Mar 28, 2016


CHARLIE McCOY - Harpin' The Blues (Columbia Records KZ 33802, 1975)

Die Idee war toll und in dieser Art von einem Musiker aus der Country-Szene nicht unbedingt zu erwarten: Die Geschichte des Blues in all seinen unterschiedlichen Facetten, komprimiert auf eine äusserst unterhaltsame halbe Stunde, eingespielt von einer Armada von Musikern, inklusive Streicher-, Bläser- und Gesangsgruppen. Wie überaus erfolgreich und auch herausragend dieses Album in der Karriere von Charlie McCoy war, zeigt der Umstand, dass es bis heute seit Erscheinen erhältlich ist, wohingegen viele seiner Alben längst vergriffen sind und später nicht mehr aufgelegt wurden. Der am 28. März 1941 in Oak Hill, West Virginia geborene Musiker spielte schon in seiner Schulzeit unter anderem die Mundharmonika, Gitarre, Bass und Trompete. Bereits mit 16 Jahren wusste er, dass er Musiker sein wollte und schloss sich einer lokalen Rock'n'Roll Band als Sänger und Gitarrist an. Seine Familie zog nach Miami Florida um und Charlie McCoy spielte dort regelmässig in einer Radio Show, unter anderem mit dem späteren Country Star Johnny Paycheck. Eine Einladung von Mel Tillis nahm der inzwischen 18 Jährige an, ging nach Nashville und versuchte dort während einer Woche leider erfolglos, sich bei diversen Produzenten und Plattenfirmen um Engagements zu bemühen, weshalb er wieder zurück nach Miami fuhr um nunmehr an der Universität in Miami ein Musikstudium ins Auge zu fassen. Währenddessen machte er weiter Musik, schloss sich erst der John Ferguson Band an, die sich kurze Zeit später aufgrund mangelnden Erfolges auflöste, landete bei Stonewall Jackson als dessen Schlagzeuger. Dann erhielt er ein Angebot von Cadence Records, eine Single einzuspielen: "Cherry Berry Wine" entpuppte sich als recht erfolgreich. Die Single erreichte einen respektablen Platz 99 in den Billboard Charts. Der Agent Jim Denney, der den Kontakt zu Cadence Records ermöglicht hatte, riet Charlie McCoy, er solle sich auf das Spielen der Mundharmonika konzentrieren, denn in dieser Eigenschaft könne er womöglich Karriere machen, da die Konkurrenz sehr viel kleiner wäre als beispielsweise unter Gitarristen oder Schlagzeugern.

Im Mai 1961 hörte der Country Star Chet Atkins McCoy's Demo Tapes und war so begeistert, dass er ihn sogleich zu Studioaufnahmen engagierte. Der erste Song, den Charlie McCoy mit seinem Mundharmonikaspiel verfeinerte, war "I Don't Understand" der Sängerin Ann-Margret (für RCA Records). Ebenso wurde McCoy von Fred Foster engagiert (Monument Records), der ihn auf dem Stück "Candy Man" von Roy Orbison spielen liess. Dieser Song wurde zu einem Millionen-Hit und bescherte Charlie McCoy die lang ersehnte Reputation im Musik-Business. McCoy's Popularität als Mundharmonikaspieler und begehrter Studiomusiker wuchs kontinuierlich und obwohl er einige Singles veröffentlichte, die sich nicht sonderlich gut verkaufen liessen, tat dies seinem Können und der enormen Produktivität keinen Abbruch, weshalb er sich vor allem auf die Arbeit als Studiomusiker konzentrierte. Tex Davis, der Promotion Manager von Monument Records, ermunterte McCoy, den Titel "Today I Started Loving You Again" erneut als Single zu veröffentlichen (McCoy hatte diesen Song bereits für sein erfolgloses Debutalbum eingespielt gehabt), und nun stimmte auch das Timing, da der Name Charlie McCoy inzwischen auch bei den Musikhörern zum Begriff geworden war: Die Single verkaufte sich eine Dreiviertel Million mal und erreichte Platz 16 in den Billboard Country Charts. Für sein 1972er Album "The Real McCoy" erhielt er einen Grammy und sein 1973er Album "Good Time Charlie" war ein Volltreffer: Platz 1 in den Billboard Country Charts.

Nach einem weiteren Album noch im selben Jahr ("The Fastest Harp In The South"), das fast genauso erfolgreich war und bis auf Rang 2 der Hitparade vorstiess, verliess der Erfolg den umtriebigen Musiker auch weiterhin nicht. Es folgten mit "The Nashville Hit Man" und "Charlie My Boy" auch in den folgenden zwei Jahren ausgezeichnete Platten, die ebenfalls äusserst erfolgreich waren. Als Studiomusiker war er auch weiterhin tätig und ständig irgendwo in einem Tonstudio am arbeiten, wenn er nicht gerade selber mit seiner Band unterwegs war. Er wurde mehrfach ausgezeichnet mit zahlreichen Awards und seine Mundharmonika-Künste finden sich unter anderem auf Platten von Elvis Presley, Perry Como, Joan Baez, der Steve Miller Band, Johnny Cash, Buffy Sainte-Marie, Kris Kristofferson, Paul Simon, Ringo Starr, Barefoot Jerry, Gene Summers und Ween.

Charlie McCoy spielte ausserdem Gitarre auf Bob Dylan's Song "Desolation Row" vom Album "Highway 61 Revisited" und auch auf dessen Titel "Sad Eyed Lady of the Lowlands" vom legendären Album "Blonde on Blonde", ausserdem zupfte er den Bass auf allen Songs des Bob Dylan Werks "John Wesley Harding".

Im Jahre 1975 wartete Charlie McCoy mit einer musikalischen Ueberraschung auf: Er veröffentlichte ein Blues Album. Alle 11 Songs der Platte widerspiegeln dabei eine besondere Spielart des Blues und Charlie McCoy erklärte auch bei allen Songs zu Beginn die jeweilige Spielart und nannte typische Vertreter der jeweiligen Spielarten. McCoy, der auch in den Bands Aera Code 615 und Barefoot Jerry mitspielte, holte sich für dieses Projekt Musiker vor allem von Barefoot Jerry, aber auch unzählige bekannte Persönlichkeiten aus der Country-, Blues- und Jazz-Szene ins Studio, um jeden einzelnen Song dieser Platte individuell zu gestalten. Am Ende bot das Album "Harpin' The Blues" eine wundervolle und äusserst kompetente Zeitreise durch die verschiedenen Stationen der Bluesmusik, angefangen beim typischen Country Blues von Hank Williams und Merle Haggard ("I Heard That Lonesome Whistle", "Working Man's Blues"), über den von Bläsern dominierten Jazz- und New Orleans Blues ("Basin Street Blues", "St. Louis Blues") und bis hin zum monotonen Chicago Blues etwa eines Little Walter ("A Tribute To Little Walter"). Die Platte ist eine gefühlvolle Liebeserklärung an den Blues und so in dieser Art ziemlich einzigartig. Es gibt zahllose Huldigungen an die verschiedenen Spielarten des Blues, doch Charlie McCoy hat dank seiner enormen Erfahrung als Begleit-, Session- und Studiomusiker ein Händchen dafür gehabt, sich selber nicht in den Vordergrund zu spielen, sondern sein dezentes Mundharmonikaspiel immer passgenau und dem jeweiligen Song dienlich einzusetzen. 

Prominenteste Musiker auf dieser Platte sind etwa der legendäre Al Hirt ("Jawa"), die Musiker der Band Barefoot Jerry, ausserdem Johnny Johnson, Kenneth Buttrey, Jimmy Isbell, Steve Chapman, Jerry Smith, Mac Gavock Gayden, Buddy Spicher, Uncle Josh  Graves, Kenny Baker und Weldon Myrick. "Harpin' The Blues" klingt absolut zeitlos, könnte in dieser Form auch ein durchaus aktuelles Album sein und man merkt der Musik die über 40 Jahre auf dem Buckel überhaupt nicht an. Charlie McCoy wurde am 17. Mai 2009, zusammen mit Barbara Mandrell und Roy Clark in die Country Music Hall Of Fame aufgenommen.






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