Mar 25, 2016


38 SPECIAL - Tour De Force (A&M Records SP-4971, 1983)

Ob es das erfolgreichste Album der Band in ihrer Historie bis dahin war, bleibt unklar. Tatsache ist, dass die Band 38 Special bis dahin vor allem durch Singles erfolgreich ihre Musik vermarkten konnte. Ihr bärenstarker Mix aus Southern Rock und klassischem Rock'n'Roll, der auch immer gerne mit einem punktgenau platzierten Quentchen Landluft die Country-Fans bediente, warf bis dahin etliche Single Hits ab, die allesamt in den Charts landeten, so etwa "Rockin' Into The Night", "Hold On Loosely" oder "Caught Up In You" und "You Keep Runnin' Away". Der ganz grosse Hit war da allerdings nicht dabei. Mit ihrer musikalisch süffigen Mixtur, die viele Fans begeistern konnte, schuf sich die Gruppe allerdings eine immer grösser werdende Gefolgschaft treuer Fans, und 1983 kam dann auch der ganz grosse kommerzielle Erfolg: Das Album "Tour De Force". Es warf nicht weniger als drei Singles ab, die allesamt die Charts enterten und die Southern Rock'n'Roller weltweit bekannt machten.

Bis zum 1983er Album "Tour De Force" wiesen ihre Alben immer wieder sogenannte Füller auf: Stücke, die teils qualitativ von anderen Songs abfielen, sodass ein eigentliches, in sich homogenes Album von gleichbleibend hoher Qualität der Gruppe bis dahin nicht gelang. Diese Platte jedoch war die erste, die von Anfang bis zum Ende gleichbleibend hohe Qualität in punkto Songwriting und musikalischer Kompetenz bot. Beste Unterhaltung auf hohem Niveau, die alle stilistischen Facetten, welche die Gruppe bis dahin auszeichnete, in einem Album zusammenführte: Kernige Rocker, gemütliche Schunkler und tolle Mitsing-Rock'n'Roller ohne irgendwelche Durchhänger.

Dies ging einher mit einer Glättung im bis anhin doch immer recht am klassischen Southern Rock orientierten Sound, hin zum massentauglichen Mainstream. Nicht jedem Fan gefiel dies letztlich, doch für jeden verlorenen Fan erreichte die Band nun zehn neue. Plötzlich spielte die Gruppe poporientierte Stücke, ohne dass sie jedoch ihre Southern Roots dabei verrieten. Bezeichnenderweise war dann auch die aus dem Album ausgekoppelte Single "If Id Been The One" in den USA ein Nummer 1 Hit, und zwar in den Mainstream Charts. Wie ein roter Faden zieht sich durch dieses Album der Pop-Appeal im Southern Rock, was längst nicht jeder der zahlreichen 38 Special Fans der ersten Stunde goutierte.

Eines haben alle Stücke jedoch nach wie vor gemeinsam: Den bewährten, bekannten und äusserst harmonischen, perfekt und gefühlvoll inszenierten Gitarrenstil der beiden Gitarristen Don Barnes und Jeff Carlisi. Die Gitarrensolis waren jetzt jedoch noch viel melodiöser aufgebaut, nicht mehr so herzhaft krachend wie auf den bisherigen Alben. Hier wurde wohl bewusst versucht, den an sich schon grossen Publikumskreis mit Pop-Reminiszenzen noch zu erweitern. Bis zu diesem Album. Jetzt hatte sich die Band dieses Erkennungsmerkmal, das öfters mal an die Allman Brothers erinnerte, zu ihrem eigenen Erkennungszeichen gemacht. "One Time For Old Times" ist so ein urgemütlicher Schunkler - im typischen 38 Special Sound, aber ungemein poppig. "I Oughta Let Go" bringt beschwingten Country-Pop und richtige Südstaaten-Kracher nach altbewährtem Muster hier sind "Twentieth Century Fox" und "Undercover Lover", wobei gerade beim ersteren der klassische Rock'n'Roll auffällt, den die Band beispielsweise zu Anfang ihrer Karriere besonders oft und gerne in den Fokus stellte (etwa auf ihrem zweiten Album "Special Delivery").

Sänger Donnie Van Zant singt auch den leicht gebremsten Pop-Southern Rock auf der "Tour De Force" mit derselben angenehmen leicht rauchigen Stimme souverän. Eigentlich bleiben alle Songs in den Gehörgängen hängen - das Album besteht praktisch nur aus Ohrwürmern zum mitsingen. Alles fliesst richtig schön, hat weichere und härtere Passagen, hält sich aber immer auf äusserst angenehme Weise im Gleichgewicht. Eine Platte für den Grillabend unter Kumpels, die ein kräftig gewürztes Steak genauso schätzen wie ein liebliches Glas Rotwein.

Für mich ihre ausgewogenste Platte und die, welche ich mir - ausser dem Zweitling "Special Delivery" von 1978 - immer wieder auflege.

Besetzung:

Don Barnes - vocals, guitar
Carol Bristow - background vocals
Steve Brookins - drums
Jeff Carlisi - guitar, steel guitar
Jack Grondin - drums
Larry Junstrom - bass guitar
Jimmy Markham - background vocals
Lu Moss - background vocals
Donnie Van Zant - lead vocals

Tracklist:

1. "If I'd Been the One" (Barnes, Carlisi, Steele, Van Zant) – 3:55
2. "Back Where You Belong" (Gary O'Connor) – 4:29
3. "One Time for Old Times" (O'Connor) – 4:32
4. "See Me in Your Eyes" (Barnes, Carlisi, Steele) – 3:54
5. "Twentieth Century Fox" (Barnes, Carlisi, Van Zant, Steele) – 3:45
6. "Long Distance Affair" (Barnes, Steele, Van Zant) – 3:56
7. "I Oughta Let Go" (S. Diamond, T.J. Seals, E. Setser) – 3:59
8. "One of the Lonely Ones" (Barnes, Steele, Van Zant) – 4:01
9. "Undercover Lover" (Carlisi, Steele, Van Zant) – 4:11

Der Grund, warum mir dieses Album bis heute so ungemein gefällt, ist sicherlich der, dass ich bei diesen Stücken die Bestätigung finde, dass es auch in diesen ganzen beschissenen 80er Plastik- und Synthi-Jahren noch möglich war, schöne, unterhaltsame, handgestrickte Musik zu machen, die mal ein bisschen mehr, mal ein bisschen weniger rockt. Genau die Mixtur, bei der ich mir denke, dass da alles passt. Kein Arrangement-Kleister, ehrlich gerockt und perfekt geschneidert zum mitsingen. Und was ich auch heute noch toll finde, sind das Plattencover und das passend zum Cover damals gedrehte Video für den Hit "If I'd Been The One". Bei dieser Platte stimmt einfach alles.



No comments:

Post a Comment