Mar 7, 2016


QUATERMASS - Quatermass (Harvest Records SHVL 775, 1970)

Es war die aufkeimende Zeit des progressiven Rocks, als mit Bands wie Emerson Lake & Palmer, Dr. Z oder Quatermass drei Gruppen in Erscheinung traten, deren auffälligstes Merkmal das Fehlen eines Gitarristen war. Alle drei Bands arbeiteten als Trio in der Besetzung Keyboards, Bass und Schlagzeug und sorgten so mit ihren jeweiligen Platten für erhöhte Aufmerksamkeit bei den Zuhörern. Während Emerson Lake & Palmer zur Weltkarriere ansetzten, Dr. Z ein Begriff unter Sammlern blieb, hallte der Name Quatermass immerhin noch eine lange Zeit nach, zumindest, was ihre Aktivitäten anbelangt. Denn ausser ihrer damals einzigen Platte, setzte die Band doch immerhin zu einem Comeback an, das zwar personell fast genauso interessant war wie ihre Anfangstage, doch letztlich ebenso erfolglos und musikalisch von eher bescheidener Qualität. Ihr Song "Black Sheep Of The Family" wurde einige Jahre später von Ritchie Blackmore für seine Band Rainbow gecovert und es halten sich hartnäckige Gerüchte, wonach der endgültige Abschied bei Deep Purple auch dem Umstand geschuldet war, dass Blackmore diesen Coversong nicht bei Deep Purple einbringen konnte - die anderen Musiker ihn ablehnten. Wer weiss...

Quatermass bestanden aus dem Keyboarder Pete Robinson, dem Bassisten John Gustafson und Schlagzeuger Mick Underwood. Alle drei waren zum Zeitpunkt dieser gemeinsamen Bandgründung längst bekannte Grössen im Musikgeschäft, die bereits lange Jahre in diversen bekannten und unbekannten Gruppen ihre Erfahrungen machen konnten. So spielte beispielsweise Keyboarder Pete Robinson zuvor im Orchester von Don Ellis, bei Mick Farren (The Deviants) und Chris Farlowe, während Bassist John Frederick Gustafson als "Little Johnny" Gustafson schon seit den frühen 60er Jahren bei The Big Three, den Merseybeats oder der Spencer Davis Group spielte. Schlagzeuger Mick Underwood wiederum war schon ab 1960 bei den Outlaws, einer Band, in welcher auch später erfolgreiche Musiker wie Ritchie Blackmore und Chas Hodges mitspielten. Aussredem gehörte Mick Underwood der Gruppe Episode Six an, die später zu Deep Purple mutierte und der Ian Gillan und Roger Glover angehörten.

Die Musik auf dem selbstbetitelten Album von Quatermass, auf dem englischen Progressive Label Harvest erschienen, war ein zeittypisches Abbild der sich verschmelzenden Musikstile der ausgehenden 60er Jahre und der sich abzeichnenden progressiven Aera, in welcher Jazz neben Blues, Rock und letzten Anteilen der psychedelischen Pop- und Beatmusik durchaus nebeneinander und miteinander harmonieren konnten. Schon der Opener "Black Sheep Of The Family" war zwar als Hammond-Rock ähnlich Deep Purple arrangiert, wies aber noch die typischen Stilelemente der Spätsechziger Beatmusik auf, wie sie zum Beispiel auch die Spencer Davis Group einige Jahre zuvor populär gemacht hatte. Das nachfolgende, extrem spannend aufgebaute und perfekt dem "leise/laut"-Prinzip folgende überlange Bluesstück "Post War Saturday Echo" wies indes eine unverkennbare Nähe zu den frühen Pink Floyd der Post Syd Barrett-Aera auf, was im Falle von Quatermass (übrigens bei all ihren Songs) noch an hör- und fühlbarer Dramatik gewann, weil kein Gitarrist für etwaige solistische Höhepunkte sorgte, sondern die Keyboards - allen voran die hervorragende Hammondorgel - zu Dynamikausbrüchen ansetzte, sobald die Gesangslinie ihren Part beendet. Diesem Muster folgten auch die weiteren Stücke des Albums, von denen etwa das im Tempo stark forcierte "Gemini" aus der Feder von Fat Mattress-Sänger Steve Hammond, der ausser diesem Titel auch die Songs "Black Sheep Of The Family" und "Make Up Your Mind" komponiert hatte, mit wuchtigen Hammond-Ausbrüchen zu gefallen wusste. 

Ausser dem Trio Robinson/Gustafson/Underwood spielten als Gäste auf diesem Album auch eine Cellisten-Gruppe unter der Leitung von Paul Buckmaster (Third Ear Band, Bee Gees) mit, ausserdem gleich drei vorwiegend im Jazz-Bereich tätige Bassisten (Arthur Watts, Frank Clarke und Joe Mudele), sowie die Streicher aus "Tony Gilbert's Sounds Orchestral", einem 21-köpfigen Orchester, das vor allem im Bereich Filmmusik (u.a. James Bond!) aktiv war. 

Bekannt ist die Platte Quatermass natürlich vor allem auch wegen ihres optisch hervorragend gelungenen Cover Artworks von Hipgnosis, einer ebenso surrealen wie visionären Abbildung von Moderne und Archäologie, mit mehreren Flugsauriern zwischen zwei bedrohlich wirkenden Häuserfronten.

Obgleich die Platte von Quatermass schon zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zu einer der Besten des Harvest Labels gezählt wurde, konnte sie nur mässig verkauft werden, was bestimmt auch daran lag, dass eine Singleveröffentlichung mit zwei Titeln, die nicht auf der LP vertreten waren, ebenfalls floppte ("One Blind Mice"/"Punting"). Ende 1971 trennte sich das Trio. Während Schlagzeuger Mick Underwood sich der britischen Rockband Strapps anschloss, die ebenfalls auf dem Harvest Label einige Platten veröffentlichte, spielte er später auch in der Band von Ian Gillan, als dieser Deep Purple verlassen hatte. In der Ian Gillan Band spielte dann auch Bassist John Gustafson mit, allerdings zu unterschiedlichen Zeiten. Die beiden Quatermass-Musiker trafen sich nicht mehr in einem gemeinsamen Musikprojekt. John Gustafson wurde dann später auch Mitglied von Roxy Music, spielte mit dieser Band auch drei LPs ein. Der Keyboarder Pete Robinson wiederum wurde zum gefragten und vielgebuchten Studiomusiker, der auf vielen hervorragenden Platten zu hören war, beispielsweise von Stomu Yamashta's Red Buddha Theatre, Sun Treader oder Al Jarreau. Ab Mitte der 80er Jahre schrieb er auch Filmmusik zu etlichen erfolgreichen Kinofilmen.

Unter dem Bandnamen Quatermass II lancierte Mick Underwood die Band 1994 noch einmal und versuchte ein Comeback, zusammen mit dem ehemaligen Deep Purple-Musiker Nick Simper. Bassist John Gustafsson spielte bei zwei Stücken auf dem im Jahre 1997 erschienenen Album "Long Road" mit, ebenso Don Airey, der Keyboarder von unter anderem Rainbow und später auch Deep Purple, plus den beiden Gitarristen Gary Davis und Bart Foley. Natürlich war die Musik auf diesem Comeback-Album anders als jene des Debutalbums. Es waren aber nicht nur die beiden Gitarren, die den Sound veränderten, es lag auch an den bisweilen ziemlich dürftigen Kompositionen, dass das Comeback nicht den erhofften Erfolg brachte. Folgerichtig war dieser Reunion-Band, der eigentlich nur der originale Schlagzeuger Mick Underwood angehörte, nur eine sehr überschaubare Zeit der Existenz beschieden, und 1999 war nach einigen Live-Auftritten Sense.

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