THE BLACKBIRDS - No Destination (Saga Fid Records STFID 2113, 1968)
Die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und die sich anschliessenden 50er Jahre erlebten die Bewohner des Saarlandes, im Südwesten von Deutschland gelegen und mit Ausnahme der Stadtstaaten das kleinste Bundesland, als Gegenstand eines politischen Gezerres, was den nationalen Status betraf. 1950 erfolgte die politische Trennung von Deutschland. Das Saarland erhielt einen autonomen Status und überliess Frankreich die aussenpolitische Vertretung. 1955 lehnte die Saarbevölkerung das europäische Saarstatut, das die politische Trennung des Landes von Deutschland und den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich sanktionierte, mit einer überwältigenden Mehrheit der Stimmen ab. So wurde das Saarland am 1. Januar 1957 das zehnte Land der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Um Frankreich allzu grosse Verluste zu ersparen, erfolgte die wirtschaftliche Rückgliederung erst zweieinhalb Jahre später, am 5. Juli 1959. Die sich anschliessenden 60er Jahre waren geprägt von den ersten Erfolgen im neuen Wirtschaftswunderland Deutschland und dem Wunsch, die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs nun endlich hinter sich zu lassen. Die Arbeit in den Steinkohlebergwerken, den Hüttenwerken sowie im Weinanbau gab der Bevölkerung Brot. Zerstreuung und Vergnügen lieferten Kino, Fernsehen und Radio.
Dem Zeitgeist entsprechend altbacken und konservativ konnte dies allein natürlich nicht die Jugend und die Junggebliebenen befriedigen. So war es kein Wunder, dass der Rock'n'Roll und die anrollende British Invasion auch die jungen Saarländer beeindruckte und zum Nachahmen motivierte. So auch in Püttlingen, einem kleinen Ort unweit von Saarbrücken, wo sich 1963 die ersten Bands gründeten und zunächst mit einfachsten Mitteln versuchten, ihren stetig bekannter werdenden englischen Vorbildern nachzueifern. Turnhallen, Schulaulen, Hintersäle in Wirtschaften, Gemeinde- und Kolpingsäle waren die Orte, an denen die öffentlichen Auftritte, oft nach nur kurzer Probenzeit und entsprechend holprig stattfanden. Die Geburtsstunde der Blackbirds schlug Anfang März 1965, als vier Freunde den Entschluss fassten, sich ihrem Hobby Musik durch die Gründung einer Band noch intensiver zu widmen. Das musikalische Quartet von damals setzte sich zusammen aus Werner Breinig (Gitarre und Gesang), Klaus Althmeyer (Gitarre), Siggi Burda (Bass) und Helmut Vigneron (Schlagzeug).
Geprobt wurde in einem kleinen Saal der örtlichen Peter Wust-Schule, wo die Band nicht gestört wurde und vor allem auch selbst niemand stören konnte. Das damalige Equipment bestand aus selbstgebauten Verstärkern, zusammengestückelten Gitarren und prähistorisch anmutenden Schlagzeugteilen. Dies motivierte die Musiker jedoch um so mehr, da es galt, sich mit einem ansprechenden Bühnenprogramm eine Fan-Gemeinde zu erspielen, mit der Folge stetig steigender Auftrittsmöglichkeiten und damit verbundener Geldquellen, die wiederum der Verbesserung der technischen Ausrüstung zu Gute kommen konnten. So liess denn der erste Auftritt auch nicht lange auf sich warten, und am 1.Mai 1965 starteten die Blackbirds ihre erste Jugendtanz-Veranstaltung. Die Gruppe setzte alles daran, die musikalische Qualität ständig zu verbessern. Jeden Sonntag wurde in einem Püttlinger Tanzlokal eine Veranstaltung angesetzt. Der Grundstein für die späteren Erfolge wurde in diesem Saal gelegt. Gespielt wurden Hitparadentitel aus England und Frankreich. Band-Leader Werner Breinig hatte eine erstklassige gesangliche Ausbildung als Solist im Chor der Regensburger Domspatzen erhalten. Seine klare, durchdringende Stimme war das Markenzeichen der Band. Ein nächster wichtiger Abschnitt in der Laufbahn der Gruppe erfolgte im Sommer 1965, als sich Hubert Koop (Orgel) dem Quartet anschloss. Durch den Orgelsound wurde die musikalische Qualität der Formation stark verbessert.
Im Januar 1966 verdienten sich die Blackbirds dann die ersten überörtlichen Meriten, als sie als erste saarländische Band eine Aktion Sorgenkind-Veranstaltung starteten. Kurz darauf erfolgte der erste Fernsehauftritt der Band im Rahmen der Saarmesse im Messestudio des Saarländischen Fernsehens. Im April 1966 verliess dann der Bassist Siggi Burda aus beruflichen Gründen die Band und wurde dauerhaft Ende 1966 durch Heinz-Peter Koop ersetzt. Klaus Althmeyer hatte zwischenzeitlich ebenfalls die Band verlassen. 1967 war dann das erste richtig erfolgreiche Jahr der Blackbirds: Ende Mai 1967 wurden sie Sieger der Beat-Gruppen beim Bundesfestival 'Chance 67' in Bochum in der Ruhrlandhalle. Im Juli belegten sie den zweiten Platz in der Sparte 'Beat-Gruppen' beim 'Festival de l'Européen' in Belgien. Am 11. September 1967 hatten sie einen viel beachteten Auftritt in der Sendung 'Talentschuppen' im Regionalprogramm des Südwestfernsehens. Aufgrund der Nähe zu Frankreich fanden auch viele Konzerte im Nachbarland statt. Dort gab es in vielen so genannten Tanzpalästen ideale Auftrittsmöglichkeiten. Die Franzosen standen besonders auf die langsamen Titel der Band und so hiess es häufig 'jouez un slow'. Problematisch war die Ein- und Ausreise. Die Band musste stets eine Inventarliste des gesamten Equipments bei Zoll vorlegen und abstempeln lassen. Entsprechende Kontrollen konnten schon mal etwas dauern.
Die Rundfunk- und Fernsehauftritte sowie die zahlreichen Konzerte verschafften der Band eine erhebliche Reputation, so dass es nur noch eine Frage der Zeit war, die erste Schallplatte zu veröffentlichen. Entsprechend dem Ehrgeiz der Band wurde nicht zunächst eine Single veröffentlicht, sondern die Gruppe versuchte es auf Anhieb mit einer Langspielplatte. Die Aufnahmen fanden Anfang 1968 im Studio Horst Jankowski in Stuttgart statt. Die Aufnahmebedingungen (Vier-Spur) waren für heutige Verhältnisse kaum vorstellbar: Die gesamte Langspielplatte wurde an einem einzigen Tag eingespielt und abgemischt. In der Nacht vor dem Aufnahmetermin mussten im Hotel in aller Eile noch einige Songs auf Wunsch der Plattenfirma geschrieben werden, um eine vollständige LP abliefern zu können. Beeinflusst von der allseits herrschenden Müdigkeit entstanden die Titel "Sandman's Bound" und "She". Andere Titel wie beispielsweise "Something Different" entstanden im Rahmen von Improvisationen. Trotz der nicht wirklich optimalen Bedingungen bezüglich der Aufnahmen schaffte es die Band, eine durchaus international konkurrenzfähige LP-Produktion auf die Reihe zu kriegen. Bemerkenswert war, dass die LP zuerst in England veröffentlicht wurde.
Die Songs auf dem Album waren durchaus zeitgemäss und ansprechend arrangiert. das Stück "Golden Sun" besang die Vergänglichkeit der Gelegenheiten, die laue Sommernächte boten und hoffte auf den nächsten Sommer. "Space" atmete den Geist der Raumpatroullie Orion und hob langsam aber zuverlässig ab. "No Destination", titelgebender Song der LP und weltschmerzklagende Hymne, war eine Art 'No Future'-Song à la 1968. "Sandman's Bound" trug den Wünschen der Band Rechnung, endlich Ruhe zu finden und schlafen zu dürfen, anstatt sich für den Plattenproduzenten noch mit einem geforderten Titel für die LP abquälen zu müssen. "That's My Love" widmete sich der Verflossenen, die den Liebesschwüren nicht mehr traute. "Girl I'm Wondering" und "Show Me That You Love Me" waren zeitgemässe Popnummern mit Songtexten über junge Liebe und "Something Different" schliesslich war eine grosse Wiese, auf der sich der Organist Hubert Koop austoben durfte. "She" liess die Hoffnung auf positive weibliche Einflüsse weiterleben, auch wenn der junge Mann keine Arbeit hatte und ihn alle nicht so wirklich mochten.
Leider litt der kommerzielle Erfolg der Langspielplatte unter dem unzulänglichen Engagement der kleinen Plattenfirma. In der Region allerdings und insbesondere bei den Auftritten konnte die Platte so gut verkauft werden, dass die Musiker selbst später kein Exemplar mehr besassen. Von der LP ausgekoppelt wurde die Single "No Destination" mit der B-Seite "Space". Einer der Konzerthöhepunkte war "Sherry Baby", eine Coverversion des Hits der Four Seasons. Ende 1968 wurde dieser Titel mit der B-Seite "Lead On Light" als Single veröffentlicht. Bei der B-Seite handelte es sich um einen Titel, den ein Komponisten-Team der Plattenfirma Saga Records zur Verfügung gestellt hatte. "Space" und "Golden Sun" wurden auf einer Split 7" EP mit der Gruppe Bing & The Birds als Freebie im Rahmen einer Messe für Freizeitgestaltung in Köln veröffentlicht. Geld hat die Band dafür nicht gesehen. Geld gab es auch nicht für die Verwendung von fünf Titeln der "No Destination" LP auf einem Sampler mit dem Album-Titel "Hot And Sweet With Beat". Die restlichen sieben Titel stammten wohl von einer englischen Band, die offenbar die frühen Small Faces als Vorbilder hatten. Eine empfehlenswerte Platte, aber eben kein Blackbirds Album unter falschem Namen, wie vielfach angenommen wurde.
Wie beliebt die Blackbirds gegen Ende der 60er Jahre war, zeigte die eintausendste 'Hallo Twen' Sendung von Manfred Sexauer in der Saarlandhalle mit Grössen wie Joy Unlimited, Jeronimo und John Mayall, in deren Verlauf die besten Saarländischen Bands ausgezeichnet wurden. Zum damaligen Zeitpunkt unterhielten die Blackbirds allein zehn Fanclubs in Deutschland und vier in Frankreich und Belgien. Die Stadt Püttlingen ehrte ihre berühmten Söhne mit dem 'Anker in Silber'. Das Ende der ersten erfolgreichen Blackbirds-Formation läutete dann die Einberufung von Organist Hubert Koop im Jahre 1969 zur Bundeswehr ein. Zudem waren auch musikalische Veränderungen notwendig, da Beat- und Psychedelic-Pop langsam aus der Mode kamen und immer mehr Bands sich dem Progressiv- und Krautrock zuwandten. 1982 erfolgte eine Neuaufnahme des Titels "Sherry Baby" mit der B-Seite "Burn Out For Rock'n'Roll ", allerdings in geänderter Besetzung. Die B-Seite, eine Werner Breinig Komposition, rief vor allem in den Strophenteilen Erinnerungen an den Psych-Pop der späten 60er Jahre in Erinnerung.
No comments:
Post a Comment