THELONIOUS MONK - Underground (Columbia Records CS 9632, 1968)
Thelonious Monk war neben Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Charlie Christian und Kenny Clarke einer der Mitbegründer des Bebops. Mit seinem eigenwilligen Klavierstil und seinen unverwechselbaren Kompositionen galt Monk als einer der grossen Individualisten und bedeutenden Innovatoren des Modern Jazz. Die Stadt New York entwickelte sich in Monks Jugendzeit zu einer der grossen Jazzmetropolen. Besonders der Stadtteil Harlem wurde mit seinen vielen Clubs zu einem Brennpunkt dieser Entwicklung. So wuchs Monk in einer musikalisch sehr lebhaften Umgebung auf und hörte viele Jazzmusiker live. Als frühe Einflüsse galten Duke Ellington, Fats Waller, Earl Hines und der Stride-Pianist James P. Johnson, der in der Nachbarschaft der Familie Monk lebte. Erste Erfahrungen sammelte Monk, wie viele Musiker jener Zeit, als Pianist auf House Rent-Parties. Diese waren in von Schwarzen bewohnten Stadtteilen weit verbreitet. Mieter, die ihre Miete (Rent) nicht aufbringen konnten, luden die Menschen ihrer Nachbarschaft ein, sorgten für musikalische Unterhaltung und liessen dann den Hut herumgehen. Davon bezahlten sie die Musiker und die Miete. Daneben begleitete Monk auch den Gesang seiner Mutter in der Kirche auf der Orgel. Ein New Yorker Auftritt des Klavier-Virtuosen Art Tatum im Jahr 1932 hinterliess bei dem fünfzehnjährigen Monk einen tiefen Eindruck.
Mit 17 Jahren verliess Monk die High School. Danach ging er mit einer Wanderpredigerin zwei Jahre lang als Pianist auf Tour. Er trat dabei auch in Kansas City auf, das damals eine pulsierende Jazz-Stadt war. Sie war etwa die Heimat der Count Basie Band und der Pianistin Mary Lou Williams. Diese hörte Monk spielen, erkannte sein Talent und ermutigte ihn in seinen musikalischen Ambitionen. Ihr zufolge verfügte Monk schon damals über einen rhythmisch und harmonisch sehr eigenwilligen Stil. Den Eindruck, den Monks Musik auf sie und andere Musiker machte, beschreibt Mary Lou Williams später so: "Wir nannten es damals Grusel-Musik und behielten es uns fast ausschliesslich für die frühen Morgenstunden vor, wenn wir Musiker unter uns waren. Wieso Grusel-Musik ? Weil die schauerlichen Akkorde uns an Musik erinnerten, die in 'Frankenstein' und ähnlichen Gruselfilmen vorkam". Wieder zurück in New York City, schlug sich Monk einige Jahre mit Gelegenheitsjobs als Pianist durch. Anfang der 40er Jahre wurde er Hauspianist im Harlemer Club Minton’s Playhouse, der Treffpunkt eines losen Verbandes junger Musiker war, die bei Jam-Sessions nach neuen musikalischen Wegen abseits des Swing-Mainstreams suchten. Neben Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Charlie Christian und Kenny Clarke zählte Monk damit zu dem Kreis der Musiker, die später als Keimzelle eines neuen Stils – des Bebop – und damit des Modern Jazz gelten sollten.
Während Parker und Gillespie später zu den Protagonisten des Bebop avancierten, blieb Monk diese Anerkennung jedoch zunächst versagt. Dies lag zum einen an Monks individualistischer, für viele nur schwer nachvollziehbaren Spielweise, zum anderen aber auch an seiner notorischen Unzuverlässigkeit, die selbst bei grosszügiger Auffassung von Pünktlichkeit kaum regelmässige Proben mit ihm möglich machten. Zwar wurde er 1946 von Dizzy Gillespie als Pianist für dessen Big Band engagiert, da er jedoch wiederholt verspätet oder überhaupt nicht zu Proben oder Auftritten erschien, wurde er gefeuert. Der Tenorsaxophonist Coleman Hawkins war in dieser Zeit einer der wenigen Bandleader, die Monk als Pianisten engagierten. Hawkins, ein Veteran des traditionellen Swing-Stils, wurde dafür jedoch heftig kritisiert, da das rhythmisch und harmonisch unkonventionelle Spiel Monks beim Publikum auf schroffe Ablehnung stiess. Trotz dieser Widerstände hielt Hawkins den Pianisten in seinem Quartett und machte im Jahr 1944 mit Monk dessen erste Studioaufnahmen. Da Monk noch immer bei seiner Mutter lebte, die auch für seinen Lebensunterhalt sorgte, musste er nicht aufgrund wirtschaftlicher Zwänge künstlerische Zugeständnisse machen oder seinen eigensinnigen Lebensrhythmus an die Gewohnheiten seiner Mitmenschen anpassen. Stattdessen konnte er sich ungehindert ausschliesslich seiner musikalischen Leidenschaft widmen und seine kompositorischen Ideen verwirklichen. Zu dieser Zeit hielt Monk auch eine Art Hausseminare für befreundete Musiker ab. Der junge Miles Davis, Sonny Rollins, Bud Powell und andere gingen in der Wohnung der Familie Monk ein und aus und liessen sich von Thelonious dessen Kompositionen am Klavier erklären. Dabei achtete er penibel darauf, dass seine oft sehr komplizierten Stücke korrekt gespielt werden. Miles Davis, der ein Jahrzehnt später mit Monks Komposition "Round Midnight" seinen Durchbruch beim breiten Publikum erleben würde, sagte später, dass diese Lektionen für seine musikalische Entwicklung von grosser Bedeutung gewesen seien.
Erst 1947, im Alter von 30 Jahren, nahm Monk durch die Vermittlung des Saxophonisten und Talentscouts Ike Quebec seine erste Schallplatte als Bandleader für das aufstrebende Plattenlabel Blue Note Records auf, später erschienen unter dem Titel "Genius Of Modern Music". Seine Partner bei den Aufnahmen der folgenden Jahre waren der Vibraphonist Milt Jackson und die Schlagzeuger Art Blakey und Max Roach. Im gleichen Jahr heiratete er Nellie Smith, ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Thelonious und Barbara. Monk hatte zu dieser Zeit bereits viele seiner Stücke komponiert, die erst Jahre oder Jahrzehnte später Anerkennung erlangen würden. Dazu zählten seine bekanntesten Kompositionen "Well", "You Needn’t", "Round Midnight" und "Straight, No Chaser". Auch sein individualistischer Klavierstil mit dem für ihn typischen perkussiven Anschlag war jetzt bereits voll ausgeprägt. Seine künstlerische Entwicklung war damit weitgehend abgeschlossen: Im Laufe seiner weiteren Karriere erfuhr seine Musik keine wesentlichen stilistischen Veränderungen und Brüche mehr. Viele der auf Blue Note veröffentlichten Aufnahmen stellen mustergültige Interpretationen seiner Kompositionen dar und gelten heute als Klassiker. Monks erste Aufnahmen unter eigenem Namen verkauften sich jedoch nur schleppend. Seine eigenwillige Musik traf beim Publikum auf Unverständnis. Auch unter Musikerkollegen und Musikkritikern blieb er umstritten. Häufig wurde ihm sogar mangelndes technisches Können unterstellt. Auch ein Vorfall Ende 1951 behinderte Monks Karriere in den folgenden Jahren empfindlich: Bei einer Polizeikontrolle wurden in einem von Monk geparkten Auto Drogen gefunden. Da er nicht gegen den wirklichen Drogenbesitzer, seinen Freund Bud Powell, aussagen wollte, wurde er zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt. Weit schwerer wog jedoch ein mehrjähriger Entzug der Cabaret Card, die damals für Engagements in Night Clubs in New York erforderlich war. Dadurch konnte Monk jahrelang kein Club-Engagement in seiner Heimatstadt bekommen.
Das Label Prestige Records machte Monk 1952 ein Angebot für Aufnahmen. Da sich seine bisherigen Platten nur schlecht verkauft hatten, liess Blue Note Records ihn ziehen. Das auf einigen seiner Prestige-Aufnahmen zu hörende, deutlich verstimmte Klavier liess entweder auf eine gewisse Nachlässigkeit bei der Produktion schliessen oder Monk setzte es bewusst ein. Doch auch während dieser Periode machte Monk einige bemerkenswerte Aufnahmen. Hervorzuheben waren seine Alben mit Sonny Rollins und die Aufnahmen vom Heiligabend 1954 mit Miles Davis als Leader, Milt Jackson, Percy Heath und Kenny Clarke: Diese galten vielen Kennern als eine Sternstunde des Jazz. Der Jazzproduzent und Monk-Fan Orrin Keepnews gründete 1953 das Label Riverside Records. Für nur 108 Dollar kaufte er Monk 1954 aus dessen Vertrag bei Prestige heraus. Doch er zögerte zunächst, Aufnahmen mit Monks Eigenkompositionen zu veröffentlichen. In der Absicht, das Publikum schrittweise an Monks exzentrische Musik heranzuführen, wurden stattdessen zwei LPs mit Standards und Interpretationen von Stücken Duke Ellingtons veröffentlicht, die bei Publikum und Kritik zumindest bescheidene Achtungserfolge erzielten. Einen Wendepunkt in Monks Karriere stellte das Jahr 1957 dar. Zum einen erlangte er auf Betreiben der einflussreichen Baroness Pannonica de Koenigswarter seine Cabaret Card (Auftrittsgenehmigung für New York) zurück, die er 1951 verloren hatte. Diese ehemalige Diplomatengattin aus dem Hause Rothschild kümmerte sich in der Art einer Patronin um Jazz-Musiker. Dies ermöglichte Monk ein erfolgreiches mehrmonatiges Engagement im New Yorker Five Spot Café mit dem Tenorsaxophonisten John Coltrane.
Zum anderen wurde das dritte auf Riverside Records veröffentlichte Album "Brilliant Corners" zu einem Meilenstein in Monks Diskographie: Begleitet von dem Tenorsaxophonisten Sonny Rollins, dem Altsaxophonisten Ernie Henry, dem Bassisten Oscar Pettiford und dem Schlagzeuger Max Roach entstand ein sorgfältig konzipiertes und produziertes Album, auf dem sich Monks Musik voll entfaltete. Grossen Anteil daran hatte Sonny Rollins, der als früherer Besucher von Monks Seminaren mit dessen Musik bestens vertraut war und diese entsprechend zu spielen verstand. Höhepunkte waren die vertrackte Neukomposition Brilliant Corners und der ausgedehnte Blues mit dem lautmalerischen Titel "Ba-Lue Bolivar Ba-Lues-Are". Dieser Titel bezog sich auf das Bolivar-Hotel in New York, in dem die Baroness de Koenigswarter in einer Suite residierte. Als zusätzlichen Dank für ihre Unterstützung nannte Monk eine seiner schönsten Balladen, in der er mit der rechten Hand Celesta und mit der linken Klavier spielte, "Pannonica". Mit diesem Album gelang Monk endlich der Durchbruch beim Publikum. Im Herbst dieses Jahres trafen Monk, sein ehemaliger Mentor Coleman Hawkins und erneut Coltrane aufeinander, veröffentlicht auf der Riverside-LP "Monk’s Music". Im weiteren Verlauf der 50er Jahre nahm Monk zahlreiche bedeutende Schallplatten auf. Darunter waren Einspielungen mit Musikern wie John Coltrane und Gerry Mulligan und Solo-Einspielungen. Erfolgreiche Tourneen durch die USA und Europa schlossen sich an. 1958 wurde Monk im Down Beat Critics Poll erstmals zum besten Pianisten gekürt. Im Februar 1959 kam es zu einem Konzert in der renommierten New Yorker Town Hall, bei dem Monk seine Musik in den orchestralen Bearbeitungen des Arrangeurs Hall Overton mit einem Tentett aufführte. Im Jahre 1960 wurde der Tenorsaxophonist Charlie Rouse Monks fester Partner in seinem Quartett. Rouse war zwar kein Saxophonist vom Format eines John Coltrane oder eines Sonny Rollins, aber seine Spielweise fügt sich ideal in Monks Klangwelt ein. Diese Verbindung sollte bis Ende der 60er Jahre bestehen bleiben.
Mit einem Vertragsabschluss beim Schallplattenlabel Columbia Records, das zu CBS gehörte und für das bereits andere Jazz-Grössen wie Miles Davis oder Dave Brubeck arbeiteten, wurde Monk 1962 endgültig zu einem international gefeierten Jazz-Star. Die ersten für Columbia aufgenommenen Schallplatten zeigten das Thelonious Monk Quartett mit Charlie Rouse am Tenorsaxophon, dem Bassisten John Ore und dem Schlagzeuger Frankie Dunlop in gereifter, perfekt aufeinander eingespielter Form und zählten mit zu seinen besten Aufnahmen. Ende 1963 kam es im New Yorker Lincoln Center zu einer zweiten erfolgreichen Aufführung seiner Musik in Big Band Besetzung. Seine Proben mit dem Arrangeur Hall Overton wurden vom Fotografen W. Eugene Smith in Bild- und Ton-Dokumenten festgehalten, die 2009 im Jazz Loft Project veröffentlicht wurden. Monk unternahm nun Tourneen nach Europa und sogar bis nach Japan. Das Time Magazine zeigte ihn im Februar 1964 auf der Titelseite. Monks kompositorische Aktivität ging im Verlauf dieser Zeit jedoch mehr und mehr zurück. Aufnahmen neuer Kompositionen wurden immer seltener. Einige seiner für Columbia Records aufgenommenen Schallplatten enthielten kein einziges neues Stück. Abgesehen von einigen Improvisationen stammte seine letzte Komposition aus dem Jahr 1967. Er spielte in dieser Zeit, anders als in den 50er Jahren, auch nur noch selten mit Musikern ausserhalb seines festen Quartetts und erhielt dadurch weniger Impulse von aussen. So erstarrte die einst so unkonventionelle und aufregende Musik Monks allmählich in einer vorhersehbaren Formelhaftigkeit.
Sein Album "Underground" zählte zu den Alben aus Monks späterer Schaffensphase. Es war das letzte Album, das neue Kompositionen Monks vorstellte und das letzte im Studio aufgenommene Album seines Quartetts. Das Album enthielt vier neue Kompositionen. Diese wurden in unterschiedlichen Combo-Konstellationen dargeboten: Neben zwei Stücken des regulären Thelonious Monk Quartets waren das auf dem Original-Album ein Stück für Klaviertrio ("Easy Street") und ein Stück des Quartetts mit dem Sänger Jon Hendricks ("In Walked Bud"). Dieses Stück war der einzige gesungene Monk-Titel, der je auf einem von Monks eigenen Alben erschienen war. Es verdankte sich einem Zufall: Hendricks war bei der Studioaufnahme anwesend und Monk bestand darauf, dass er mit aufnahm. Allerdings war er an diesem Tag stimmlich nicht gut disponiert und auch sein Text wirkte stellenweise abgedroschen. Die Aufnahmen fanden während mehrerer Sessions im Dezember 1967 und im Februar 1968 statt. Das Original-Album wurde stark von Produzent Teo Macero bearbeitet, wie der Vergleich mit der Neuausgabe von Legacy Columbia Records im Jahre 2003 zeigen sollte: "Green Chimney"s wurde von 13 auf 9 Minuten gekürzt, "Ugly Beauty" von 10:45 auf 7 Minuten; dabei wurden im Wesentlichen die Soli von Bass und Schlagzeug herausgeschnitten. Fünf der aufgenommenen Titel wurden gar nicht verwertet. Das Albumcover wurde mit einem Grammy Award ausgezeichnet, es zeigte Monk als einen Kämpfer der Résistance. Das Album war über lange Jahre nicht erhältlich, da Columbia Records seit 1973 ausschliesslich auf Electric Jazz setzte. Einige Fans kritisierten Monks Columbia-Output und insbesondere dieses Album als einen Aufguss oder Abklatsch früheren Materials. Auch die Autoren des Penguin Guide to Jazz kamen 1994 zu dem Urteil, dass das Originellste an dem Album das Cover sei, mit dem Columbia Records sich wohl bei einem jüngeren Publikum anbiedern wollte. Ansonsten gehöre das Album zu den schwächsten der Columbia-Phase. In der restaurierten Fassung von 2003 waren alle Aufnahmen der "Underground"-Sessions enthalten, auch in ungekürzten Versionen. Damit erlaubte das Album mitzuerleben, wie das klassische Quartett von Monk dessen Stücke entwickelte und interpretierte. In dessen Liner Notes schrieb Peter Keepnews, es handle sich um einen ermutigenden Kreativitäts-Ausbruch eines musikalischen Genies.
Gegen Ende der 1960er Jahre erhielten Monks Schallplatten nur noch mittelmässige Kritiken in der Presse, und auch die Verkaufszahlen gingen zurück. Aus kommerziellen Erwägungen drängte ihn Columbia Records 1968, ein Album mit Orchester-Begleitung aufzunehmen. Die sehr glatt geratenen Arrangements von Oliver Nelson wurden Monks Musik jedoch in keiner Weise gerecht. Den Vorschlag, eine Platte mit Beatles-Kompositionen einzuspielen, lehnte er ab. Daraufhin beendete Columbia Records die Zusammenarbeit mit Monk. Sein Quartett löste sich in den Folgejahren allmählich auf. Danach machte er mit wechselnden Begleitern nur noch vereinzelt Aufnahmen für kleinere Labels. Doch auch während dieser Zeit blieb er sich stilistisch treu und spielte auf hohem Niveau. Nach 1970 verschwand Monk offenbar aus gesundheitlichen Gründen von der Bühne. Der ohnehin introvertierte Musiker zog sich mehr und mehr zurück. Er zeigte Anzeichen von Depression und hörte nach und nach mit dem Klavierspielen auf. In den letzten Jahren seines Lebens rührte er sein Instrument nicht mehr an und verfiel in Apathie. Seine letzte Aufnahme stammte aus dem Jahre 1971, seinen letzten öffentlichen Auftritt absolvierte er 1976.
Thelonious Monk wurde von Zeitgenossen als introvertierter Exzentriker beschrieben. Er fiel äusserlich durch seine hünenhafte Gestalt, seine Vorliebe für ungewöhnliche Kopfbedeckungen und Sonnenbrillen sowie seinen Ziegenbart auf. Damit prägte er neben Dizzy Gillespie das Bild des Hipsters und Beatniks der 40er und 50er Jahre. In der Öffentlichkeit war Monk äusserst wortkarg und folgte ausschliesslich seinem eigenen Lebensrhythmus, was sich unter anderem so äussern konnte, dass er schlief, wann und wo es ihm beliebte. Gesellschaftliche Konventionen wie Pünktlichkeit hatten für ihn nur bedingt Gültigkeit. Seine Unzuverlässigkeit zu Beginn seiner Laufbahn war geradezu legendär. Seinen Mitmenschen gegenüber zeigte er sich oft desinteressiert. Selbst gegenüber der Musik anderer Musiker war er gelegentlich ignorant oder äusserte sich sogar abfällig darüber. Mochte Monk auch ein liebevoller Ehemann und Vater sein, so war er im Privaten unzuverlässig und unfähig, Verantwortung für seine Familie zu übernehmen. Als seine Frau Nellie aufgrund ihrer Schwangerschaft ihren Job aufgeben musste, war von Monk keine finanzielle Unterstützung zu erwarten. Die werdende Familie musste zurück in das nun völlig überfüllte Appartement von Monks Mutter ziehen. Während dieser schwierigen Zeit war Monk tagelang verschwunden. Auch als sein Sohn schliesslich am 27. Dezember 1949 geboren wurde, war der Musiker nicht aufzufinden.
Wie viele Musiker seiner Generation nahm Thelonious Monk Drogen. In den schwarzen Ghettos der 30er Jahre gehörten Drogen zum Alltag, auch Monk wuchs in einer solchen Umgebung auf: In den frühen 30er Jahren wurde der Stadtteil San Juan Hill zu einem Hauptumschlagplatz für Heroin. Möglicherweise durch seine Kindheit prädisponiert, suchte Monk in beruflich und familiär problematischen Phasen Ablenkung im Rausch harter Drogen. Mit Heroin betäubte er etwa die Zukunftsängste, hervorgerufen durch die Geburt seines Sohnes und die neue Verantwortung als Familienvater. Von der Forschung war zudem eine Wechselwirkung zwischen Monks psychischer Störung und seinem Drogenkonsum hergestellt worden. Dass der Pianist ein starker Trinker war, dürfte vermutlich ein Nebeneffekt seiner manischen Depression gewesen sein, die wiederum durch den hohen Alkoholkonsum verstärkt wurde. Gleiches galt für Monks Lieblingsdroge Benzedrin (Speed), deren Einnahme die Symptome der Krankheit verstärken konnte. Möglicherweise konnte man also die Ruhelosigkeit, Schlaflosigkeit und Unsicherheit Monks zu einem Teil der Kombination aus Amphetaminen und seiner bipolaren Störung zuschreiben. Seine Angehörigen schilderten den in der Öffentlichkeit so schweigsamen und einzelgängerischen Monk als einen in seiner vertrauten Umgebung kommunikativen und geselligen Menschen. Er spielte gerne Karten und galt als ausgezeichneter Schach- und Tischtennis-Spieler. Thelonious Monk führte nicht nur über Jahrzehnte ein intaktes Familienleben. Mit Bud Powell, Coleman Hawkins und der Baroness de Koenigswarter verband ihn auch eine lebenslange enge Freundschaft. Er war ausserdem ein durchaus guter Geschäftsmann, der sich nie unter Wert verkaufte.
Die meiste Zeit seines Lebens lebte Monk in der Wohnung seiner Kindheit und verliess New York nur ungern. So beharrlich und souverän er in seiner Musik war, so unsicher, gar hilflos war er oft ausserhalb seiner vertrauten Umgebung. Nachdem er 1959 auf dem Bostoner Flughafen von der Polizei aufgegriffen und wegen seines verwirrten Verhaltens für drei Tage in psychiatrische Beobachtung gegeben wurde, liess Monk sich auf Reisen meist von seiner Frau Nellie begleiten, die ihm auch oft bei seinen seltenen Interviews zur Seite stand. Sein Sohn Thelonious Jr. berichtete davon, dass Monk tagelange Phasen tiefer Depression oder Euphorie, gefolgt von extremen Erschöpfungszuständen durchlief. Er wurde deswegen mehrmals von seiner Familie ins Krankenhaus eingeliefert, was aber nicht öffentlich gemacht wurde. Die Musik Thelonious Monks war stark von seiner introvertierten, individualistischen Persönlichkeit geprägt. So eigenwillig Monk an dem ihm eigenen Lebensrhythmus und seinen oft exzentrischen Gewohnheiten festhielt, so eigenwillig war auch seine Musik. Seine Frau Nellie berichtete, dass Monk sich seiner Umgebung innerlich fast vollständig entziehen konnte und sich zeit seines Lebens ausschliesslich mit seiner Musik beschäftigt hatte. Auf Filmaufnahmen des Klavier spielenden Monk war zu sehen, wie der Pianist mit den Beinen tanzende Bewegungen aufführte. Während der Soli seiner Band-Mitglieder liebte Monk es, mit der Klavierbegleitung auszusetzen und offenbar völlig in sich versunken, fast wie in Trance auf der Bühne zu tanzen. In diesem 'monkischen' Tanz vollzog er die eigentümliche Rhythmik und Harmonik seiner Musik nach. Vordergründig betrachtet erschien dies oft behäbig und ungeschickt. Tatsächlich besass Monk ein sehr individuelles Gefühl für Zeit, Bewegung und Rhythmus, das sein Verhalten auf Aussenstehende oft befremdlich wirken liess. Seine seltsam wirkenden Gewohnheiten entsprachen aber auf eine sehr spezielle Art seiner musikalischen Sprache, sodass vieles von seinem exzentrischen Verhalten bei näherem Hinsehen Parallelen zu seiner Musik erkennen liess und nachvollziehbar wurde.
Bezeichnenderweise bezogen sich viele Kompositionen des introvertierten Pianisten im Titel direkt auf Verwandte, enge Freunde oder sogar auf den Komponisten selbst. "Little Rootie Tootie" bezog sich auf den Spitznamen seines Sohnes Thelonious Jr., "Boo Boo’s Birthday" auf den seiner Tochter Barbara. "Crepuscule With Nellie" war seiner Ehefrau gewidmet, "Pannonica" der Baroness de Koenigswarter. "Thelonious", "Blue Monk" oder "Monk’s Mood" waren nur drei der Stücke, die den Namen des Komponisten im Titel trugen. Monk wurde während seines gesamten Lebens von Frauen in seiner unmittelbaren Umgebung gefördert und umsorgt: anfangs von seiner Mutter, später von seiner Frau Nellie, die in für Monk wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch den Lebensunterhalt der Familie sicherte, und zuletzt von der Baroness de Koenigswarter, in deren Villa in New Jersey er sich 1973 im Alter zurückzog. Dort verbrachte er mit seiner Frau Nellie fast völlig zurückgezogen seinen Lebensabend. Sein psychischer Zustand verschlechterte sich in dieser Zeit zunehmend. Er starb 1982 nach einem Gehirnschlag. Sein Sohn Thelonious Monk junior folgte dem Vater als Musiker, schlug eine Karriere als professioneller Schlagzeuger ein und rief das Thelonious Monk Institute for Jazz ins Leben. Dessen Ziel ist es, musikalisch begabte Jugendliche zu fördern. Es verleiht jährlich den renommierten Thelonious Monk Award an herausragende Talente.
Durch seine verspätete Anerkennung machte sich Monks Einfluss erst ab etwa 1955 bemerkbar. Er eröffnete dem Jazz in den 50er Jahren neuartige Perspektiven: Sein experimenteller Stil nahm vieles von dem vorweg, was später in den 60er Jahren im Free Jazz üblich und breit entfaltet wurde. Durchsetzt von seinem zynischen Humor klang bei Monk Vieles erstmals an, was ebenso geniale Jazz-Avantgardisten später weiterentwickelten. So beeinflusste Monk zahlreiche Jazzmusiker der 60er Jahre wie John Coltrane, Ornette Coleman, Sonny Rollins und Eric Dolphy. Er selbst war jedoch nicht bereit, die radikalen Umwälzungen mitzumachen, sondern stand dem Free Jazz der 60er Jahre ablehnend gegenüber. Er warf den jungen Avantgardisten vor, unzusammenhängend und unlogisch einfach nur einen Haufen Noten nacheinander zu spielen. Den Free Jazz Pionier Ornette Coleman beschuldigte er sogar, mit seinen neuartigen musikalischen Konzepten den Jazz zu zerstören. Hier zeigte sich, dass der Komponist und Strukturalist Monk auf die traditionelle Form angewiesen blieb, um seine individuelle musikalische Sprache sprechen zu können. Monk komponierte im Laufe seines Lebens nur gerade 71 Themen. Duke Ellington zum Beispiel komponierte etwa 2000. Dennoch galt er als einer der wenigen grossen Jazz-Komponisten. Viele seiner Stücke wurden wegen ihrer genialen eigenwilligen, oft bizarren Formensprache ihrerseits zu Jazzklassikern (sogenannten Standards). Sie hatten in dem, was man als Modern Jazz bezeichnet, eine absolut überragende Stellung eingenommen und galten als Paradebeispiele für diese Musikrichtung, an der kein bedeutender Jazzmusiker und Jazzpianist vorbeikam.Seit Monks Tod erlebte seine Musik eine regelrechte Renaissance, die bis heute anhält. Viele namhafte Musiker beschäftigen sich bis heute intensiv mit seinem Werk und spielen seine Kompositionen ein. Dazu gehören unter anderen Anthony Braxton, Misha Mengelberg und Chick Corea. Der Pianist Alexander von Schlippenbach führt mit einer Gruppe junger Musiker in einem Konzertprogramm das Gesamtwerk Monks auf und hat dieses im Jahr 2004 komplett aufgenommen. Der Sopransaxophonist Steve Lacy, selbst in den 60er Jahren kurzzeitig Mitglied in Monks Band und auf einer Columbia-Aufnahme von 1964 zu hören, spielte einige Jahre seiner Karriere sogar ausschliesslich Monk-Kompositionen. Monks Einfluss reicht jedoch weit über den Jazz hinaus. So erschien 1984 das von Hal Willner produzierte Doppelalbum "That’s The Way I Feel Now", auf dem sowohl Jazz- als auch Popmusiker Monk ihre Reverenz erweisen. Unter ihnen sind Gil Evans, Dr. John, Donald Fagen und John Zorn. Auch das Kronos Quartet hat eine kammermusikalische Hommage an Monk aufgenommen. 1989 produzierte Clint Eastwood den Dokumentarfilm 'Thelonious Monk: Straight, No Chaser', ein sensibles und lebhaftes Porträt Thelonious Monks, unter der Regie von Charlotte Zwerin. Im April 2006 wurde Thelonious Monk für sein Werk posthum ein Pulitzer-Preis verliehen.
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