RIVERSIDE - Eye Of The Soundscape (Inside Out Music IOMLP 465, 2016)
Die polnische Progressive Rock Institution Riverside feierte mit ihrem im September 2015 veröffentlichten Album "Love, Fear And The Time Machine" große Erfolge und stürmten die Hitparade in ihrer Heimat bis zur Spitzenposition, und auch in Holland gelang der Band mit diesem Werk ein Top 5 Hit. In Deutschland erreichte das Werk die Top 20 und in vielen weiteren Ländern wie der Schweiz, in Österreich, Belgien, Finnland, Frankreich, England und den USA konnten Riverside damit grossen Erfolg feiern. Zudem hatten die beiden Vorgängerwerke von Riverside in Polen bereits Goldauszeichnungen erlangt und die Band galt inzwischen weltweit als feste Grösse im Progressive Rock. Doch all diese Triumphe ihrer im Jahre 2001 gestarteten Karriere verblassten jäh, als Anfang 2016 der Gitarrist und Gründer Piotr Grudzinski verstarb. Wie sollte es danach weitergehen, das wurde zur zentralen Frage, denn der typische Sound von Riverside wurde von dem Gitarristen massgeblich mitgeprägt. Die Band reagierte im März 2016, einen Monat nach seinem Tod und gab bekannt, an ihren noch zu Piotrs Lebzeiten getroffenen Veröffentlichungsplänen festzuhalten. So erschien schliesslich am 21. Oktober 2016 mit "Eye Of The Soundscape" ein opulentes, instrumentales Album, das einerseits bisherige Bonustracks von älteren Alben sowie vier neue Stücke umfasste. Aufgrund einer Spielzeit von über 100 Minuten, erschien "Eye Of The Soundscape" als Doppel-CD sowie als Dreifach-LP.
Dieses Album geriet musikalisch ganz anders als ihre Vorgänger, das konnte man auch sofort hören. Nach dem überraschenden Tod von Gitarrist Piotr Grudzinski, der an Herzversagen starb, hätte auch das Ende der Band Riverside besiegelt sein können. Nach einer Bedenkphase entschloss sich Mastermind Mariusz Duda jedoch, das Werk Riverside weiterzuführen. Allerdings, so hatte es der Sänger im Kopf, vielleicht nicht mehr in der gleichen Art und Weise, wie dies auf den letzten fünf regulären Studioalben zu hören gewesen war. Mariusz Duda sagte hierzu selbst, dass er irgendwie das Gefühl hatte, dass das sechste Riverside Album das letzte Kapitel einer Geschichte sein könnte. Dass die folgenden Veröffentlichungen anders klingen würden, einen anderen Charakter erhalten würden. Und diese Umschreibung traf bei "Eye Of The Soundscape" denn auch genau ins Schwarze, denn vom progressiven und düster-metallischen Ton der Gruppe war hier kaum mehr etwas zu hören. Was den Hörer indes erwartete, war fast ausschliesslich elektronische Musik, perfekter Ambient Sound in farbenfrohem Gewand. Es war immer schwierig, komplett ohne Gesang gehaltene Alben zu veröffentlichen, da diese häufig langweilig zu werden drohen, aber bei "Eye Of The Soundcape" liess einen die Stimmung nicht in den Schlaf driften, sondern nahm den Hörer seltsam gefangen. Über fast zehn Jahre hatte die Band an den hier zu hörenden Stücken gesammelt, gewerkelt, gefeilt. Teils handelte es sich um Bonus-Tracks älterer Platten, aber auch um vier neue Stücke, die zusammen mit der nur in Polen veröffentlichten Single "Rainbow Trip" auf über hundert Minuten experimenteller, höchst - aber nicht nur - elektronischer Musik kamen.
Gerade Musik-Begeisterte, die bisher mit der Musik von Riverside nichts anfangen konnten, sollten sich dieses Doppelalbum unbedingt zu Gemüte führen. Mit den eher traurigen Solosachen von Mariusz Duda alias Lunatic Soul hatte das hier Präsentierte ebenfalls nichts zu tun. Ich persönlich hätte nicht gedacht, dass mich Musik mit dem Label 'Ambient' einmal so nachhaltig begeistern könnte, denn zu oft sind solche Projekte, wenn sie denn mal nicht von Brian Eno oder anderen - sehr oft deutschen - klassischen Vertretern, respektive Pionieren dieses musikalischen Gebiets stammen, eher schnell einmal langweilig oder driften in esoterische Belanglosigkeiten ab. Ich wurde im Falle dieses Riverside-Werks indes eines besseren belehrt. Gerade im Hinblick darauf, dass es nicht sicher zu sein schien, in welche musikalische Richtung die Band in der Zukunft würde gehen wollen, kam ein Werk wie "Eye Of The Soundscape" als zumindest eine unglaublich hörenswerte Zwischennote daher, die ebenso faszinierend wie ungewöhnlich wirkte.
Das sechste Riverside-Album präsentierte sich wie das letzte Kapitel einer Story. Zukünftige Alben könnten durchaus anders klingen, einen anderen Charakter haben. Inoffiziell nannte Mariusz Duda die letzten drei Riverside Alben "The Crowd Trilogy". Bevor die Band mit einem neuen Kapitel (und vielleicht einer neuen Trilogie) beginnen wollte, hatte er die Idee, eine Art Begleit-Album zu machen. Ein 'Zwischen-Album'. Ein Album, das Riverside immer aufnehmen wollten. Über Jahre hatten die Musiker eine Menge Material angesammelt, von welchem einiges auf Bonus-CDs veröffentlicht wurde. Duda wusste, dass viele Riverside Hörer diese Stücke noch nicht gehört hatten und daher auch vielleicht nicht wussten, dass Riverside von Anfang an mit Ambient und progressiver Elektro-Musik experimentiert hatten. Und das war immer Teil der musikalischen Riverside-DNA. Also hatte er dem Rest der Band diese Idee vorgeschlagen und die Entscheidung war einstimmig: Riverside entschieden, eine Zusammenfassung all ihrer Instrumental-Stücke und Ambient-Songs zu machen und diese auf einem separaten Werk zu veröffentlichen. Einige dieser Songs würden neu abgemischt werden, damit sie besser klingen, und natürlich würden Riverside auch einige ganz neue Kompositionen präsentieren.
Und genau das war "EyeOf The Soundscape" denn am Ende auch geworden. Das Werk enthielt die fünf "Day Sessions" Songs, die Riverside auf der "Love, Fear And The Time Machine" Bonus-CD erstmals präsentiert hatten ("Heavenland", "Return", "Aether", "Machines" und "Promise"). Dazu kamen beide "Night Sessions"-Tracks von der Bonus-CD von "Shrine Of New Generation Slaves", ein neuer Remix des Songs "Rapid Eye Movement", der auf der Bonus-CD zum gleichnamigen Album und auf der "Schizophrenic Prayer" EP enthalten war. Im weiteren legten Riverside einen neuen Remix des Songs "Rainbow Trip" vor, der ebenfalls auf der "Schizophrenic Prayer" EP enthalten war und zur Vervollständigung dieses Werks auch vier brandneue Songs: "Where The River Flows", "Shine", "Sleepwalkers" und "Eye Of The Soundscape". Bei allen Songs handelte es sich also, wie zuvor schon erwähnt, um instrumentale Stücke, ausser einigen sogenannten Singsang- und Summ-Passagen von Mariusz Duda war also kein Gesang vorhanden. Gerade das stellte ein Novum in der Veröffentlichungs-Historie der Band dar. Die Tatsache, dass es sich bei "Eye Of The Soundscape" um ein rein instrumentales Album handelt, führte natürlich dazu, dass sich der sogenannte 'Ambient'-Charakter des Werks noch viel stärker und damit konsequenter hör- und fühlbar machte.
"Eye Of The Soundscape" war selbstverständlich dem Riverside-Gitarristen Piotr Grudzinski gewidmet, der am 21. Februar 2016 im Alter von 40 Jahren durch plötzlichen Herzstillstand verstorben war. Zudem war Mariusz Duda's Vater im Mai 2016 ebenfalls verstorben. Monatelang war nicht sicher, wie es um die Zukunft der Band Riverside bestellt zu sein schien. Doch glücklicherweise hatte Mariusz Duda letztlich verlauten lassen, dass die Band Mitte November 2016 ihre Biographie unter dem Titel 'High Resolution Dream' vorerst nur in polnischer Sprache veröffentlichen würde und die Gruppe ab Ende Februar 2017 auch wieder auf Tournee gehen würde. Im Frühjahr 2017 wurde dann das fünfte Lunatic Soul-Album veröffentlicht, welches laut Duda das emotionalste der Alben werden sollte. "Eye Of The Soundscape" trug den Zuhörer in abwechslungsreiche, atmosphärische und filigrane Klangwelten und überraschte sowohl die langjährigen Fans der Gruppe, wie auch die Musikkritiker rund um den Globus.
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