Mar 30, 2016


NAKED AGGRESSION - Gut Wringing Machine (Grilled Cheese Records GRL-005, 1998)

Mit Phil Suchomel starb am 25. April 1998 einer der ganz grossen Punkrock-Gitarristen. Seine Band "Naked Aggression" setzte zu diesem Zeitpunkt gerade zu einem glorreichen Höhenflug an, und zwar mit dem Album "Gut Wringing Machine". Leider starb dann aber mit Phil Suchomel auch gleich die ganze Band.

Kirsten Patches war die Sängerin, bei Naked Aggression. Da konnte man all diese gestylten Blondies, Kim Wildes usw. vergessen: Kirsten war eine DER Punkröhren schlechthin, vergleichbar mit viel Phantasie und Goodwill in etwa mit Wendy O'Williams von den legendären Plasmatics. Die Dame, die später als brave Lehrerin arbeiten würde, brachte mit ihren 1,50 m und grade mal 50 Kilo eine Power auf die Bretter, die seinesgleichen - noch heute! - sucht.

Was als rüder ungehobelter Primitivo-Powerpunk der Marke "Discharge" begann, entwickelte sich bei Naked Aggression im Laufe der Jahre zu einer Punk Rock-Mélange, die irgendwann kurz vor dem Album "Gut Wringing Machine" auch im traditionellen Hardrock Fuss fasste. So entstand nach und nach ein Soundgemisch, das in dieser Art und Weise wohl einzigartig war und schön aufzeichnete, wie sich diese Szene in den Staaten kontinuierlich weiterentwickelte. Hüsker Dü, Black Flag und ähnliche Protagonisten hatten es vorgemacht. Die Gruppe Naked Aggression spielte nie den ungehemmt vorwärtseilenden Gabba Gabba Ramones-Punk, sondern einen Anarcho-Punk, der ansatzweise auch von alternativen Hardrockern wie Therapy? oder den Wipers um den Gitarristen Greg Sage  aufgegriffen wurde.

Mit "Bitter Youth" legte die Band im Juni 1993 ihren ersten Longplayer vor: Eine rüde, harte, sehr politische Anarcho-Punk-Platte, die in der gnadenlos ungehobelten Art der Einspielung und des Mixdowns auch im Jahre 1976 hätte erschienen sein können. "Bitter Youth" war eine dieser "Ich liebe Euch - ich hasse Euch"-Platten, die auch einem Howard Devoto gut zu Gesichte gestanden hätte.
Ein Jahr später folgte das Zweitwerk "March March Along", und diese Platte war noch um einige Ecken härter und roher als der Erstling. Hier wurde vor allem die Sau rausgelassen. Politische Zitate rückten zwischenzeitlich eher in den Hintergrund, das Ganze wirkte sehr spontan, man scherte sich einen Scheiss um Qualität und rotzte einfach drauflos. Authentisch war das auf jeden Fall, und eine deutliche Kampfansage an die Plastik-Jugend der 80er Jahre im besonderen.

Das Folgealbum "March March Alive" (1996) war dann ein Transfer der beiden Studio-Platten auf die Bühne. Eine Live Punk-Show der Extraklasse: hart, schnell, dynamisch - mit einer umwerfend gepowerten Kirsten Patches am Mikro und einem Phil Suchomel an der Gitarre, der wie von Sinnen seine Klampfe malträtierte, als gäbe es kein Morgen.


Dann schliesslich, im Jahre 1998, die leider letzte Platte der Band: Der Ueberflieger "Gut Wringing Machine". Ueber ein Jahr verbrachte die Band im Studio, bis das Ding endlich fertiggestellt war. Doch das Warten hatte sich gelohnt: Die Band hatte sich enorm weiterentwickelt. Man war fast versucht zu sagen, das sei gar kein reiner Anarcho-Punk mehr. Doch irgendwie war das auch kein hartes Rockalbum. Es war vielmehr eine gut durchdachte Collage aus verschiedenen Stilrichtungen des Punk Rock und des Hard Rock, in seiner ganzen energetischen Intensität und beklemmenden Direktheit anderen Bands wie "Crass" oder den "Dead Kennedys" stellenweise nicht unähnlich.


"Everyday Another Conflict". Dieser Titel erinnerte noch an die Anfangsjahre der Band und man wähnte sich beim Anhören déjà-wütig ins Jahr 1977 zurück katapultiert: Roh, schnell und dreckig.
"Gut Wringing Machine": Der Titelsong dann Gitarrenrock der Marke Wipers oder Black Flag. Alleine dieses kernige Gitarrenriff von Phil Suchomel war eine zornige Ansage an die massentauglichen Pseudo Punkbands der Neuzeit und ein starker Fingerzeig in Richtung klassischem Metal. "Desperation", "Wound Up", "Problems in your Head" oder "Radio Nightmare" - allesamt Rocker erster Güte, gesanglich vorgetragen, resp. hingerotzt von einer Ausnahme-Powerfrau, die in ihrem Petticoat nie so richtig gassentauglich wirkte. Trotz ihrem energischen Punk-Habitus waren Naked Aggression auch eine gnadenlos gute Songschreiber-Clique, die nicht nur mit ihrem Schwanengesang "Gut Wringing Machine" laut und direkt zu überzeugen wusste.

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