Aug 3, 2016


JASON AND THE SCORCHERS - Thunder And Fire (A&M Records CD 5264, 1989)

Was wären die 80er Rockjahre ohne den amerikanischen Cowpunk, den Country Rock und den Rock'n'Roll gewesen ? Hartnäckig hielt eine grosse Anzahl Musiker an den traditionellen Werten der Rockmusik fest. Diese Musiker liessen sich nicht von irgendwelchen elektronischen Gimmicks verführen wie beispielsweise die gestandenen Bluesrocker von Z.Z. Top, die ihre Werke mit allerlei synthetischem Plastiksound killten und plötzlich nicht mehr beim bierseligen American Bar & Grill rockten, sondern auf den Dancefloors der geschniegelten und gebürstelten Fönfrisuren ihren maschinengesteuerten Groove hämmerten. Jason Ringenberg gehört zu diesen Traditionalisten, die ursprünglich mit der Cowpunk-Welle nach oben gespült wurden und sich dank einer stetigen musikalischen Weiterentwicklung auch relativ lange in der entsprechenden Szene halten konnten. Noch heute spielt Jason Ringenberg eine wichtige Rolle innerhalb des nun mit Americana definierten Musikgenres, das natürlich nicht nur Hillbilly und Western-Traditionen folgt, sondern auch viel Rock'n'Roll und kernigen Rock zu einer angeblich typisch amerikanischen Musik vereint. Wollen wir das mal so stehen lassen. Das ausgereifteste Werk mit seinen Scorchers, Ringenberg's 80er Jahre Band, war "Thunder And Fire", und leider war die Band mit diesem Album de facto schon fast Geschichte. Dass die Kritiker und die Fans dem Werk gegenüber eine eher kritische Haltung einnahmen, liegt vermutlich daran, dass Jason Ringenberg mit dem Wechsel seiner Plattenfirma (von EMI zu A&M) den Gesamtsound in eine eher rockigere Richtung führte, ja manchmal schon fast den Hard Rock Bereich streifte. Dem gegenüber stellte er allerdings dann etwa mit dem wunderschönen akustischen Stück "No Turning Back" mit einer wimmernden und sehnsuchtsvollen Slide Gitarre den Kontrapunkt. Jason Ringenberg löste die Band nach dieser Veröffentlichung auf, spielte jahrelang solo und nahm auch entsprechend Platten auf, reformierte die Gruppe aber später wieder und ist mit ihr bis heute unterwegs. You can't keep a good band down oder so...

Eine ähnliche Entwicklung machten auch die Bands Rank & File oder die Beat Farmers. Auch sie entwickelten sich stetig weiter, landeten schliesslich (besonders Rank & File) beim harten Rock - und erlitten einen kreativen Schiffbruch, von dem sie sich nicht mehr erholten. Wie auch diese beiden in meinen Augen ebenfalls hervorragenden Gruppen, suchten auch Jason und seine Scorchers ständig nach neuen musikalischen Ausdrucksformen. Die sich immer schneller verändernde Musikszene beflügelte damals so einige Musiker und viele konnten mit dem enormen Tempo nicht Schritt halten. Die einen blieben kreativ auf der Strecke, die anderen passten sich so vielen Trends wie möglich an und gerieten dadurch ziemlich schnell zu meist eher billigen Kopisten und nicht selten Karikaturen ihrer selbst. Jason Ringenberg beherrschte allerdings etwas perfekt wie kaum ein anderer Musiker in jenen Jahren: Er wirkte bei allem, was er machte, stets glaubwürdig, konnte amerikanische Musikwurzeln exakt so transportieren, dass sie ein breites Publikum erreichen konnten: Jung und Alt konnten sich auf Jason And The Scorchers verständigen.

Der in Sheffield Illinois geborene Jason Ringenberg gründete Ende 1979 seine erste Formation SHAKESPEARE'S RIOT, der Vorläufer seiner späteren Scorchers. Schon in dieser ersten Band spielte Ringenberg ausschliesslich seine selbst komponierten Songs, die damals noch mehrheitlich dem Rockabilly zugeschrieben wurden, allerdings klangen seine frühen Titel nicht nach 50er Jahren, sondern erhielten einen Touch von Bob Dylan oder Tom Petty, waren oft mit akustischer Gitarre instrumentiert und verfügten trotzdem über einen ziemlich rockigen Grundcharakter, eine Art High Energy Country Rock, mit dem sich die Band schnell eine treue Anhängerschaft schuf. Mit dem Umzug nach Nashville änderte Rringenberg auch den Namen seiner Band und nannte diese fortan Jason And The Scorchers. In Nashville etablierte sich diese neue Formation relativ schnell, denn sie gehörte mit zu den ab den frühen 80er Jahren aufkeimenden Anti-Helden, die am traditionellen Nashville Country Sound heftig rüttelten. Manche Musikkenner begreifen Jason And The Scorchers gar als Mitbegründer der sogenannten Cowpunk-Szene, eine Einschätzung, die ich nicht ganz teilen mag, denn Punker waren Jason und seine Scorchers eigentlich nicht. Allerdings passten sie mit ihrer energetischen wilden Bühnenperformance recht gut in dieses musikalische Raster.

Während der Country Rock und der Rockabilly alleine noch keine wirklichen konzeptionellen Neuerungen darstellten, sah dies plötzlich anders aus, als diese neue junge Musikergeneration diese traditionellen Musikstile mit de Energie des 70er Jahre Punks und dem Alternativen Rock der 80er Jahre vermischten. Begünstigt wurde die stetig wachsende Popularität dieser neuen Musik auch durch den gleichzeitig einsetzenden Niedergang der traditionellen Nashville Country Music zum belanglosen und meist fürchterlich glattgebügelten Mainstream Pop. Das half Jason And The Scorchers und zahlreichen weiteren Bands beim Bekanntwerden doch sehr. Ich möchte an dieser Stelle auch auf die Gruppe Joe JOE KING CARRASCO & THE CROWNS hinweisen, die mit ihrem Cowpunk auch textlich sämtliche Anstands-Schranken auf sehr humoristische Weise herunterreissen konnte, indem sie beispielsweise typische Country Traditionen buchstäblich in den Dreck zog, wenn sie ihren Songs etwa Titel wie "Caca De Vaca" (Kuhscheisse) gab.


Nach zwei EPs in den Jahren 1982 und 1983 veröffentlichten die Scorchers mit "Lost And Found" 1985 ihren ersten Longplayer. Schon jetzt galt die Band als eine der besten sogenannten Alternative Country Rock Bands. Und obwohl die Gruppe für diese erste LP Topkritiken einheimsen konnte, lagen die Verkaufszahlen weit hinter den Erwartungen zurück. Auch das nachfolgende Werk "Still Standing", noch besser bewertet als das Debutalbum, untermauerte die hohe Qualität der Musik von Jason Ringenberg's Truppe. "Good Things Come To Those Who Wait" war ein sehr populärer Song zu der Zeit, der oft und gerne im Radio gespielt wurde. Die Platte erfuhr auch eine weltweite Veröffentlichung, war auch in Deutschland recht erfolgreich und konnte die Band rund um den gesamten Planeten als Live-Attraktion bringen. Bloss die Verkaufszahlen lagen auch hier weit hinter den Erwartungen zurück. Beim dritten Album "Thunder And Fire" schliesslich fehlte auch ein zündender Song, der als Single hätte punkten können. Die ganze Platte wirkte zwar in seinem Zusammenhang aus meiner Sicht top, aber die Charts konnte auch dieses dritte Album, das mittlerweile auf A&M Records erschienen war, nicht erreichen.

"Thunder And Fire" bietet elf hervorragende Songs, die wie bereits erwähnt, stellenweise recht rockig ausgefallen waren, zumindest rockiger als jene auf den zwei Werken zuvor. Jason Ringenberg und wohl vor allem das neue Plattenlabel A&M Records erhoffte sich durch die Straffung des Country Rocks der Band vermutlich eine stilistische Annäherung zum sehr erfolgreichen Sound etwa von 38 SPECIAL, jener Southern und Country Rock Band, die ebenfalls bei A&M Records unter Vertrag stand. Zudem bot das neue Album einige Coverversionen von Songs an, die man allgemein sehr gut kannte und auch gerne hörte, wie beispielsweise das aus der Feder vom in Amerika äusserst populären Musiker Steve Earle stammende "Bible And A Gun". Andererseits berief sich Jason Ringenberg auf einen leider ziemlich in Vergessenheit geratenen fragilen Künstler namens Phil Ochs, von welchem er das Stück "My Kingdom For A Car" neu als kernigen Rocker interpretierte. Trotz zahlreicher weiterer Highlights wie etwa den selbstkomponierten Titeln "Now That You're Mine", "Close Up The Road" und "Lights Out", sowie den zusammen mit Don Schlitz geschriebenen Songs "When Ther Angels Cry" und das herzerweichende "No Turning Back" konnte die Platte letztlich keine grossen Einnahmen generieren, weshalb Jason Ringenberg kurze Zeit später die Reissleine zog und die Scorchers auflöste.

Nach einigen recht erfolgreichen Jahren als Solokünstler reaktivierte er seine Band allerdings wieder und war danach noch viele Jahre mit ihnen unterwegs. Die letzte Platte der Scorchers erschien 2010 und trug den Titel "Halcyon Times" und bot eigentlich noch immer dieselbe herzhafte musikalische Mixtur wie eh und je. Grosse Musik eines Künstlers, der leider immer nur kleine Brötchen backen musste.



 

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