THE ZODIAC - Cosmic Sounds (Elektra Records EKS-74009, 1967)
Auf den ersten Blick und nach dem ersten Hördurchgang könnte Zodiac's "Cosmic Sounds" wie eine Anomalie im Veröffentlichungs-Katalog des Label Elektra Records erscheinen. Als dieses obskure Werk 1967 erschien, war das Label von Jac Holzman vor allem für seinen eklektischen Katalog von Folk-Aufnahmen und ab 1965 für seine exquisiten und im Hinblick auf die rockmusikalische Entwicklung wichtigen Folk-Rock-Platten von Love, Judy Collins, Tom Rush, Tim Buckley und anderen von enormer Bedeutung. Nur kurze Zeit vor dem Album war das Debütwerk der Doors auf demselben Label erschienen, welches Elektra Records auf ein ganz neues qualitatives Niveau hievte. Zodiac's "Cosmic Sounds" unterschied sich zu diesen hochwertigen Aufnahmen allerdings diametral, kann man sagen, denn diese Platte war etwas ganz anderes. Es war nicht so sehr das Produkt einer Gruppe oder eines Künstlers, da es sich um ein im Kollektiv entstandenes Konzeptalbum handelte, gefüllt mit zu den jeweiligen Sternzeichen passender psychedelischer Stimmungsmusik, angereichert durch gesprochene Prosa und aller Art exotischer und elektronischer Instrumentierung.
Es war, wie der Untertitel rühmte, ein "himmlischer Kontrapunkt mit Worten und Musik". Und auf der Plattenhüllen-Rückseite der Hinweis in lila Buchstaben, dass man sich dieses Album in der Dunkelheit anhören muss. Sollte es irgendwelche Zweifel daran gegeben haben, dass das alles wirklich ernst gemeint war, so darf man heute durchaus daran glauben: Die Hippie-Bewegung war durchaus auch spirituell, es wurde nach neuen Lebensformen gesucht, es wurden Drogen ausprobiert, genauso wie alternative Lebensweisen: Hippiekommunen und Yoga, transzendentale Meditation, die Kraft der Steine, Mondphasen und selbstverständlich die Astrologie, seit jeher Bestandteil der esoterischen Lebensanschauung. Elektra Records-Chef Jac Holzman muss an dem Album einen wesentlichen Anteil gehabt haben, denn sein Name taucht hinter den einzelnen Beiträgen immer in Klammern auf, was darauf schliessen lässt, dass er zumindest in kompositorischer Hinsicht, oder was die Musikarrangements anbetrifft, seine Finger im Spiel hatte.
Der Künstler Abe Gurvin und der Art Director William S. Harvey verpassten dem Album eine passende Verpackung mit einem Mosaik aus Farben, die so kühn und bunt gehalten waren, dass die Plattenhülle schon fast im Dunkeln glühte; ergänzt durch riesige, gewellte Titelschriftzüge und eine nächtliche Kulisse - mystisch, farbenfroh-psychedelisch und trotzdem irgendwie fast schon künstlerisch anspruchsvoll. Unterteilt in zwölf Themen - eines für jedes astrologische Zeichen - wurde das Album einerseits der astrologischen Idee gerecht, erreichte durch ihre Umsetzung jedoch auch das Publikum der jugendlichen Gegenkultur, in welcher ja spirituelle und bewusstseinserweiternde Weltanschauungen durchaus "in" waren. In mancher Hinsicht war das Werk ähnlich aufgebaut wie andere instrumental-psychedelische Alben jener Zeit, mit einem noch relativ simplen, leicht spaceigen Groove, der durchaus auch als Soundtrack einer Sunset Strip Dokumentationen hätte passen können, eingespielt allerdings in grossem Masse von erfahrenen Session-Musikern aus Los Angeles.
In anderer Hinsicht war das Album aber auch sehr futuristisch und zukunftsorientiert, die Musik durch einige der ersten Moog-Synthesizer Klänge, die je auf einer kommerziellen Aufnahme zu hören waren, angereichert, sowie verziert mit einer Auswahl von exotischen Perkussionen und natürlich der damals fast schon unumgänglichen Sitar quasi mit einem orientalischen Gewürz abgeschmeckt. Die Arrangements wurden weiter verziert mit eindringlichen Cembaloklängen und einer manchmal sakral wirkenden Orgel, zusammen mit typischen frühen Rock-Gitarren Sprenkeln der 60er Jahre. Für Diejenigen, welche den Astrologie-Teil des Werks genauso ernst genommen hatten wie die Musik, gab es die dramatische Lektüre des Erzählers Cyrus Faryar, der die Aspekte jedes astrologischen Zeichens mit einer warmen, tiefen Stimme ohne einen Hauch von Ironie zum Besten gab. Nur Wenige der Musiker, die an dem Album beteiligt waren, wurden auf der LP-Hülle aufgelistet, und viel Geheimniskrämerei hat die Konzeption und Realisierung des Albums in den folgenden Jahren wie eine mysteriöse Aura umgeben.
Wer auch immer letztlich an diesen Aufnahmen irgendwie beteiligt gewesen ist: Das Album zeigte die brilliante instrumentale Arbei von der Crème de la Crème der Los Angeles Session Musiker-Clique, sowie - soweit bekannt - einige bemerkenswerte Mitwirkende mit starken Bindungen zu den frühen 60er Jahre Folkaufnahmen, die Elektra Records veröffentlicht hatte. Teils handelte es sich dabei um Top-Musiker, die vor allem bekannte Einzelinterpreten des Labels als Backing-Musiker unterstützt hatten. Darüber hinaus gab es Präzedenzfälle für Alben, die nicht an einen bestimmten Künstler in der Elektra-Diskographie gebunden waren. Nur zwei oder drei Jahre zuvor hatte das Unternehmen eine 13 Alben umfassende Serie von "Authentic Sound Effects" veröffentlicht, sowie Aufzeichnungen über die Wiedergabe von Bass- und Bluesgitarren. Somit war Zodiac's "Cosmic Sounds" keine zufällige One Shot-Aberration von einem Produzenten, der sich irgendwo in einer abstrusen Soundwelt verloren hatte, sondern in Wirklichkeit von Elektra-Gründer und Präsident Jac Holzman selbst initiiert.
Das Album war hauptsächlich von Alex Hassilev, einem Mitglied der LIMELIGHTERS, einer recht erfolgreichen Pop-Folk-Gruppe der frühen 60er Jahre, die 1960 ihre Debüt LP für Elektra Records aufgenommen hatte (gefolgt von zahlreichen anderen für RCA Records) in Angriff genommen worden. Hassilev hatte kurz zuvor eine Produktionsfirma mit Mort Garson gegründet, welcher eines von Hassilev's RCA-Alben arrangiert hatte (wie auch eine LP für den weiteren LIMELIGHTERS-Musiker Glenn Yarborough). Elektra Records war letztlich auch ein Plattenlabel, das bekannt dafür war, kommerzielle Risiken einzugehen, die anderswo Null Chancen auf eine Veröffentlichung gehabt hätten. Jac Holzman, ein sehr abenteuerlicher Kerl, glaubte wirklich, neue musikalische Ausdrucksformen zu finden, die ein breiteres Publikum erreichen könnten, ja gar zu Trendströmungen werden könnten. Einige davon funktionierten ja auch, andere aber wiederum überhaupt nicht. Er kaufte die Idee, eine Art elektronischer Partitur für dieses Projekt zu schreiben, und der Musiker Mort Garson versammelte eine Gruppe von Musikern, darunter auch Paul Beaver, der sich seit einiger Zeit mit dem neuen Instrument, dem Moog Synthesizer und anderen elektronischen Instrumenten beschäftigte.
Der Perkussionist Emil Richards war ein weiterer wohlbekannter Musiker. Im Laufe seiner langjährigen Karriere hatte er mit Henry Mancini, Dizzy Gillespie und George Harrison ebenso wie mit Frank Zappa, Frank Sinatra, Marvin Gaye, Linda Ronstadt und Herb Alpert zusammengearbeitet, ausserdem für mehr als 1700 Filme entsprechende Filmmusik beigesteuert. Es war der Moog Synthesizer, der die freakigsten Swoops und Texturen auf dem Zodiac-Album lieferte Die grösste Herausforderung war jedoch, diese Sounds auf Band festzuhalten. Der Moog, obwohl ein wundervolles Instrument, verfügte in seinen Anfangstagen noch über sehr instabile Oszillatoren. Die Bassistin Carol Kaye und der Schlagzeuger Hal Blaine, beides Spitzenadressen für Rock-, Pop- und Session-Aufnahmen in Los Angeles in den 60er Jahren, bildeten die Rhythmusabteilung. Dazu gesellten sich noch der Bass-Flötist Bud Shank, der Bassflöte spielte, sowie Mike Melvoin, der auf zahlreichen Jazz- und Pop-Sessions spielte, darunter zum Beispiel einige Cembalo-Parts auf dem Beach Boys Album "Pet Sounds" beisteuerte. Ajusserdem lieferte Melvoin auch einige Keyboard-Parts. Carol Kaye, die in den 60er Jahren bei unzähligen Sessions mitspielte, fiel durch allerlei anspruchsvolle Basslinien auf: Doppel-Paradiddles, viele Double-Bass Licks und ganz spezielle Oktave-Licks, die für Kaye's Bass-Spiel typisch waren und sind.
Als die Musik fertig eingespielt war, der Moog Synthesizer als letztlich dominierendes Instrument im Raum stand, zeigte sich, dass die Musik nicht für sich alleine stehen konnte, weshalb eine weitere Komponente nötig wurde, um das Ganze attraktiver zu gestalten. Dies erledigte dann die gesprochene astrologische Erzählung, geschrieben von Jacques Wilson, und von Cyrus Faryar vorgetragen. Faryar war bereits so etwas wie ein Veteran des Folk-Booms der frühen 60er Jahre und spielte mit Dave Guard und den Whiskeyhill Singers (unter der Leitung von Ex-Kingston Trio Mitglied Guard und auch Judy Henske) und dem Modern Folk Quartett. Auch war er ein Session-Musiker, der auf einigen von Fred Neil's feinsten Platten mitspielte. Im Laufe der Jahre brachte es Faryar dann in den frühen 70er Jahren schliesslich auch auf einige eigene Platten auf Elektra Records, die aber weitgehend erfolglos waren. Auf einer Party traf Faryar einmal auf den brillanten, aber unberechenbaren britischen Blues-, Jazz- und Rock-Musiker Graham Bond und stellte fest, dass er in dem Okkulten, das Graham Bond immer konsequenter verfolgte (bis zu dessen Selbstmord) seine Bestimmung fand und sich letztlich sang- und klanglos aus der Musikszene verabschiedete.
Projektleiter Alex Hassilev führte später sein eigenes Tonstudio in Los Angeles und arbeitete an vielen unterschiedlichen Musikprojekten mit, wie etwa an Platten des Countrysängers Hoyt Axton oder Ananda Shankar (Ravi Shankar's Neffe, der traditionelle indische Musik mit moderner Elektronik kombinierte), ausserdem produzierte Hassilev eine Single von Seals & Crofts und Werbespots mit Van Dyke Parks. 2017 jährt sich zum 50. Mal der Summer Of Love, in welchem rockmusikalisch eine echte Revolution vonstatten ging. Zodiac's "Cosmic Sounds" ist hierfür ein gutes Beispiel, das sich auch heute noch lohnt, entdeckt zu werden, auch wenn viele heutige Musikhörer vielleicht da und dort nur noch ungläubig hinhören und sich denken: Wieviele Drogen haben die damals wohl reingepfiffen ?
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