Jan 24, 2018


PETER TOSH - Mama Africa (EMI Records RDC 2005, 1983)

Die Aufnahmen zum fünften und zugleich letzten noch zu Lebzeiten des Musikers Peter Tosh veröffentlichten Album, das gleichzeitig auch sein erfolgreichstes war, begannen im Jahre 1982. Zu dem Zeitpunkt war Tosh längst eine Legende und hatte sich als zweitpopulärster Reggae-Musiker weltweit hinter Bob Marley profiliert. Der Reggaemusiker Joe Higgs brachte Tosh das Gitarrespielen bei. Von ihm stammte auch der Spitzname 'Stepping Razor', der auf Tosh's hitziges Temperament hindeutete. Durch ihn lernte Peter Tosh Anfang der 60er Jahre Bob Marley und Neville O'Reilly Livingston (alias Bunny Wailer) kennen, die zusammen mit ihren Familien aus dem kleinen Dorf Nine Miles nach Kingston gezogen waren. Zusammen gründeten sie mit Franklin Delano Alexander Braithwaite (alias Junior Braithwaite) und den Backgroundsängerinnen Beverley Kelso und Cherry Smith im Jahre 1963 die Band The Wailers (später auch The Wailing Wailers). Zuvor hatte die Band bereits unter vielen anderen Namen gespielt, darunter The Wailing Rudeboys und The Teenagers. Angetrieben von Higgs arbeiteten die Wailers recht fleissig an Arrangements. Von ihm angespornt, landeten sie schliesslich Ende 1963 für einen Vorsing-Termin bei Clement Seymour "Sir Coxsone" Dodd in dessen Studio One. Das Resultat waren etliche erfolgreiche Veröffentlichungen auf Studio One Records, wie das erste Lied, das Tosh sang, "Hoot Nanny Hoot" oder "One Love". Im Februar 1964 landeten The Wailers mit Simmer Down sogar einen Nummer 1 Hit in Jamaika (dieser allerdings noch im Ska-Stil). Viele bekannte Lieder folgten, bis Junior Braithwaite und die beiden Backgroundsängerinnen im Jahre 1965 The Wailers verliessen. Aus diesem Grund brachen The Wailers auch bald mit dem Label von Clement Dodd und kamen bei dem Label von Rainford Hugh "Lee Scratch" Perry, Upsetter Records, unter Vertrag. Obwohl sich auch diese Zusammenarbeit nicht finanziell auszahlte, brachte sie aber alle drei musikalisch immens weiter, und so bleiben The Wailers die erfolgreichste Gruppe der Insel.

Im Jahre 1970 stiessen zwei neue Musiker zur Band: Die Brüder Aston Francis "Family Man" Barrett und Carlton Lloyd "Carlie" Barrett, die als Bassist, beziehungsweise als Schlagzeuger fungierten. In dieser Zeit veränderte sich auch die bis dahin vom Ska dominierte Musik über Rock-Steady hin zu dem, was als Roots-Reggae in die Musikgeschichte einging. Die gemeinsamen Wege mit Perry trennten sich im Jahre 1972. The Wailers unterzeichneten bei dem Engländer Chris Blackwell und bei seinem Label Island Records einen Vertrag. Zu dieser Zeit hatten sie bereits ihr eigenes Label, das sie Tuff Gong nannten, gegründet. Das Studio richteten sie auf der Hope Road 56 in dem Haus von Bob Marley ein. Am 13. April 1973 erschien das Album "Catch A Fire", eine der ersten Roots Reggae-Arbeiten und hob den Reggae damit auf eine komplett neue Ebene. Lieder wie "Trenchtown Rock", "Stir It Up" oder die von Peter Tosh und Bob Marley gemeinsam komponierte Nummer "Get Up, Stand Up" machten die Wailers danach zu weltweit bekannten Musikern. Mit wachsendem internationalen Erfolg steigerten sich jedoch auch die Spannungen innerhalb der Gruppe. Insbesondere Tosh traute Blackwell nicht und bemerkte zudem, dass Marley immer mehr zum grossen Star avancierte, während die anderen Wailers in seinem Schatten standen. Die Hervorhebung von Marley führte später auch zu der Umbenennung der Band in Bob Marley And The Wailing Wailers. Nachdem Tosh und Livingston auf dem Album "Burnin’" überwiegend nur noch als Backgroundsänger auftreten durften, kam es zu unüberbrückbaren Zerwürfnissen, die im Jahre 1974 zur Trennung führten. Tosh verliess die Band.

Nach der Genesung von einem Autounfall unterzeichnete er einen Plattenvertrag bei Capitol Records und startete seine Solokarriere. Er arbeitete mit anderen Musikern zusammen und gründete schliesslich gemeinsam mit dem Schlagzeuger Lowell "Sly" Dunbar und dem Bassisten Robert Shakespeare die Band Word, Sound And Power. Gemeinsam nahmen sie alte Lieder wie "Downpressor Man" neu auf. Drei Jahre darauf, im Jahre 1976, kam es zur ersten Albumveröffentlichung: "Legalize It" hiess das Werk, in dem sie die Legalisierung von Marihuana forderten. Im Jahre 1977 erschien mit "Equal Rights" ein weiterer Roots Reggae-Longplayer, gespickt mit aufrührerischen Inhalten. Thematisiert wurden neben der Apartheidpolitik Südafrikas ebenso der Rassismus im Allgemeinen, dem Tosh den Appell an die afrikanische Einheit und das Aufbegehren gegen politische Missstände ("Get Up, Stand Up") entgegensetzte.

Kurz nachdem das Album veröffentlicht wurde, trat Tosh mit seiner Word Sound And Power Band neben vielen anderen Künstlern bei dem One Love Peace Concert am 22. April 1978 in Kingston auf. Dort tadelte er Ministerpräsident Michael Norman Manley und Oppositionsführer Edward Philip George Seaga für deren Untätigkeit in Bezug auf Hilfe für die armen Bevölkerungsschichten und rief gleichzeitig dazu auf, Marihuana zu legalisieren. Ausserdem attackierte er das "Shitstem" (eine Rasta-Bezeichnung für "System"), welches seiner Meinung nach dazu benutzt werde, die Schwarzen in der ehemals englischen Kolonie Jamaika zu unterdrücken. Auf diese Aussagen hin liess die Jamaica Constabulary Force ihn wegen Drogenbesitzes inhaftieren. In Haft wurde er von mehreren Polizisten verprügelt. Als er wieder freikam, unterzeichnete Peter Tosh bei dem Plattenlabel der Rolling Stones, nachdem Mick Jagger Tosh's Auftritt auf dem One Love Peace Concert gesehen hatte. Während dieser Zusammenarbeit veröffentlichte Tosh drei Alben. Das erste, betitelt "Bush Doctor", wurde im Jahre 1978 veröffentlicht. Auf diesem Album sang er unter anderem ein Duett mit Mick Jagger, ("You Gotta Walk) Don’t Look Back". Danach spielte er auf der US-Tour der Rolling Stones auf deren Eröffnungskonzert, bevor er die Arbeit an den Alben "Mystic Man" von 1979 und "Wanted Dread And Alive" von 1981 begann. Für letzteres Album nahm er auch ein Lied auf, dessen ursprüngliche, von Bob Marley für den holländischen Produzenten Ted Pouder gesungene Originalversion die Inspiration für das Lied "Fools Die (For Want of Wisdom)" wurde.

Im Jahre 1983 erschien dann das fünfte und letzte Album "Mama Africa", auf dem auch die Coverversion "Johnny B. Goode" von Chuck Berry enthalten war. Zu dieser Zeit war Peter Tosh längst auf der ganzen Welt bekannt und seine Popularität gross. Anfang September 1987 wurde das Album "No Nuclear War" veröffentlicht, und es war geplant, auf das Album eine ausgedehnte Tournee folgen zu lassen. Dazu kam es leider nicht mehr, denn Peter Tosh wurde am 11. September 1987 in seinem Haus von einer dreiköpfigen Motorrad-Gang überfallen, die von ihm Geld haben wollten. Als er sagte, er hätte kein Geld im Haus, erschossen sie ihn. Das Album "No Nuclear War" wurde posthum veröffentlicht, war sehr erfolgreich und wurde am 2. März 1988 mit dem Grammy in der Kategorie Beste Reggae Aufnahme ausgezeichnet.

Zurück zum Album "Mama Africa": Wie man sich anhand des Albumtitels schon denken kann, nahm der afrikanische Kontinent samt seiner musikalischen Kultur auf diesem Album einen wichtigen Platz ein. Im ersten und längsten Stück "Mama Africa" besang Peter Tosh Afrika als seine Mutter, die voller Schönheit und Reichtum sei und die er suchen und finden würde, auch wenn man sie jetzt noch vor ihm versteckt hielte. Dazu passend erinnerte auch die Melodie, besonders durch die Gitarre und die eingesetzten Perkussionsinstrumente an afrikanische Musik. Im Stück "Not Gonna Give It Up" ging es dagegen ungeschönt um die unvergleichliche Armut in Afrika, die eine Schande sei angesichts der Reichtümer, die der Kontinent zu bieten habe. Die Afrikaner wurden indirekt aufgefordert, nicht mehr länger zu warten, sondern für ihre Freiheit zu kämpfen. Und angesichts der Fortschritte, aber auch der Rückschläge, die der afrikanische Kontinent seit Erscheinen des Albums erlebt hat, hat dieses Lied noch immer seine Berechtigung. Dann waren auf dem hervorragend produzierten Album auch noch ein paar Neuaufnahmen älterer Songs zu finden, so etwa "Stop The Train" und "Maga Dog", die Peter Tosh bereits in den 60er und 70er Jahren mit den Wailers zusammen aufgenommen hatte. Und "Johnny B. Goode" wohnte plötzlich nicht mehr in New Orleans, sondern in Mandeville, und spielte auf seiner Gitarre Reggae statt Rock'n'Roll. Das ging weit über das blosse Nachspielen hinaus und klang einfach unfassbar cool.

1984 ertönte die Chuck Berry-Nummer "Johnny B. Goode" in Zosh's Version überall am Radio, in Diskotheken aus vobeifahrenden Autos. Es war eine wundervoll groovige, sehr gelungene Version des Rock'n'Roll Klassikers. Doch lockte Peter wie so oft auch Reggae unerfahrene Hörer, die dann auf dem Album mehr und tiefere Reggae Songs zu hören bekamen. Das Beste an "Mama Africa" ist aber, dass auf dem Werk die Songs den meisten Musikfans gefallen hat, weil es bewusst auch die westliche Musikkultur widerspiegelte. Verantwortlich dafür war einerseits der tolle Sound der Band und die klare, weiträumig, ja geradezu audophile Klangqualität der Platte. Ausserdem waren hier gute Melodien mit relaxtem, klar verständlichem Gesang verbunden. Wie so oft begeisterte Tosh mit seinen Wortspielereien. Auf "Peace Treaty" etwa, wo aus Kingston City plötzlich "Killl Some Shitty" wird: "I said it wouldn't worky worky in a the shitty shitty Killsome City". Auch die Nummer "Glass House" bot eine deutliche Textprovokation: "If You Live In A Glass House, Don't Throw Stones". Höhepunkt aber war die sich über knapp 8 Minuten ausbreitende Ode an das 'Motherland' "Mama Africa". Peter Tosh selbst sagte damals über "Mama Africa": "Ich kann meine Augen schliessen und sehe das Pferd ("Mama Africa") durch's Ziel rennen. Der Musiker wusste, er hatte nach 3 Jahren Pause sein selbst produziertes Meisterwerk geschaffen. Und indem er bei seinen ureigensten Wurzeln angelangt war, hatte er damit vielleicht auch sein Ende vorausgeahnt, wer weiss.

Peter Tosh's Sohn, Andrew McIntosh, wurde ebenfalls Reggae-Musiker. 2004 veröffentlichte er das Album "Andrew Sings Tosh: He Never Died", in dem er an seinen Vater erinnerte. Am 6. Juni 2003 erschien das Best Of Album von Peter Tosh "The Best Of Peter Tosh 1978–1987". Auf dem Plattencover befand sich eine Signatur von ihm: 'Wolde Semayat', sein äthiopischer Name, der so viel wie 'Sohn des Donners' bedeutet. Im Jahr 2012 wurde Tosh posthum mit dem 'Order of Merit' ausgezeichnet, dem dritthöchsten jamaikanischen Verdienstorden.





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