Aug 10, 2016


FARMER NOT SO JOHN - Farmer Not So John
(Compass Records 7 4239 2, 1997)

Farmer Not So John war eine regional ziemlich populäre Band aus Nashville, Tennessee, die oft als sogenannte Alternative Country Band bezeichnet wurde. Mit ihren Bandmitgliedern Mack Linebaugh, Brian Ray, Sean Keith und Richard McLaurin brachte die Gruppe zwei Alben auf dem Label Compass Records heraus. Das selbstbetitelte Debutalbum versprach der Band viel Hoffnung für eine erfolgreiche Zukunft, denn es war extrem vielseitig, bot nebst klassischen Country-Elementen vor allem auch teils rauhen Roots-Rock und auch einen sehr feinen American Folk-Appeal. Auch hatte die Band ein Flair für den klassischen Southern Rock, auch wenn sie mit dem für diesen Musikstil typischen dynamischen Element eher sparsam umging. Im Vordergrund stand vor allem die perfekt passende musikalische Umsetzung der hervorragenden Songtexte und des ebenso begeisterungsfähigen Gesangs von Mack Linebaugh. Hierfür zeichnete vor allem der Gitarrist Richard McLaurin verantwortlich, der ausser der elektrischen und akustischen Gitarre auch die Lap Steel, das Dobro, eine Mandoline, plus die spezielle Octave Mandoline, die Orgel und verschiedenartige, meist dezente Perkussion zum Einsatz brachte, je nachdem, was der entsprechende Song, respektive der Songtext gerade verlangte. Dieses spezifische musikalische Eingehen auf die gesungenen Stories macht dieses Album besonders reizvoll, weil es die kleinen Geschichten hinter den Songtexten erlebbar macht. Gerade diese lyrischen Beiträge erinnern manchmal an Bruce Cockburn, aber auch an Gerry Rafferty oder auch John Hiatt. Musikalisch jedoch fiel fast schon von Beginn weg die Nähe zu Uncle Tupelo, Golden Smog, die Bottle Rockets oder Blue Rodeo und anderen Roots Rock und Americana Bands der damaligen Zeit auf. 

Mack Linebaugh aus Nashville wuchs mit der Musik von R.E.M, Neil Young und Bruce Cockburn auf, konnte mit der traditionellen Countrymusik aus Nashville indes kaum etwas anfangen, wohl auch, weil sein Vater diese Musik pausenlos rauf und runter spielte. Richard McLaurin stammte aus der Pee Dee Region in South Carolina, verliess seine Heimat Mitte der 80er Jahre, übersiedelte nach Nashville ohne einen festen Job und verdiente seine Brötchen durch Engagements in lokalen Bands und später als Tourgitarrist, Lap Steel und Mandolinen Spieler unter anderem für die bekannten Grössen Vassar Clements, Maura O’Connell und Iris DeMent. Mit dem Schlagzeuger Sean R. Keith gründeten Linebaugh und McLaurin dann im Jahre 1995 die Gruppe Farmer Not So John. Anlässlich einer lockeren Jam Session, bei welcher die Gruppe mit diversen zusätzlichen Musikern öffentlich auftrat, ergab sich die Möglichkeit einer Plattenaufnahme durch die Labelverantwortlichen von Compass Records, die von der gebotenen Musik total begeistert waren. McLaurin produzierte daraufhin dieses erste Album der Band.

Ein echtes musikalisches Highlight ist schon der gemütlich funkige Opener "Fire In The Valley", geschrieben von Mack Linebaugh, der sehr viel vom Groove früherer Ry Cooder-Songs aus den 70er Jahren aufweist und perfekt in die Platte einstimmt. "Rusty Weathervane", aus der Feder von Bassist Brian Ray dann kommt schon sehr nahe an den typischen Americana Sound von Uncle Tupelo heran und verströmt diesen herrlichen lockeren Countryrock Groove, mit dem weitaus bekanntere Bands und Musiker viel Geld verdienten. Farmer Not So John gehörten da leider nicht dazu, obschon sie sich der Qualität der grossen und bekannten Vertreter dieses Musikstils hundertprozentig ebenbürtig zeigten. Alle elf Songs des Werks zeugten von sehr solidem Handwerk, sowohl in kompositorischer wie auch in spielerischer Hinsicht und ihre Fähigkeiten gingen weit über die Grenzen eines Debüt-Albums hinaus und liessen in der Tat viel für die Zukunft erhoffen. 

"Paperweight Of The World" mit seiner feinsinnigen Lyrik, "Cradled" mit seiner Nähe zum ursprünglichen Folklore-Song und einem nicht zu erwartenden kernigen Rock-Teil, oder auch "Sacred Cow", das beinahe schon in hypnotischer Weise staubig-kernig nach klassischem Wüstenrock klingt: All diese Songs verfügen über eine enorme emotionale Tiefe, sind perfekt arrangiert und machen das Album zu einem extrem vielschichtigen Hörerlebnis, das in dieser Qualität leider nicht allzu häufig zu finden ist. Trotz einer ausgedehnten Tournee anschliessend an die Veröffentlichung der Platte, und obwohl sich die Kritiker ziemlich begeistert zeigten, hielt sich die Resonanz beim kaufenden Publikum in Grenzen. Zwar erschien die CD landesweit und war auch als Import hier in Europa erhältlich, doch der erhoffte Durchbruch liess noch auf sich warten. Mark Linebaugh erinnert sich an diese Zeit nach der Veröffentlichung und der anschliessenden Tournee: "It was an odd year, there would be incredibly low moments of driving a long way for no money and no people. And then we’d go out and play the "Bottom Line" in New York and have a great response." 

Einen weiteren Grund für das Ausbleiben eines grösseren Erfolges sieht Linebaugh rückwirkend auch in der Band-Arbeit von Richard McLaurin, der damals versuchte, die Band sowohl in die Nähe der gerade angesagten Rockabilly, Hillbilly und Psychobilly Bands zu bringen, was natürlich stilistisch ziemlich fragwürdig war und andererseits aber auch mit den Retro Roots-Bands in Verbindung bringen wollte, um vielleicht der zu oft bemühten und ziemlich nichtssagenden Bezeichnung "Alternative Country" zu entgehen. Linebaugh äusserst sich zu dieser Misere abschliessend: "Anything you want to call this is probably fine. It’s dusty rock’n’roll, or alternative country twice removed. Or it’s some kind of dislocated Heartland jangle blended with pathos, power pop and Peter Rowan." Peter Rowan deshalb, weil dieser (von den Rowan Brothers) auf dem zweiten Album "Receiver" als Gastmusiker in Erscheinung trat und dem Nachfolger noch etwas folkloristischere Züge verlieh.

Ein lustiger Vergleich kam schliesslich auch noch von Mack Linbaugh, als er witzelte, seine Musik könne man so verstehen, dass man den Rock'n'Roll aus den Rolling Stones rausnehme und ihnen stattdessen mehr Countrymusik verpasse. Im Jahr darauf half das deutsche Plattenlabel Blue Rose, dass der Nachfolger "Receiver" auch in Deutschland offiziell erscheinen konnte. Dieses Nachfolgewerk klang wesentlich dunkler und experimenteller. Die Gruppe wollte so etwas wie eine musikalische Metamorphose nachzeichnen. Ausgehend von der Musik auf dem Debutalbum kamen dabei fast Nick Cave-ähnliche Düsterkeit und noch sehr viel mehr staubtrockener Wüstenrock hinzu, was das Album bemerkenswert anders, aber leider nicht besser als das starke Debutalbum machte.

Man kann vielleicht sagen, dass das Debutalbum näher an Werken anderer Künstler und Bands aus diesem musikalischen Bereich war, das zweite eher eigenständig daherkam. Allerdings wirkte das Debutwerk insgesamt qualitativ nachhaltiger und kann aus heutiger Sicht durchaus als eines der leider praktisch unbekannt gebliebenen Meisterwerke dieser Art von Musik bezeichnet werden. Es gibt in musikalischer Hinsicht eben mehr Vergleichsmöglichkeiten beim Debutalbum "Farmer Not So John". "Receiver", das zweite und bereits letzte Album der Band, war zwar eigenständiger, aber nicht wirklich zwingend und vor allem nicht so vielschichtig und kompositorisch begeisternd, auch wenn es mit dem Stück "Paperthin" noch eine Single abwarf, die später für einige Genre-Sampler berücksichtigt wurde. Geholfen hat dies der Band aber letztlich nicht.
 




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