Feb 18, 2018


THE BAND - Jubilation (River North Records 51416 1420 2, 1998)

The Band starteten ursprünglich als Levon And The Hawks und waren die Begleitgruppe des kanadischen Rockmusikers Ronnie Hawkins. The Band vereinten eine perfekte gleichberechtigte Mixtur aus fünf meist multi-instrumentellen Musikern: Den vier Kanadiern Garth Hudson, Richard Manuel, Rick Danko und Robbie Robertson, sowie Levon Helm aus Arkansas in den US-Südstaaten. Ronnie Hawkins liess sich zu Ende der 50er Jahre von dem damals noch jungen Levon Helm eine ebenso junge Begleittruppe zusammenstellen. Gemeinsam mit Hawkins tingelten die Musiker durch Bars und Absteigen, Juke Joints und Honky Tonks. Hier lernten sie alle Genres der amerikanischen Populärkultur kennen: Country, Blues, Rock’n’Roll und mehr. Ab Herbst 1963 gingen die Musiker dann ohne Hawkins auf Tournee. Aber erst 1965 begegneten sie dem Mann, der nicht nur ihre eigene Karriere, sondern die Richtung der gesamten amerikanischen Musik Mitte des Jahrzehnts schier revolutionierte.

Bob Dylan hatte gerade erst die Folk-Puristen mit seinem elektrifizierten Auftritt in Newport gegen sich aufgebracht und suchte für eine Konzertreise durch Kanada und die USA dringend eine Begleitcombo. Wirkten in ihr anfangs nur Robertson und Helm mit, waren schon bald alle Hawks mit an Bord. Die gemeinsamen Auftritte entpuppten sich jedoch bald als eine wahre Tour de Force gegen die Puristen im Publikum, die sich mit der Dylan’schen Wende zum Rock einfach nicht abfinden wollten. Jedes Konzert glich einem Ausnahmezustand mit lautstarken Pöbeleien und deftigen Schmähungen. Während Bob Dylan gleichsam Honig aus diesen Konfrontationen zu ziehen schien, war das Levon Helm's Sache nicht. Entnervt stieg er Ende 1965 aus und wollte sich gar ganz aus dem Musikgeschäft zurückziehen. Dylan und der Rest der Hawks zog 1966 dann durch die Welt, bis Dylan mit seinem Motorradunfall den vorübergehenden Ausweg aus dem Rockzirkus fand.

Als dann die Hawks und Dylan von Frühjahr bis Herbst 1967 im Keller von 'Big Pink' unzählige Standards aus Country, Blues, Gospel und Folk sowie eine ganze Reihe von gemeinsame Eigenkompositionen spielten, war Levon wieder da. Man wollte und konnte einfach nicht auf ihn verzichten. Dies war die eigentliche Geburtsstunde von The Band. So nannten sie sich nun selbstbewusst, als sie 1968 ihr Debütalbum "Music From Big Pink" vorlegten. Die Platte veränderte die Richtung des Rock: Den damals aktuellen Psychedelic-Klängen setzten sie eine ruhigere, aber umso kraftvollere, durch Country, Blues und Folk geerdete Art der Rockmusik entgegen. Mit dem Album "The Band" gelang ihnen dann 1969 auch kommerziell der Durchbruch. Von vielen wurde es aufgrund seiner Bedeutung und in Anlehnung an die Beatles auch als 'The Brown Album' genannt. Grösster Hit daraus wurde "The Night They Drove Old Dixie Down". Geschrieben hatte das Stück Robbie Robertson, der als Songwriter für einige der bekannten Songs der Band stand.

Im selben Jahr gaben sie in San Francisco im legendären 'Winterland ihr Live-Debüt als The Ban“. Beim Isle Of Wight Festival traten sie nochmals als Bob Dylan's Begleitgruppe auf, und sie waren beim legendären Woodstock Festival dabei. The Band waren auf dem ersten Höhepunkt ihres Schaffens. Die Musiker waren Anfang der 70er Jahre ständig auf Tournee, ein eindrucksvolles Zeugnis davon legte der Film 'Festival Express' (1970) von einer gemeinsamen Tour mit Janis Joplin und den Country-Rockern von The Flying Burrito Brothers ab. Die Bühne war ihre Berufung und dort schienen sie viel stärker sie selbst zu sein, als im Plattenstudio. Und so war denn auch ihr Live-Album "Rock Of Ages" von 1971 in den Augen vieler Kritiker und Fans ihre beste Platte der frühen 70er Jahre. Es steht exemplarisch für Live-Kunst der Gruppe, für das Gesamtkunstwerk The Band, als perfekt aufeinander abgestimmte Einheit von Einzelkönnern. 1973 erschien dann "Moondog Matinee", ihre Hommage an ihre Vorbilder und den Songs der 50er und frühen 60er Jahre. Doch ihre eigene Entwicklung als kreative Songschreiber schien in einer künstlerischen Sackgasse zu stecken.


Wieder einmal war es die Zusammenarbeit mit Bob Dylan, die von dieser Situation zumindest ablenkte. 1973 hatten the band mit ihm bereits die Platte "Planet Waves" eingespielt, Anfang 1974 starteten sie mit ihm auf seine grosse Comeback-Tournee, die erste USA-Konzertreise Dylans seit Ende 1965. Sie wurde ein rauschendes Fest, dokumentiert auf dem Live-Mitschnitt "Before The Flood". Dylan & The Band zeigten sich hier in absoluter Bestform. Im Studio aber stagnierte The Band in diesen Tagen weiter. Die beiden Alben "Northern Cross, Southern Lights" und "Islands" waren keine grossen Würfe. Stattdessen arbeitete beispielsweise Robbie Robertson als Produzent von Neil Diamond. Robertson war es auch, der den Deal mit dem Abschiedskonzert einfädelte. Was unter dem Namen "The Last Waltz" später als bester Konzertfilm aller Zeiten in die Rockgeschichte eingehen sollte, war hinter den Kulissen nichts anderes als das Auseinanderbrechen von The Band in seiner bisherigen Form. Nicht The Band verabschiedeten sich von der Bühne, sondern Robertson von The Band. Levon Helm schilderte in seiner Autobiographie 'This Wheel’s On Fire' über die unangenehmen Kontroversen zwischen Robertson und ihm. Doch er und die anderen Mitglieder der Band fügten sich. Robertson holte den Filmemacher Martin Scorsese und den Konzert-Impresario Bill Graham ins Boot. Heraus kam ein eindrucksvoller Film mit einem absoluten Staraufgebot. Tolle Auftritte von Joni Mitchell, Neil Young, Van Morrison, Eric Clapton und Bob Dylan sowie eine eindrucksvolle gemeinsame Performance von The Band mit Country-Star und Bluegrass-Queen Emmylou Harris ("Evangeline"). Der Film wies nur einen Schönheitsfehler auf: Robertson wurde als eine Art Bandleader inszeniert, der er so nicht war.

Wie auch immer, vorerst war die Geschichte von The Band zu Ende. Robertson sollte nie mehr in den Schoss der Gruppe zurückkehren, da wurde wohl rund um "The Last Waltz" zu viel Porzellan zerschlagen. So beklagte sich beispielsweise Levon Helm später darüber, dass Robertson sie um gemeinsam erarbeitete Copyrights gebracht habe. Die Solopfade der einzelnen Band-Mitglieder verliefen unterschiedlich. Am erfolgreichsten waren sicherlich die beiden Antipoden der Gruppe. Robbie Robertson arbeite weiterhin als Produzent, wagte sich als Schauspieler und Komponist ins Film-Metier und festigte mit den drei Soloplatten "Robbie Robertson" (1987), "Storyville" (1991) sowie "Contact From The Underworld Of Redbo" (1998) seinen Ruf als intellektueller Songwriter. Darüber hinaus beschäftigte er sich als Sohn eines Juden und eine Mohawk-Indianerin verstärkt mit seinen indianischen Wurzeln. Levon Helm, der imgrunde immer nur der Südstaaten-Junge sein wollte, der ehrliche bodenständige Musik machte, veröffentlichte einige Soloplatten und liess aufhorchen, als auch er ins Filmgeschäft strebte. An der Seite von Sissy Spacek spielte er in 'Coal Miners Daughter' und neben Sam Shepard in 'The Right Stuff'. Auch Rick Danko und Garth Hudson arbeiteten weiter im Plattenstudio, während Richard Manuel am meisten unter der Trennung litt und so recht kein Ziel mehr im Leben fand. Tragischerweise setzte er nur wenige Wochen nach Beginn einer The Band Comeback-Tour (ohne Robertson) am 4. März 1986 seinem Leben durch Selbstmord ein Ende. Es war auch das zweite vorläufige Ende von The Band.

Auslöser für die zweite Band-Reunion war wohl das 30-jährige Plattenjubiläum von Bob Dylan 1992 im Madison Square Garden. Hudson, Helm und Danko schlossen sich nun mit dem Gitarristen Jim Weider, dem schlagzeuger Randy Cialante und dem Pianisten Richard Bell zu einer neuen Formation unter dem Namen The Band zusammen. Mit "Jericho" (1993), "High On The Hog2 (1996) und "Jubilation" (1998) veröffentlichte diese Gruppe dann noch drei Alben, die eindrucksvoll durch jede Rille Americana atmeten, die zeigten, welch stilsichere und spielfreudige amerikanische Musikanten da am Werk waren. Doch auch diese Reunion endete tragisch. 1999 verstarb Rick Danko, deutlich sichtbar vom Drogenkonsum gezeichnet, den er zuletzt nicht mehr in den Griff bekommen hatte. Das Kapitel The Ban“ war damit endgültig beendet und "Jubilation" geriet dadurch zum Schwanengesang. Während Robbie Robertson später hauptsächlich als Produzent, Talent-Scout und Repräsentant in der Plattenindustrie tätig wurde
, kümmerte er sich daneben weiterhin um die Situation der nordamerikanischen Indianer und versuchte, auf deren zum Teil prekäre Lage aufmerksam zu machen. Garth Hudson blieb als Studiomusiker aktiv, hatte 2001 seine erste Soloplatte veröffentlicht und danach auch eine Liveplatte mit seiner Frau Maud. Daneben erteilte er auch Musikunterricht.

Levon Helm genoss wahrscheinlich die stärkste öffentliche Präsenz. Nachdem er 1996 an Kehlkopfkrebs erkrankte, verlor er seine Stimme. Doch es gelang ihm, die Krankheit zu besiegen und das Singen wieder zu lernen. Umso eindrucksvoller geriet 2007 sein Comeback mit dem Album "Dirt Farmer", einer Hommage an seine Heimat Arkansas mit viel Country, Folk und Old Time Music. Die Platte bekam einen Grammy für das beste traditionelle Folk-Album. Zudem hatte er in seinem Wohnort Woodstock ein Plattenstudio und einen kleinen Konzertraum errichtet, in welchem er befreundete Musiker zu gemeinsamen Sessions vor Publikum einlud, den sogenannten 'Midnight Rambles'. Und er war weiterhin immer wieder live unterwegs, zu seiner Tourband gehörten unter anderem seine Tochter Amy sowie Larry Campbell, der jahrelang mit Bob Dylan getourt war. Auch das Filmen konnte er nicht lassen, so wirkte er 2005 in 'Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada', 2007 in 'Shooter' und zuletzt 'In The Electric Mist' (2008) mit. Unter dem Strich hatten The Band und jeder Einzelne von ihnen Grossartiges für die amerikanische Populärmusik geleistet. Sie hatten den Rock der 60er Jahre mit Country-Einflüssen geerdet und alle musikalischen Traditionslinien immer wieder gebündelt. Es war keine Übertreibung, sie als die Urväter des Americana zu bezeichnen.






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