ART IN AMERICA - Art In America (Pavillion Records BFZ 38517, 1983)
Zu einer Zeit, da Art-Rock in Amerika ziemlich grosses Ansehen genoss, veröffentlichte diese Gruppe ein Album, das irgendwie aus der Zeit gefallen war. Mit einer Harfe als soundbestimmendem Instrument dachte damals Jeder gleich an den Schweizer Musiker Andreas Vollenweider, der seiner modifizierten Pedalharfe und einer innovativen Instrumentation eine eigene und unverwechselbare Musikrichtung geschaffen hatte. Die relative Nähe zum leicht konsumierbaren Pop machte es der Gruppe Art In America aus Lakewood, Ohio um die drei Geschwister Chris, Dan und Shishonee Flynn (Künstlername, gebürtiger Name der Drei eigentlich Ruetenik) allerdings nicht eben leicht, denn eigentlich spielte die Band ja einen symphonisch-klassischen Progressive Rock - sofern man den Musikexperten glauben schenken kann. Für mich persönlich ging von der Musik der Band immer viel Fröhlichkeit, Unbeschwertheit und keinerlei progressive Strenge, resp. Kopflastigkeit aus. Art In America spielten eher Musik für's Herz, als für's Hirn.
Die drei Geschwiester stammten aus einer musikalischen Familie: Die Grossmutter war Konzert-Pianistin, die Mutter spielte Klavier, der Vater Gitarre, Akkordeon und Klavier und die Kinder natürlich alles, was iegendwie Musik erzeugte. Sonntägliche Familienkonzerte gehörten zum Alltag der Familie Ruetenik, ebenso wie das gemeinsame Anhören von klassischer Musik. In der Schule wurde ebenfalls musiziert, erst in einer Marschkapelle, später, im Teenager-Alter eine erste Rockband mit dem Namen Father. Mit dieser Band spielte die Familien-Band schon frühen Progressive Rock in den Bars und Colleges in Michigan. Schon während dieser Zeit engagierten sich die Drei sehr für ihre Musik, spielten oftmals live bis um 3 Uhr in der Früh, nur um einige Stunden später einer geregelten Arbeit nachztugehen, um überleben zu können. Die Band tat sehr viel, um vielleicht eines Tages den heiss ersehnten Plattenvertrag ergattern zu können.
Die Gruppe erregte einerseits grössere Aufmerksamkeit, weil die Musiker nicht nur Geschwister waren, sondern weil sie auch mit einer ungewöhnlichen instrumentalen Besetzung aufwartete. Das originale Line Up der Band bestand aus Chris Ruetenik (Künstlername Flynn) an der Gitarre, sein Bruderer Dan am Schlagzeug und deren Schwester Shishonee an Pedalharfe, Koto und Tamboura. Dazu gesellten sich Jim Kuha an Bass und zweiter Gitarre, sowie die jüngere Schwester Heidi an der elektrischen Violine. Heidi verliess die Band später, weil ihr das Touren zuviel wurde. Es dauerte einige Zeit, bis die Gruppe nach vielen Konzerten, an welchen sie eine sehr eigene Mixtur aus symphonischem Klassik-, resp. Progressiv-Rock präsentierten, der aussergewöhnlicherweise aber auch stets über eine grosse Portion melodiösen Poprock verfügte, sowohl einen Manager fand, als auch ihren Bandnamen in Art In America abänderten.
Dank einem bestens funktionierenden Management eröffneten sich der Band nun etliche Möglichkeiten, für bekannte Acts jeweils zu supporten. So konnten Art In America etwa für U2, King Crimson, Captain Beefheart, Gary Numan, Split Enz, Adam Ant, Bill Brufford, Steve Hackett oder Roxy Music das Vorprogramm bestreiten, was im Jahre 1983 dann endlich Früchte trug: Die Gruppe konnte für das CBS-Unterlabel Pavillion Records eine Platte einspielen. Ein Videoclip, der für die Band aufgenommen wurde, lief permanent auf MTV, als dieser Sender noch relativ jung war und rund um die Uhr Videos zeigte.
Das Album "Art In America" wurde von keinem Geringeren als Eddy Offord produziert, der sich innerhalb des progressiven Rocks schon früh einen Namen gemacht hatte als Produzent etwa von Emerson Lake & Palmer, Yes, Taste oder Heads Hands & Feet. Interessant war in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Sound von Art In America nicht so weit in den progressiven Rock reichte, wie die von Offord produzierten berühmten Bands ELP und Yes. Stattdessen überraschte das Album mit einer hohen Melodieseligkeit, viel romantischer Atmosphäre, die dem Instrument Harfe geschuldet war. Trotzdem erhielt beispielsweise die sehr schöne, klare und gefühlvoll gespielte Leadgitarre den grössten Freiraum in den Stücken, die weniger durch frickelige oder anspruchsvolle Kompositionsarbeit glänzten als vielmehr durch ihre leicht verdaulichen Aufbauten, die manchmal allerdings schon so weit in Richtung Mainstream Poprock tendierten, dass sich beispielsweise Fans von ELP, Yes eher kritisch zur Platte äusserten, und deren Erwartungshaltung Eddy Offord's Arbeit gegenüber eher enttäuscht wurde. Dies, obschon kein Geringerer als der Gitarrist Steve Morse (Dixie Dregs, Deep Purple) für die Song-Arrangements verantwortlich zeichnete. Als zusätzlicher Studiokeyboarder wurde der damals noch relativ unbekannte T. Lavitz beigezogen, der später ebenfalls recht bekannt wurde durch seine Keyboardarbeit etwa für die Steve Morse Band, Jazz Is Dead oder Widespread Panic. Mit dem Titelsong "Art In America" wurde auch eine Single vorbereitet, die aber nicht über den Promo-Status hinauskam. Offiziell gelangte das Stück "Undercover Lover" mit der B-Seite "Won't It Be Strange" in den Handel, jedoch wurde diese Single lediglich in Kanada veröffentlicht und das Airplay war nicht gerade berauschend. In den USA kam auch diese Single nicht über den Promo-Status hinaus.
Nach dem trotzdem passablen Achtungserfolg der ersten LP arbeitete die Band weiter mit einigen Produzenten, was auch in Aufnahmen zu einem zweiten Album resultierte. Leider fand sich aber kein Label, das Interesse an einer entsprechenden Veröffentlichung gezeigt hätte. Die Band liess sich davon jedoch nicht entmutigen, siedelte nach Los Angeles über in der Hoffnung, dort auf bessere Chancen zu stossen, die Karriere voranzutreiben. Los Angeles erwies sich jedoch als grosse Enttäuschung für die Band. Ausser teils schlechtbezahlten Auftritten in schäbigen Clubs, einigen grossen Enttäuschungen mit Managern und Produzenten und teils desaströsen Erfahrungen mit windigen Geschäftsleuten war L.A. ein Schlag ins Wasser. Mit Gary Galloway stieg noch ein lokaler Keyboarder in die Band ein, was jedoch auch nicht weiterhalf. In der Folge fingen die Geschwister an, ihre eigenen Lebenspläne anzupacken, gründeten ihre eigenen Familien und betrieben das Musizieren nur noch zum privaten Vergnügen.
Erst gut 30 Jahre später fand die Band zu einer Reunion nochmals zusammen. Dies, weil überraschend Top-Produzent David Hentschel (Genesis, Queen, Elton John) Kontakt zu Chris Ruetenik aufnahm. Der Produzent hatte inzwischen das originale Album der Band entdeckt und fand es so gut, dass er unbedingt eine zweite Platte mit der Gruppe produzieren wollte. Die Offerte von David Hentschel kam für die Bandmitglieder sehr überraschend, denn nach so langer Zeit war es für die Geschwister schwierig, sich erneut in der Musikwelt zurecht zu finden. Vieles hatte sich seit damals verändert, sowohl Produktionstechniken wie Vermarktungsmöglichkeiten. Dennoch nahmen die Musiker das Angebot an und spielten in zwei Tonstudios neue Songs ein, die später als "The Hentschel Sessions" erschienen. Zu den Aufnahmen gesellte sich mit dem Bassisten Tony Levin ein zusätzlicher prominenter Musiker, den David Hentschel rekrutiert hatte. Levin spielte unter anderem für und bei Peter Gabriel und King Crimson. Mittels einer Crowdfunding-Seite im Web startete die Band einen Aufruf zu Spenden für die Finanzierung, welche letztlich auch gelang. Diese zweite Platte erschien dann privat und die Band versuchte, sie über eine reguläre Plattenfirma vertreiben zu können, was jedoch letztlich, trotz der grossen Namen David Hentschel und Tony Levin, scheiterte.
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