TOM NEWMAN - Fine Old Tom (Virgin Records V2022, 1975)
Wenn man sich mal die Artistenliste dieser einmaligen, wunderbar schrägen "Canterbury"-Scheibe von 1975 ansieht, kann das einem schon den Atem rauben. Als da mitspielen: Fred Frith, Mike Oldfield, David Duhig, Jon Field, Neil Innes, Mick Taylor, Chris Butler, Hughie Flint und und und...
Erstaunlich auch dieser musikalische Allround-Bastard, denn Tom Newman bewegt sich normalerweise ja eher auf der Folk-Schiene mit etwas Canterbury-Einschlag. Er war ja in etliche Projekte etwa von David Bedford miteinbezogen, und hat als Musiker ohne jedwelche Scheuklappen doch in einigen Musikstilen mitgemischt.
Fine Old Tom (das Debutalbum), ist für mich sein klar bestes Werk, weil man es stilistisch überhaupt nicht zuordnen kann. Interessante Songs schreibt er aber auf jeden Fall, und immer wieder schimmert auch eine gute Portion Humor, resp. Selbstironie durch. Allein, was Tom Newman hier an Ausgefallenem präsentiert, ist zum Teil noch heute einzigartig: Der „Pennywhistle Boogie“ beispielsweise. Den Song hat er mit Jon Field im Duo aufgenommen, und das ist ein waschechter Boogie mit einer Blockflöte als Leadinstrument. Tom Newman steuert auch das Gitarrensolo bei, und das ist völlig blues-untypisch gespielt, also nicht mit den bekannten Schemen genudelt. Wer mal einen Sampler mit ausgefallenem Blues aufnehmen möchte: Dieser Boogie müsste da unbedingt mit drauf.
„Alison Says“ ist wohl ursprünglich ein Kinderlied, jedenfalls hört es sich nach ganz üblem Kanon der Marke muffiges Klassenzimmer mit alternder gestrenger Pädagogik-Pomeranze im fassadenbröckelnden Schullandheim an. Lustig hier: Eine Dame, Suzie Shute, singt den „Choirboy“...hahaha.....“Suzie“ (dem „Choirboy“ gewidmet ?) ist eine wunderschöne Folkballade mit einer Besetzung, die auch nur schönste Musik verspricht: Fred Frith an der „Dring Dring Guitar“, Mike Oldfield an der „Little Twiddly Bit Guitar featuring Pretty Gaelic Tune over End“ und Chris Butler an den Drums. Am kernigsten klingen die Songs mit de Beteiligung von Hughie Flint an den Drums. Die rocken bisweilen ziemlich heftig und sehr sehr dreckig, wie z.B. „Nursery Ryme“ mit einer unglaublich dröhnenden Feedback Gitarren-Orgie, gespielt von David Duhig. Feine Folkverliebtheiten wie Will You be Mine in the Morning“ oder „She Said She Said“ (ein Song der Fab Four!) oder “Day of the Percherons” – das eigentlich schon fast ein urig britischer Standartenmarsch ist (leadgespielt von ein paar Blockflöten…hihihi….) faszinieren und lassen einen auch immer wieder schmunzeln. Bei diesem Marsch hört man Mick Taylor als strammen Backingsänger.....krude bis zum abwinken, sag ich Euch! Rock’n’Roll-Gehabe („Poor Bill“ gehört ebenso zu diesem „Nicht“-Konzept wie der verschrägjazzte Reggae „Superman“ mit Lol Coxhill am Saxophon und Neil Innes an der Orgel.
Natürlich ist das eine Platte jenseits jedwelcher Stil-Schubladen, und Tom Newman hat sich mit der Veröffentlichung dieser Platte (immerhin auf Virgin Records!) wohl auch kaum einen Gefallen getan, denn die Scheibe verkaufte sich äusserst schlecht. Doch die Zeit, als Richard Branson sein Virgin-Label ins Leben rief, und der Umstand, dass Tom Newman stets an Mike Oldfield’s Seite stand: Beides passte und so manch krudes Vinyl entstieg diesem Schmelztiegel aus phantastischen Edelmusikern und durchgeknallten Hippies. Es ist halt für mich einmal mehr eine Scheibe, die man haben muss, weil sie so wohltuend anders klingt und trotz allem Hippiegedöns immer schelmisch bleibt und einen immer wieder die Mundwinkel zucken lässt.
In England und Japan auf CD neu aufgelegt, mit sage und schreibe 10 Bonustracks in hervorragender Klangqualität und genauso versponnen wie das Programm der originalen Platte, kann man die Platte auch heute noch kriegen. Schön ist dabei, dass die japanische Version der CD im damaligen Mini LP-Gimmick Cover daherkommt (ausgestanztes Loch im Cover, mit Durchblick ins Innencover). Das Innencover – Gipfel der Authentizität – wurde sogar zurechtgeschnitten, genauso wie das Teil damals als LP-Schutz aussah (Ecken beschnitten). Wunderbar!
CD-Versionen:
Voiceprint Records England VP166CD, 1995
Arcangelo Records Japan ARC-714, 2006
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