oscar-Nominierungen bekam er 2002 endlich die begehrte Trophäe für seinen Song "If I Didn’t Have You" aus dem Film 'Die Monster AG'. Bei der Oscarverleihung 2007 war er bereits zum 17. Mal nominiert (diesmal für "Our Town" aus 'Cars'). 2009 erhielt er für die Songs "Almost There" und "Down In New Orleans" aus dem Animationsfilm 'Küss den Frosch' zwei weitere Oscar-Nominierungen. Im Juni 2010 wurde Randy Newman mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame geehrt. 2011 erhielt er dann für den Song "We Belong Together" aus dem Animationsfilm 'Toy Story 3' seinen zweiten Oscar. 2013 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Der Rolling Stone listete Newman 2015 auf Rang 25 der 100 besten Songwriter aller Zeiten.











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