Mar 3, 2017


CAROL GRIMES - Warm Blood (Caroline Records CA 2001, 1974)

Carol Ann Grimes, geboren am April 1944 in Lewisham, London, ist eine britische Sängerin und Songwriterin, die auch im Bereich des Bluesrock und des Jazz hervorgetreten ist. Grimes war zunächst als Strassenmusikerin tätig. Sie trat dabei mit zahlreichen Gitarristen, Sängern und Mundharmonikaspielern auf, bevor sie ihre erste eigene Band RACE gründete, die in der Folge auch anderen, mehr oder weniger populären Bluesmusikern als Begleitgruppe zur Seite stand und auch auf dem europäischen Festland tourte. Ihr erstes Album nahm Carol Grimes dann mit der Band DELIVERY auf, der sie von 1969 bis 1971 angehörte. DELIVERY war eine typischerweise ausserordentlich britisch klingende Bluesrock- und Progressive Rock-Band, die stilistisch damit dem angesagten Trend folgte, wonach zahlreiche im Blues verwurzelte Bands den Sprung in die anspruchsvolle und/oder Underground-inspirierte Rockmusik wagten. Sie wurde in den späten 60er Jahren gegründet, verschiedene Bandmitglieder waren nach der Auflösung von DELIVERY in Bands der Canterbury-Szene aktiv. Ursprünglich gegründet von Gitarrist Phil Miller, seinem älteren Bruder, dem Pianisten Steve Miller, dem Schlagzeuger Pip Pyle und dem Bassisten Jack Monck unter dem Namen BRUNOS BLUES BAND, bestritt die Gruppe mehrere Jahre lang Konzerte im Raum London. 1968 trat der experimentelle Saxophonist Lol Coxhill der Gruppe bei, und der Bandname wechselte zu STEVE MILLER'S DELIVERY, der übersetzt Steve Miller's Botschaft bedeutete.

1969 schloss sich die Band mit Carol Grimes zusammen, und Bassist Roy Babbington ersetzte Monck. Diese Besetzung nahm 1970 ein Album auf: "Fools Meeting". Obwohl die Sängerin Carol Grimes als einfaches Bandmitglied angesehen werden wollte, veröffentlichte die Plattenfirma das Album unter "Carol Grimes And Delivery". 1971 verliess Pip Pyle die Band und wurde zunächst für einige Zeit Mitglied von GONG, seine Stelle nahm der Schlagzeuger Laurie Allan ein. Kurz danach lösten sich DELIVERY jedoch auf. 1972 und 1973 kam es zwar noch zu zwei kurzen Wiedervereinigungen, allerdings wiederum mit unterschiedlichen Besetzungen, denen kein nachhaltiger Erfolg beschieden war.

1972 gründete Carol Grimes mit Dave Skinner die Band UNCLE DOG. Mitte der 70er Jahre nahm sie mit der Gruppe THE LONDON BOOGIE BAND ein Album in den USA auf. Fast gleichzeitig begann sie ihre Solokarriere mit den ersten Aufnahmen, die schliesslich in ihr Debutalbum "Warm Blood" mündeten. "Warm Blood" bestach durch eine Vielzahl an hervorragenden Kompositionen und war vor allem stilistisch aussergewöhnlich breit aufgestellt. Das Werk wurde auf dem kurz zuvor gegründeten neuen Plattenlabel Caroline Records veröffentlicht und stellte die allererste LP-Veröffentlichung dieses Label dar, das damals vom ebenfalls noch sehr jungen Label Virgin Records als Unterlabel für Midprice-Veröffentlichungen lanciert worden war. Caroline Records veröffentlichte in der Folge mehrere Alben, die später nachhaltig erfolgreich waren und von Acts präsentiert wurden, die noch nach Jahren oder gar Jahrzehnten populär oder zumindest über längere Zeit bekannt bleiben konnten, wie etwa die Gruppen GONG, EGG, GILGAMESH oder JABULA.

Carol Grimes scharte für ihr Debutalbum "Warm Blood" einige hochkarätige Musiker um sich, die zum damaligen Zeitpunkt sowohl selber, aber auch in musikalischen Projekten recht erfolgreich aufgestellt waren und entsprechend häufig und gerne auch als Studiomusiker gebucht wurden. Zu dieser erlesenen Musikerschar gehörte such der brilliante Gitarrist Mack Gayden, der mit seinen auswahlsicheren Arrangements punktgenaue Saitenarbeit lieferte, sei es an der akustischen oder an der elektrischen Gitarre oder am Banjo. Insgesamt zeichnete dieses Debutalbum gerade die musikalische Vielfalt aus, denn neben countryesken Nummern mit Banjo-Begleitung standen auch fiebrige, sumpfige Southern Soulrock-Nummern, die dann wiederum mit den herrlichen Bläsersätzen von Henry Lowther, Malcolm Duncan und Roger Ball brillierten. Dazu passte Carol Grimes' Stimme immer: Ob im glockenklaren Country-Song oder im lasziv-heissen Soulrock. Grimes' Stimme zeigte trotz allem relativ wenig Variantenreichtum, und trotzdem passte ihr Gesang bei jeder Nummer. Setzte sie mal zu rockiger Intensität an, klang sie zeitweise wie eine Janis Joplin ohne deren typischem Krächzen in der Stimme. Noch öfters erinnerte Grimes allerdings an die frühe Inga Rumpf, vor allem in den leicht bluesig gefärbten Nummern.

Noch zu den ausgewählten Musikern auf "Warm Blood": Als Gitarristen arbeiteten hier zwei Musiker, und zwar einerseits der durch etliche Slide-Einlagen glänzende Ron Cornelius, der sich zuvor bereits als Sideman von Bob Dylan und Leonard Cohen einen Namen gemacht hatte. Ausserdem der bereits erwähnte Mack Gayden (auch bekannt als McGavock Gayden), der in Diensten von Charlie McCoy's Truppe Area Code 615 stand, bei Pearl Before Swine, Barefoot Jerry und Alex Harvey spielte, sowie als Begleitmusiker für J.J. Cale tätig war. Der Alt- und Bariton-Saxophonist Roger Ball führte die Bläsersektion an. Ball galt als einer der herausragenden Saxophonisten jener Zeit, der bei sehr bekannten Acts spielte, so war er zum Beispiel eines der Gründungsmitglieder der Average White Band, er spielte aber auch bei Vinegar Joe, Mogul Thrash, Scaffold, den Stone The Crows und in der Begleitband von Bryan Ferry. Der Trompetenspieler Henry Lowther wiederum spielte bei John Mayall's Bluesbreakers und in den Bands von Mike Westbrook, Keef Hartley und Jack Bruce, arbeitete für die Gruppen CCS, Colosseum, Spiro Gyra, Caravan, Egg, Locomotive und viele weitere. Schliesslich der dritte Bläser: der Tenor-Saxophonist Malcolm Duncan: Auch er war Gründungsmitglied der Average White Band und spielte zusammen mit Roger Ball bei Vinegar Joe, Mogul Thrash, Scaffold, den Stone The Crows und in der Begleitband von Bryan Ferry.

Der Bassist Tommy Codbill, der Keyboarder Bob Wilson aus J.J. Cale's und Bob Dylan's Begleitband sowie der Schlagzeuger Kenny Buttrey, einer der meistgebuchten Studioschlagzeuger in der Countrymusik-Szene rundeten das illustre Line-Up auf durchgehend hohem musikalischen Niveau ab. In dieser phantastischen Besetzung gelang Carol Grimes ein aussergewöhnlich vielfältiges Album, das zu keinem Zeitpunkt irgendwie durchschnittlich wirkte, was vor allem auch an den hervorragenden Songs lag, die Carol Grimes praktisch im Alleingang komponiert und arrangiert hatte. Nun gesellten sich zu den einzelnen Stücken des Albums auch noch hochkarätige und sehr bekannte Gastmusiker, und die hatten's zum Teil echt in sich. Fangen wir beim ersten Song an: Auf "That's What It Takes" agierten der Sänger Graham Bell (Bell & Arc), der Keyboarder John "Rabbit" Bundrick (Mitglied bei Free) und Archie Leggett (aus Kevin Ayers' Band) als Gastmusiker, verliehen diesem Song einen dynamischen soulig-rockenden Basis-Sound und unterstützten die Begleitband von Carol Grimes perfekt. Beim zweiten Stück "High Hill Country Rain" setzte der Gastmusiker Gaspar Lawal entscheidende Akzente. Der schwarze Musiker spielte schon bei Babe Ruth's "Amar Caballero" Album seine afrikanischen Perkussionsinstrumente, ebenso wie bei Graham Bon's "Holy Magick"-Album. Das nachfolgende "Taxes On The Farmer" wurde durch das Dobro und die Steel Gitarre, gespielt von "Snazzy" Sam Mitchell veredelt. Mitchell spielte bereits bei der Band UNCLE DOG mit Carol Grimes zusammen und war ausserdem zu jener Zeit auch für Long John Baldry und Rod Stewart tätig.

Ein grosser Höhepunkt des Albums markierte der Titel "All For One" mit einem hervorragenden Tommy Eyre an der Orgel. Eyre war damals kurz zuvor mit seiner Band Riff Raff nach zwei offiziellen und wirklich hörenswerten Alben, aber leider nur wenig Resonanz gescheitert, spielte davor bei Mark-Almond und schloss sich später der Sensational Alex Harvey Band an. Alle Songs, die von Gastmusikern noch zusätzlich veredelt wurden, waren aber in erster Linie von Carol Grimes' aussergewöhnlich hellen und glasklaren Stimme dominiert. Es gab insgesamt keinen einzigen abfallenden Song auf dem Album, weshalb es für mich noch heute kaum nachvollziehbar ist, warum die Platte mehr oder weniger sang- und klanglos unterging in der Masse der Veröffentlichungen. Vielleicht fehlte dem Album begleitend eine zündende Single. Wenn man das Album aber im Gesamtkontext betrachtet, fehlt hier keineswegs ein allüberstrahlender möglicher Single-Hit. Alle Songs des Albums haben genügend Strahlkraft, um zu überzeugen.

Die zweite Seite des Albums bot dann mit dem Titelsong "Warm Blood" einen weiteren Höhepunkt. Bei diesem Stück sang der hervorragende Jess Roden mit, und auch hier war es wieder die warme, schöne Orgel von John "Rabbit" Bundrick, die dem Titel eine richtiggehende Grandezza verlieh. Der Soulklassiker "Somebody Sleeping In My Bed" (Buddy Guy) war eine weitere Steilvorlage für die Stimme Carol Grimes'. Hier lieferte Sam Mitchell ein tolles Gitarrensolo. Das abschliessende "Wait For Me Down By The River" war dann noch ein schöner, romantischer Countryschunkler zum Ende hin. Eine gemütliche Atmosphäre mit einer sehnsüchtig klingenden Harp, gespielt von Graham Bell, der auch als Sänger mit Carol Grimes zusammen duettierte. Alles in allem ein ebenso zeitloser wie musikalisch einnehmender Abschluss eines absolut fabelhaften Albums, das erst heute, 43 Jahre nach seiner Veröffentlichung, erstmals eine Neuauflage als CD erfahren hat.




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