NEIL ARDLEY - Kaleidoscope Of Rainbows (Gull Records GULP 1018, 1976)
Neil Ardley zeichnete sich in zwei völlig verschiedenen Berufen aus: als Jazz-Komponist und Autor von informativen Büchern für junge Leute; In seiner früheren Rolle als Komponist schrieb und nahm er so gefeierte Alben wie "Le Déjeuner Sur l'Herbe" und "Kaleidoscope Of Rainbows" auf, während er in letzterem mehr als 10 Millionen Bücher weltweit verkaufte. Ardleys grosser Beitrag zum Jazz kam mit der Umgestaltung des grossen Ensembles, vom etablierten Big Band-Format zum flexibleren Jazz-Orchester. Dabei folgte er dem Muster des amerikanischen Komponisten Gil Evans, entwickelte aber bald einen eigenen, höchst eigenständigen Ansatz. In ähnlicher Weise wie auch Evans, entwickelte er eine Art musikalische Information zu präsentieren, in welcher Worte und akustische Illustrationen eine fliessende und dynamische Einheit bildeten. Neil Richard Ardley wurde am 26. Mai 1937 in Carshalton, Surrey, geboren. Er besuchte die Wallington Grammar School und die Bristol University, wo er einen Abschluss in Chemie machte. Er lernte das Klavierspiel ab dem 13. Lebensjahr und spielte während des Studiums in Jazzgruppen, wo er auch kurz das Saxophon übernahm. 1960 zog Ardley nach London, spielte Klavier in der John Williams Big Band und studierte Arrangement und Komposition bei Ray Premru und Bill Russo.
1964 übernahm er die Leitung der Big Band des Baritonsaxophonisten Clive Burrows, nachdem sein Anführer sich der Popgruppe Alan Price Set angeschlossen hatte. Die Band wurde in New Jazz Orchestra (NJO) umbenannt, um sowohl ihren innovativen Ansatz als auch die Jugend ihrer Mitglieder widerzuspiegeln. Ihr Durchschnittsalter lag bei gerade mal 23 Jahren. Das erste Album der Band, "Western Reunion", das im Jahre 1965 erschien, enthüllte Ardleys unverwechselbaren Sound bereits verstörend und faszinierend zugleich in einer ersten embryonalen Form. Vor allem seine Komposition "Shades Of Blue" sollte ein erster markanter Richtungshinweis darstellen für seine kommenden Werke und Projekte. Zu dieser Zeit war Ardley auch der Redaktion der World Book Encyclopedia beigetreten und später nach Hamlyn gezogen, bevor er 1968 freiberuflich tätig wurde, um sich mehr der Musik zu widmen.
Im selben Jahr nahm das NJO sein zweites Album "Le Déjeuner Sur l'Herbe" für das bekannte Jazzlabel Verve Records auf. Dies zeigte Ardleys Konzept bereits vollständig entwickelt: Anstelle der fünf Saxophone der traditionellen Big Band präsentierte das Album eine Gruppe von vier Spielern, die Saxophone, Klarinetten, Flöten und Bassklarinette einsetzten. Das Orchester umfasste auch Französisch Horn, Tuba, Vibraphon und andere unkonventionelle Elemente. Die Vielfalt an Klang und Textur, die Ardley mit diesen Kräften erzeugte, blieb bis heute unübertroffen. In den frühen 70er Jahren wechselte Ardley allmählich vom Komponieren zum Schreiben, seine schriftstellerisch bevorzugten Hauptthemen waren Naturgeschichte (vor allem Vögel), Wissenschaft und Technik, allerdings auch die Musik. Es gab wenige Schulbibliotheken in diesem Jahrzehnt ohne mindestens eine Kopie seiner Bücher 'Atoms and Energy', publiziert im Jahre 1975, 'Die erstaunlichen Welt der Maschinen', erschienen 1977 oder 'Man And Space' von 1978. Das gleiche galt später für seine 'World Of Tomorrow'- und 'Action Science'-Reihe.
In der Zwischenzeit wurde Ardley dem Plattenproduzenten Denis Preston vorgestellt, der die Lansdowne Studios in West-London besass und grosse Erfolge mit Aufnahmen populärer Jazz-Künstler wie Acker Bilk feiern konnte, nachdem er festgestellt hatte, dass das New Jazz Orchestra sich musikalisch zu sehr abgrenzte. Er bot Ardley daher seine professionelle und finanzielle Unterstützung bei zukünftigen Aufnahmen an. Es folgten Ardleys bisher abenteuerlichste Werke, "The Greek Variations" (1969) und "A Symphony Of Amaranths" (1971). Diese erforderten viel grössere instrumentale Ressourcen als das New Jazz Orchestra, einschliesslich Streicher, orchestraler Holzbläser und Harfe, obwohl viele wichtige NJO Mitglieder weiterhin prominente Rollen spielten, darunter etwa der Trompeter Ian Carr (zu jener Zeit mit seiner eigenen Band Nucleus ebenfallls unterwegs), oder auch der renommierte Schlagzeuger John Hiseman (Colosseum), die Saxophonisten Barbara Thomson, Dave Gelly und Don Rendell und der Vibraphonist Frank Ricotti.
Das Album "A Symphony Of Amaranths" stellte den Höhepunkt von Ardleys Arbeit im Jazz-Idiom dar, mit Vertonungen von Gedichten von Yeats, Joyce und Carroll und einer Version von Edward Lears "Dong With The Luminous Nose", vorgetragen von Ivor Cutler. Ab diesem Zeitpunkt wandte sich Ardleys Interesse zunehmend dem Einsatz von Elektronik in der Musik zu. "Kaleidoscope of Rainbows", das Album, dessen Entstehungszeit ganze zwei Jahre von 1973 bis 1975 in Anspruch nahm und "Harmony Of The Spheres" von 1978, die Elektronik mit Live-Auftritten kombinierten, waren beide Hauptwerke und bemerkenswert fortgeschritten für ihre Zeit. Doch die boomende Plattenindustrie, deren enorme Gewinne mit anderen, kommerziell erfolgreichen Künstlern und Bands derart aufwendige und kostspielige Produktionen wie jene von Neil Ardley überhaupt erst möglich machten, gerieten schnell in Verfall, und Ardley fand sich schliesslich ohne einen Plattenvertrag wieder.
Glücklicherweise brachten die 80er Jahre grosse Fortschritte in der Verlagstechnologie, wodurch das Buchdesign flexibler und abenteuerlicher wurde. Ardley widmete sich nun hauptsächlich dem Schreiben und knüpfte eine enge Beziehung zum neuen britischen Verlag Dorling Kindersley. 1988 produzierte er in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Illustrator David Macaulay sein meistverkauftes Buch 'How Things Work'. Dieser bemerkenswerte Band, der das gewaltige Versprechen seines Titels erfüllte, indem er das Wie und Warum von praktisch allem, was sich bewegt, erklärte, gewann sowohl den 'Times Senior Information Book Award' als auch den 'Science Book Prize' 1989. Sein weltweiter Umsatz alleine mit diesem Buchtitel betrug drei Millionen britische Pfund.
Zu Ardleys musikalischer Haupttätigkeit gehörte damals Zyklus, ein elektronisches Jazz-Projekt, dessen CD "Virtual Realities" 1991 erschien. Seine letzte Jazz-Komposition war "On The Four Winds", die 1995 von New Perspectives für den britischen Sender 'Radio Three' aufgeführt wurde. Danach, nachdem er sich einer Reihe von Chören in der Nähe seines Heims in Derbyshire angeschlossen hatte, widmete sich Ardley dem Komponieren von Vokalmusik. Seine "Schöpfungsmesse" wurde 2001 fertiggestellt und aufgeführt und "The Dark Wood" - bisher noch nicht aufgeführt - wurde 2002 fertiggestellt. Ardley zog sich im Jahr 2000 vom aktiven Schreiben zurück; sein letztes Buch 'Energy And Forces' wurde 2002 beim Verlag Oxford University Press veröffentlicht. Neil Ardley war zweimal verheiratet; seine Frau und seine frühere Frau überlebten ihn ebenso wie eine Tochter aus erster Ehe.
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