SAILCAT - Motorcycle Mama (Elektra Records EKS-75029, 1972)
Die Gruppe SAILCAT aus Alabama veröffentlichte lediglich ein einziges Album und die Band feierte auch nur einen einzigen Hit. Beides trug den Titel "Motorcycle Mama". Der Song ist bis heute relativ bekannt geblieben, jedenfalls bekannter als das dazugehörige Album, das leider nur die Wenigsten jemals kennengelernt haben. Der Song "Motorcycle Mama" entwickelte sich nämlich über all die Jahre seit Erscheinen 1972 zu so etwas wie einem Dauerbrenner (einem sogenannten One Hit Wonder), welcher sich auf zahlreichen Samplern mit Musik der 70er Jahre teilweise bis heute wiederfindet. Die Gruppe SUGARCUBES hatte den Titel im Jahre 1990 auch einmal gecovert, und zwar für das von Elektra Records lancierte Musikprojekt "Rubaiyat". Das Stück steht für die sogenannte "Harley Davidson Romantik", denn der Song ist eine Hommage an das legendäre Motorrad. Nicht zuletzt auch deswegen behielt dieser Song bis heute einen relativ hohen Aktualitätswert. Was leider die meisten Musikhörer, denen dieses Stück vielleicht noch ein Begriff ist, nicht wissen ist, dass es sich bei dem dazugehörigen Album um alles andere als liebliche Moped-Romantik handelt. Die LP ist nämlich ein ganz toller Southern Rock Brocken der ersten Stunde, veröffentlicht zu einer Zeit, da dieser Musikstil gerade fröhliche Urstände feierte und von Protagonisten wie der Allman Brothers Band quasi lanciert wurde. Da die Band Sailcat sich diese fiebrige und rockige musikalische Ausrichtung von Anfang an auf die Brust geschrieben hatte, darf man im Grunde davon ausgehen, dass es sich beim Album "Motorcycle Mama" durchaus um eines der ersten echten Southern Rock Alben gehandelt hat.
Als wäre das nicht schon interessant genug, war auch der Aufbau der Platte bemerkenswert, denn die Grundidee, die sich in dem Song "Motorcycle Mama" manifestierte, zog sich durch praktisch alle Songs des Albums, sodass man eigentlich auch von einem richtigen Konzept-Album sprechen kann, das sich der Freiheit, der Highway-Romantik und damit verbunden ganz klar dem Motorrad gewidmet hatte. Davon zeugen alleine schon die Songtexte in Krachern wie beispielsweise "B.B. Gunn", "Rainbow Road", "Highway Rider/Highway Riff" oder "Walking Together Backwards", dem vielleicht tollsten Rocksong auf diesem Album, der mit seinen Twin Guitar Sounds schon das typische Erkennungsmerkmal des klassischen Southern Rocks aufwies, das später ausser den bereits erwähnten Allman Brothers vor allem Bands wie Molly Hatchet, 38 Special und Lynyrd Skynyrd als Hauptmerkmal dieses Musikstils ausgiebig zelebrierten.
Konträr zu dieser eigentlichen musikalischen Aufbruchstimmung, die das Album also markiert, steht die Karriere des Musikers hinter dieser LP. John Wyker war zwar als Musiker mit eigener Band ein Debütant, allerdings war er zum Zeitpunkt der Gründung von SAILCAT schon über eine Dekade hinter den Kulissen im Musikgeschäft tätig. Nicht zuletzt davon zeugt diese leider einzige Platte, denn sie vereint die verschiedensten musikalischen Einflüsse wie den variantenreichen Blues, die Countrymusik, den Rhythm'n'Blues, den klassischen Rock'n'Roll und sogar die uramerikanische Gospel-Musik zu einer mit grosser Kelle angerührten Rock-Suppe, die aufgrund dieser würzigen und vielseitigen Zutaten zu einem echten Genuss mit pfiffigen Geschmacksvariationen geworden ist.
Ende der 50er Jahre, als John Wyker ins Musikgeschäft einstieg, arbeitete er unter anderem mit dem Soulsänger Arthur Alexander, sowie dem Songschreiber Dan Penn zusammen. Ausserdem vermittelte er Engagements an Studiomusiker, die später unter dem weltberühmten Banner der Muscle Shoals Horns zu Top-Musiker mutieren sollten, die von den Grössten des Musikbusiness verpflichtet wurden. Seine ersten Gehversuche als Sänger und Gitarrist probte er in einer Amateurband zusammen mit dem Sänger John Townsend, der Jahre später als Teil des erfolgreichen Duos Sanford & Townsend Karriere machen sollte. Der Bassist Ed Pickett, sowie dessen jüngerer Bruder Court Pickett bildeten diese erste Band, die sich THE RUBBER BAND nannte und eine einzige Single mit dem Titel "Let Love Come Between Us" veröffentlichte. Die Single erwies sich als erfolglos, wurde 1967 jedoch vom Soul-Duo James & Bobby Purify gecovert und erreichte in dieser Version einen respektablen Rang 23 in den Pop-Charts, was den Ruf von John Wyker als Songschreiber zumindest festigte.
Gegen Ende der 60er Jahre formierte John Wyker dann eine weitere und ebenso erfolglose Band namens AMERICAN EAGLES, zusammen mit dem bereits legendären John "Buck" Wilkin, dem "Ronny" der legendären Surf-Band RONNY & THE DAYTONAS und einem jungen Pianisten namens Chuck Leavell, der gerade die High School verlassen hatte. Auch unter diesem Namen veröffentlichte Wyker lediglich eine einzige Single, und zwar das von Kris Kristofferson geschriebene "Me And Bobbie McGee". Zwar wurde das Stück ab und zu am Radio gespielt, allerdings verschwand es komplett, als kurze Zeit später eine gewisse Janis Joplin denselben Song als Single veröffentlichte und damit einen Nummer 1 Hit landete.
Anfang der 70er Jahre blieben mit John Wyker, dem Pianisten Chuck Leavell und Court Pickett drei Musiker übrig, die weiterhin zusammenarbeiteten, ohne als Band in Erscheinung zu treten. Stattdessen wurden nun zahlreiche Versuche unternommen, gute Songs zu schreiben, und diese entweder anderen Künstlern und Bands zur Verfügung zu stellen, oder aber selber in irgendeiner Form zu veröffentlichen. Mitte 1971 klopfte John Wyker mit einer repräsentativen Auswahl an eingespielten Songs im Gepäck, zusammen mit seinem Keyboarder Chuck Leavell bei verschiedenen Plattenfirmen an und landeten dabei bei einem Musikmanagement, das auch den Gitarristen Pete Carr betreute. Dieser steuerte schliesslich weitere hervorragende Gitarrenparts zu den Songs bei und in der Folge wurde Russ Miller, der Vizepräsident von Elektra Records, dem man die ganzen Songs zur Beurteilung vorgelegt hatte, kontaktiert. Dieser gab sofort grünes Licht und so konnte die Platte im Folgejahr veröffentlicht werden. Die Memphis Horns, der Geiger Scott Boyer (von der Band COWBOY), der Banjo-Spieler (später ebenfalls sehr erfolgreich) Tom Russell und der Keyboarder Clayton Ivey aus der Band von Clarence Carter waren weitere hochkarätige Mitspieler auf dem Album.
Das im Comic-Stil gehaltene Coverdesign der Platte steuerte der legendäre Illustrator Jack Davis bei, einer der Gründerväter des amerikanischen und später auch in Deutschland veröffenlichten Nonsens-Magazins "Mad". Davis lieferte auch Arbeiten zu Filmplakaten, etwa der Kinoproduktionen "Kelly's Heroes" oder - bei uns bekannter - den turbulenten Streifen "It's A Mad Mad Mad Mad World" ("Eine total, total, total verrückte Welt").
Neben dem Titelstück, das als Single ausgekoppelt wurde, gerieten auch die weiteren Songs der LP zu richtig guten Rocksongs mit klarer Southern Rock Prägung, aber auch mit vielfältigem Country-Einschlag, von denen sicherlich der Doppeltrack "Highway Rider/Highway Riff", sowie das coole "B.B. Gunn" die fettesten auf der Seite der Rocker sind, wohingegen die mit starkem Country-Feeling gewürzten Schunkler "If You Got A Daughter" und "It'll Been A Long Long Time" die gemütlichsten sind. Ob powermässig brettern oder gemütlich dahincruisen: Die Harley machte auf allen Songs dieses Albums zu jeder Zeit ein gutes Gesicht. Die beiden für mich eindeutig besten Tracks des Albums sind aber der Rocker "Walking Together Backwards" und das finale "On The Brigther Side Of It All", ein waschechter Gospelsong, der durchaus als den Biker allzeit beschützenden akustischen Begleiter verstanden werden kann. Hallelujah!
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