Sep 5, 2017


JEFFERSON AIRPLANE - Thirty Seconds Over Winterland
(Grunt Records BFL1-0147, 1973)

Jefferson Airplane wurden im Jahre 1965 in San Francisco gegründet. Sie galten als einer der Hauptvertreter der psychedelischen Rockmusik. Zur Stammbesetzung gehörten Grace Slick (Gesang, Piano), Marty Balin (Gitarre, Gesang), Paul Kantner (Gesang, Gitarre), Jorma Kaukonen (Gitarre, Gesang), Jack Casady (Bass) und Spencer Dryden (Schlagzeug). 1966 erschien ihr erstes, noch eher folkorientiertes Album "Jefferson Airplane Takes Off" noch mit dem Schlagzeuger Skip Spence und der ersten Sängerin Signe Toly Anderson. Im Oktober 1966 verliess Anderson die Band, da sie ein Kind erwartete und sich ihrer Familie widmen wollte. Ihre Nachfolgerin war die Sängerin Grace Slick. Das zweite Album, "Surrealistic Pillow" (1967), enthielt deren Titel "White Rabbit", eine psychedelische Interpretation der Alice-Figur aus dem Buch 'Alice im Wunderland' von Lewis Carroll und "Somebody To Love", die Grace bereits für ihre vorherige Band, The Great Society, komponiert und (allerdings mit weniger Erfolg) gesungen hatte. Beide Stücke sollten die bekanntesten der Band werden. Es folgten die Alben "After Bathing At Baxter’s" (1967), "Crown Of Creation" (1968), "Bless Its Pointed Little Head" (Live, 1969) und "Volunteers" (ebenfalls 1969). Letzteres brachte die typische Stimmung der späten 60er Jahre zum Ausdruck: Die Hippie-Bewegung mit ihrer Sehnsucht nach dem einfachen Leben und ländlichen Musizierformen war darauf genauso vertreten wie der jugendliche Protest gegen den Vietnamkrieg (im Titelsong des Albums). Aus diesem Grunde trat die Band auch beim Woodstock-Festival auf, wo sie am Morgen des 17. August 1969 den durch regenbedingte Wartepausen lang gewordenen zweiten Tag des Festivals beendete. Grace Slick kündigte an, dass die Band ein wenig "Morning Maniac Music" spielen wolle und erwähnte dabei nur ihren Pianisten Nicky Hopkins namentlich. Dazu gehörte auch der Song "Volunteers".

Beim Rockfestival Altamont Free Concert am 6. Dezember 1969 traten Jefferson Airplane auf dem Altamont Speedway als eine der Vorgruppen der Rolling Stones auf. Als Marty Balin versuchte, angesichts der gewalttätigen Ausschreitungen der mit dem Ordnungsdienst beauftragten Hells Angels einzugreifen, wurde er auf der Bühne bewusstlos geschlagen. Während des anschliessenden Auftritts der Rolling Stones eskalierte die Situation weiter und führte zum Tod eines Konzertbesuchers durch einen Hells Angel. Im Frühjahr 1970 verliessen Marty Balin und Spencer Dryden die Band. Es kam zu weiteren personellen Wechseln, und die Musiker begannen, in lockeren Formationen ausserhalb der Band zu arbeiten. 1971 gründeten Jefferson Airplane ihr eigenes Plattenlabel Grunt Records, nachdem ihre bisherige Firma Wörter wie 'fuck' unkenntlich gemacht hatte. Es entstanden die beiden Studioalben "Bark" (1971) und "Long John Silver" (1972), sowie das Live-Album "Thirty Seconds Over Winterland" (1973), auf welchem der Geiger Papa John Creach, der zuvor auch als Strassenmusiker arbeitete, zum erstenmal als festes Gruppenmitglied firmierte. "Thirty Seconds Over Winterland" war nach "Bless Its Pointed Little Head" das zweite Livealbum von Jefferson Airplane. Es wurde im August 1972 im Auditorium Theatre in Chicago und im September im Winterland Ballroom in San Francisco aufgenommen. Das Album wurde im April 1973 veröffentlicht und erreichte Platz 52 in den US-Charts. 

Im Juni 1972 hatte Hot Tuna, die Band der Jefferson Airplane-Musiker Jorma Kaukonen, Jack Casady und Papa John Creach ihr zweites Album "First Pull Up, Then Pull Down" herausgebracht. Einen Monat später veröffentlichten Jefferson Airplane das Studioalbum "Long John Silver" und gingen im Sommer auf USA-Tour. Beim letzten Konzert der Tour im Winterland von San Francisco war auch der Sänger Marty Balin, der die Band 1971 verlassen hatte, für zwei Lieder mit auf der Bühne. Es war auch das letzte Konzert als Jefferson Airplane, ab 1974 wurde der Name Jefferson Starship für die dann umbesetzte Band verwendet, er kursierte bereits bei den früheren Soloprojekten Paul Kantners wie etwa "Blows Against The Empire" und "Dragon Fly". Für "Thirty Seconds Over Winterland" wurden Aufnahmen dieser Tour aus dem Auditorium Building in Chicago und dem namengebenden Winterland verwendet. Obwohl bekannte Songs der Band wie etwa "Somebody To Love", "Wooden Ship" oder "Volunteers" auf der Tour gespielt wurden, wurde aus der psychedelischen Zeit der Band nur das Stück "Crown Of Creation" für das Album ausgewählt. Der Track "Have You Seen The Saucers", das 1970 als Single erschienen war, sollte erst auf der Kompilation "Early Flight" im Jahre 1974 als Studioaufnahme auf einem Album der Band erscheinen.

Für Stephen Davis vom Musikmagazin Rolling Stone zeigte das Album die Stärken und Schwächen der späten Airplane. Er vermisste die ausgestiegenen Marty Balin und Spencer Dryden, hielt Grace Slicks Darbietung für nicht so gut wie üblich. lobte aber Jorma Kaukonen, Jack Casady und Papa John Creach, vor allem beim elfminütigen Jam Stück "Feel So Good". "Feel So Good" war auch für Lindsay Planer von allmusic das Juwel in einer eher dornigen Rock & Roll-Krone. Insgesamt zeigte das Album die härtere Seite Jefferson Airplanes. Er gab dem Album vier von fünf möglichen Sternen. Die deutsche Musikzeitschrift Sounds nannte "Thirty Seconds Over Winterland" ein solides Rock'n'Roll-Album, das sehnsüchtig an das deutlich bessere, aber unterschätzte erste Livealbum "Bless Its Pointed Little Head" denken liess. Der Titel des Albums zitierte den amerikanischen Kriegsfilm 'Thirty Seconds over Tokyo' aus dem Jahr 1944, was durch das von Bruce Steinberg gestaltete Covermotiv, statt den Flugzeugen der United States Air Force sieben fliegende Toaster, ironisch gebrochen wurde. In den 90er Jahren waren die Flying Toasters eines der bekanntesten Module des Bildschirmschoners After Dark der Berkeley Systems. 1994 verklagten Anwälte der Band Berkeley Systems und behaupteten, die Flying Toasters seien eine Kopie des Albumcovers. Die Klage wurde abgewiesen, da Jefferson Airplane die Toaster nicht als Warenzeichen hatten schützen lassen.

In der Zwischenzeit hatten Paul Kantner und Grace Slick, die auch privat ein Paar geworden waren, mit wechselnden Gastmusikern, die zum Teil schon auf dem Album "Volunteers" zu hören gewesen waren, drei LPs aufgenommen, darunter "Blows Against The Empire", auf welcher der Name Jefferson Starship das erste Mal auftauchte. Aus dieser losen Zusammenarbeit entstand in wechselnder Besetzung, jedoch ohne Jack Casady und Jorma Kaukonen, die wiederum, ihre eigene Bluesband Hot Tuna gegründet hatten, als Nachfolgeband Jefferson Starship, mit der die Kernmusiker in der Folgezeit kommerziell erfolgreich ihre Karriere fortsetzten. "Blows Against The Empire" war das erste Album Paul Kantners, des Sängers, Gitarristen und Mitbegründers von Jefferson Airplane. Das Konzeptalbum wurde im November 1970 veröffentlicht. Der Name Jefferson Starship wurde hier zum ersten Mal auf der Vorderseite und im Innern des Klappcovers für die Musiker verwendet. Ab 1974 firmierte Jefferson Airplane dann offiziell unter diesem neuen Namen.

Das Jahr 1970 war eine Zeit des personellen Umbruchs für Jefferson Airplane. Die Gruppe veröffentlichte in diesem Jahr, vom Best Of-Album "The Worst Of Jefferson Airplane" abgesehen, kein neues Album. Zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin Grace Slick und Musikern Jefferson Airplanes sowie anderer Gruppen aus der San Francisco Bay Area wie Grateful Dead, Crosby, Stills & Nash und Quicksilver Messenger Service nahm Paul Kantner das Album in den Pacific High Recordings und in Wally Heiders Studio auf. Das Album erzählte von einer Gruppe das Establishment ablehnender Angehöriger der Gegenkultur. Sie entführten ein Raumschiff, bauten es für ihre Zwecke um, und flogen damit mit 7000 Menschen an Bord um 1990 ins All auf der Suche nach einem Planeten für einen Neubeginn der Menschheit. Mitverwoben war die private Situation Grace Slicks und Paul Kantners: Während der Aufnahme war Grace Slick mit Tochter China schwanger und sie meinte: "I won't carry the government's children". Musikalisch reichte die Bandbreite vom nur mit einem Banjo begleiteten Wiegenlied "The Baby Tree" über Klangcollagen wie bei "Home" und "XM" bis zu der vom Jefferson Airplane-Album "Volunteers" bekannten Mischung aus Country- und Psychedelic Rock mit mehrstimmigem Gesang. Das Album war 1971 für den Science Fiction-Preis 'Hugo' nominiert. Erst sehr viel später, im Jahre 1983 erschien mit dem Album "The Planet Earth Rock and Roll Orchestra" eine Fortsetzung der Geschichte, die auf "Blows Against The Empire" erzählt wurde.









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