Mar 11, 2016


BLUE MONDAY - Murdered By Love (Kent Records 9001/2, 1986)

Als ich 1986 dieses einmalig tolle Blues Doppelalbum kaufte, war mir nicht bewusst, um wen es sich dabei eigentlich handelte. Ich fand nur, dass das eine der besten Bluesplatten war, die ich in vielen Jahren gehört hatte. Dabei konnte ich so gut wie gar keine Informationen zu der Band finden. Die Musikpresse ignorierte Platte und Band genauso wie die einschlägigen Fachläden, in welchen man die Band nicht kannte. Einzig mein Plattenladen des Vertrauens hatte sie als unangeforderte Neuheitenlieferung erhalten gehabt und ich hatte sie mir nach kurzem Reinhören unter den Nagel gerissen. An meiner Begeisterung hat sich in den vergangenen 30 Jahren überhaupt nichts geändert. Noch immer lege ich meinen Bluesfreunden gerne diese im Original als Doppelalbum erschienene Trouvaille auf, denn sie ist für mich bis heute die geniale Bluesplatte geblieben, die sie zum Zeitpunkt des Kaufs gewesen ist. Eines der herausstechendsten Merkmale dieser Band ist der Umstand, dass sie in ständig wechselnder Besetzung unterwegs war und mit zahlreichen Berühmtheiten der Blues- und Rockszene, die jeweils als Gastmusiker hinzukamen, auftrat. So finden sich unter anderem prominente Namen wie Dave Mason, John Hall und Larry Hoppen (beide von der Band Orleans), Dickey Betts (The Allman Brothers), Steve Forbert, Billy Burnett, Tanya Tucker, Lenny Breau, John Prine, Jimmie Fadden (Nitty Gritty Dirt Band),  Jimmy Nalls (Sea Level), Pam Tillis, Musiker der Neville Brothers Band oder auch Jamie Oldaker aus Eric Clapton's Band im ständig wechselnden Line-Up der Gruppe.

Die beiden Musiker Roguie Ray und Eddie Blakely waren indes die beiden einzigen Konstanten der Band, die von Anfang an immer mit an Bord der Truppe waren und somit eigentlich als die beiden 'Leader of the Pack' bezeichnet werden können. Roguie Ray, ein Mundharmonika-Spieler vor dem Herrn und mit einer überaus warmen und rauchigen Blues-Stimme gesegnet war ab Mitte der 70er Jahre in der Band von Billy Joe Shaver aktiv und einige Zeit als Sideman des legendären Bluesmusikers Muddy Waters in dessen Band unterwegs, während Gitarrist Eddie Blakely vor allem im Bereich der Country- und Country Rock-Musik aktiv war, unter anderem als Studiomusiker für J.J. Cale, aber auch an der Seite von Johnny Cash, Tammy Wynette, B.J. Thomas und Marc O'Conner als Songschreiber, Musiker, Arrangeur und Produzent. Die beiden Musiker frönten nebenher stets ihrer gemeinsamen Leidenschaft für den Blues in all seinen Facetten und beschlossen zu Beginn der 80er Jahre, eine komplette, vollwertige Blues Rock Band zu formieren, um ihre Leidenschaft für den Blues auf die Bühne zu bringen. Unter der Bezeichnung The Blue Monday Band ging das am Ende zum Septett herangewachsene Team an den Start.

Zu den beiden Musikern Ray und Blakely gesellte sich als weiterer Gitarrist Billy Earl McClelland, der auf Platten von Tony Joe White, Dr. Hook, Ronnie Spector und Willie Nelson zu hören ist. Mit Johnny Neel kam ein Keyboarder hinzu, der aus dem Umfeld der Allman Brothers kam, später auch bei Gregg Allman in der Band spielte, ausserdem der Band Gov't Mule von Warren Haynes und den Allman Brothers angehörte. Der Saxophonist Jim Greasy wiederum spielte bei den Temptations, den Four Tops und bot ein bisweilen stark experimentelles Saxophon-Spiel, das seinen Ursprung nicht selten in der freien Jazz-Improvisation hatte. Der Bassist Dave Pomeroy wiederum stand in den musikalischen Diensten von Country-Legende Don Williams, war mit der Scratch Band unterwegs und begleitete Guy Clark auf Konzerten und im Studio für dessen Platten ebenso wie die Rockabilly-Legende Sleepy LaBeef. Schliesslich der Schlagzeuger Danny "The Major" Boles, eine Legende aus Nashville. Der Musiker hat auf zahlreichen Platten mitgewirkt, was Sideman unter anderem von Tracey Nelson, Marty Robbins und Kinky Friedman, hat aber auch eigene Platten aufgenommen, auf denen dann zum Beispiel auch schon mal Duane Eddy oder Warner Hodges mitspielten.

Dank der vielen Connections, welche die Musiker alleine schon durch ihre Engagements für so viele prominente Musiker aufwiesen, war es relativ einfach, für ein gemeinsames Plattenprojekt eine interessierte Firma zu finden. Das Label Kent, ein altehrwürdiges Blueslabel, das schon in den späten 50er Jahren aktiv war, bot die Möglichkeit, eine Platte aufzunehmen. Das Interessante dabei war, dass die Band dafür bis auf eine Ausnahme ("The Thrill Is Gone") ausschliesslich eigene Kompositionen aufnahm, ein Umstand, der eher als ungewöhnlich angesehen werden darf, da die Band ja zumeist mit prominenten Gastmusikern spielte, und dabei dann vor allem Titel aus deren Repertoire zum Besten gab. Umso erstaunlicher ist dann auch die Qualität der Songs auf diesem Doppelalbum, die den Bluesrahmen bei weitem sprengen. Seien dies Ausflüge in den Jazz, längere klassische Jam Titel oder gar ziemlich aus der Hüfte schiessende Swing-Nummern: Immer wirken die Songs wie echte Originale und keineswegs wie Plagiate, die sich im Repertoire einer Bluesband üblicherweise finden. Die Platte startet mit einem fetten und schleppenden Bluesrock mit dem Titel "Murdered By Love", einer Story mit viel Witz, Polizeisirenen und unglaublichen Solis vor allem des Gitarristen Eddie Blakely. Der Song zerzaust in der Mitte in ein Jazz-Spiel und kommt als bluesrockende Furie wieder zurück - ein herrlicher Song, der mächtig in den Bauch geht. 

"The Thrill Is Gone" ist genauso hörenswert wie der Rest der Sammlung von insgesamt 12 Titeln. Als einzige Fremdkomposition wirkt sie vielleicht ein wenig glattpoliert, was ihr aber auch eine gewisse Eleganz verleiht.  Blues à la discrétion dann beim knapp 10 Minuten langen "Old Fashioned Funny Feeling", der mit viel Humor, spassigem Rooster-Hicksen und beseeltem Solieren eine Spannung über die gesamte Lauflänge bietet, ohne langweilig zu werden. Das groovige "What Do You Want" könnte von der Spielart und der Rhythmik her gut auch von der Climax Blues Band stammen. "Bad Is Bad", "She's Gone", "I'm The Blues": alles richtig toll gespielte und sehr abwechslungsreich in Szene gesetzte Bluestitel, die jeweils jedem der Bandmitglieder auch kompositorische Credits bieten. Dadurch wird natürlich die Vielseitigkeit gefördert, sind doch die einzelnen Musiker doch allesamt in den verschiedensten Musikstilen beheimatet. Beim Blues treffen sie sich hier und finden immer zueinander, sei es beim rocken, beim swingen oder beim bluesen.

Einer der wundervollsten Songs ist die dieses Doppelalbum beschiessende, von einer traumhaft schönen Hammond Orgel dominierte Blues-Ballade "Nothin' Left But The Blues", wiederum aus der Feder von Eddie Blakely. Dieser Song alleine hätte eigentlich ein Hit werden müssen. Doch daraus ist leider nichts geworden damals. "Murdered By Love" blieb dadurch ein erstklassiger Geheimtipp, über den der Musikkritiker Kelly Delaney schrieb: "The album "Murdered By Love" leaps far beyond mere commerciality and into the realm of pure , unadulterated art. Like the Blues itself, this is a record made to last". Das ist es in der Tat auch für mich: Ein Blues Album für die Ewigkeit.

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