THE BEVIS FROND - Any Gas Faster (Reckless Records RECK 18, 1990)
Vergleicht man die vierte LP von Nick Saloman's Bevis Frond mit den vorgängigen drei Werken, dann fällt beim anhören sofort auf, dass es der Künstler mit seiner Begleitmannschaft hier erstmals schaffte, ein rundum perfektes Album zu präsentieren, das ausschliesslich starke Songs enthielt. Und das hatte bei weitem nicht nur mit dem Umstand zu tun, dass Saloman für diese Aufnahmen in ein professionelles Tonstudio gehen konnte, sondern hing auch damit zusammen, dass der Komponist dank der erweiterten Studiobedingungen (in seinem Homestudio arbeitete er ausschliesslich mit 4-Spur Geräten, was ausgefeilte Arrangements fast per se schon ausschloss) seine neuen Songs wesentlich besser und vielschichtiger ausarbeiten konnte. Der gesamte Sound wurde wesentlich druckvoller als noch auf den Platten zuvor, und auch akustische Zwischenspiele wie etwa das herrliche "These Dark Days" gerieten um einiges lebendiger, filigraner und ganz einfach fein klingender. Ganz besonders in den für The Bevis Frond typischen harten Rockstücken liess sich das feststellen. Der druckvolle Sound überzeugte auf der ganzen Linie, blieb klar und transparent, trotz der hin und wieder verschwurbelt-psychedelischen Elemente. Durch diesen klanglichen Mehrwert gerieten diese harten Songs nicht mehr zu dem manchmal sehr strapaziösen Lärm-Brei wie noch auf den vergangenen drei Alben. Von gar punkiger Intensität erwuchsen nun Titel, die früher noch fast ausschliesslich reinen Noise-Attacken gleich kamen. Das fast manisch wirkende "Olde Worlde" war hierfür ein perfektes Beispiel. Mit seinen durch zwei einander gegenseitig attackierenden Gitarren erzeugenden Spannungsbögen kamen The Bevis Frond hier schon gefährlich nahe an die typischen Gitarren-Sequenzen der amerikanischen Band TELEVISION, in welcher Tom Verlaine zusammen mit seinem zweiten Gitarristen Richard Lloyd auf dem legendären "Marquee Moon" Album begeisterten.
Auch hoch melodische Rocksongs präsentierte Nik Saloman auf dieser Platte. So etwa den herrlich atmosphärischen Titel "This Corner Of England", oder das schon fast hymnisch anmutende Stück "Lord Plentiful Reflects" neben vielen weiteren neuen Songs, die natürlich nachwievor diesen typischen Bevis Frond-Charakter trugen, den die Band schon seit ihren Anfangstagen immer wieder zeigte: Pulsierende Rockstücke, die mal mehr, mal weniger psychedelisch arrangiert waren, Songs, in welchen sich Nick Saloman stärker dem Art Rock zuwenden wollte, aber auch von klassischen Elementen des britischen Progressive Rock seine Inspirationen holte. Das alles vermischte er zu einem einzigartigen Amalgam, das so in dieser Art eigentlich nur er hinbekam. Saloman bewegte sich ganz einfach in seinem völlig eigenen Soundkosmos, der stets alles zuliess, nichts ausklammerte und wenn es dem entsprechenden Song irgendwie dienlich war und eine persönliche Note verlieh, auch schon mal mit unkonventionellen Klangbildern provozierte, ob die nun den Grundcharakter eines Songs zusätzlich aufwerten konnten oder ihn gar in destruktiver Art zerfledderten. Saloman ging in dieser Hinsicht wesentlich weiter und arbeitete sehr viel kreativer als die meisten der damaligen sogenannten "British Neo Psychedelic Bands", die sich spätestens gegen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre einen Platz im Musikgeschäft zu erkämpfen versuchten. The Bevis Frond gehören zu den Pionieren dieses Musikstils, dem in seinen Anfangstagen durchaus auch einmal ein Steven Wilson (Porcupine Tree) verpflichtet gewesen war. Danebst gab es Gruppen wie zum Beispiel Omnia Opera, Nick Riff, die Magic Mushroom Band, The Darkside (nicht die bekannten Neo Hard Rocker dieser Tage) oder Open Mind ("Spiritual Lovers" - ganz starkes Album!), die ebenfalls in diesem musikalischen Bereich spielten. Nick Saloman's Bevis Frond waren allerdings fast so etwas wie die Grateful Dead des pschedelisch-spaceigen Hippierocks.
Auffallend war beim Werk "Any Gas Faster", dass sich die Laufzeiten der Stücke merklich verkürzt hatten. Spielten The Bevis Frond zuvor gerne mal ausufernd, bis zu 15 Minuten lange Lärm-Brecher, so präsentierten sie hier mehrheitlich kompakte Rocksongs, die selten mal die 4 Minuten-Marke knackten. Allerdings wirkten diese nun kürzer arrangierten Songs auch wesentlich authentischer, indem sie dadurch schon gerne mal in die Nähe von frühen Pink Floyd-Sachen kamen, damals noch aus der versponnenen Feder von Syd Barrett. Doch gerade diese nun kürzer gehaltenen Stücke überzeugten hundertprozentig. Es gab auf diesem Album wirklich keinen einzigen mittelmässigen Song zu hören. "Earsong", "Legendary", "Then You Wanted Me": Klasse Rocksongs, die immer wieder abwechslungsreich und spannend in Szene gesetzt wurden. Mir persönlich gefielen und gefallen immer noch die Songs "Your Mind's Gone Gray", "Head On A Pole" und der furiose Opener "Lord Plentiful Reflects" am besten. Aber eigentlich finde ich das gesamte Album extrem unterhaltsam, weil es abwechslungsreich gestaltet ist und mit Saloman's Faible für kleine Finessen in der Bearbeitung der einzelnen Songs, selbst in den kurzen Zwischenspielen wie etwa "Lost Rivers" auch konstant unterhalten und überraschen kan.
Ein weiteres Album aus dem Jahr 1990, "Magic Eye", war eine Zusammenarbeit mit John Charles Alder, besser bekannt als Twink, und seiner Band THE PINK FAIRIES. Es erschien unter dem Namen Bevis And Twink. Auf dem nächsten Bevis Frond Album, "New River Head", das 1991 erschien, waren als Gastmusiker Barry Dransfield und David Tibet beteiligt. 1992 erschien schliesslich "London Stone". Mit diesem Album war die Plattenfirma Reckless Records sehr unzufrieden. Nach dem daraufhin erfolgten Bruch entschied Saloman, das Album auf dem eigenen Label Woronzow Records herauszubringen. Auch alle folgenden Alben sind dort erschienen. Produktiv wie eh und je veröffentlichte Saloman stetig weitere Alben, bis zum Erscheinen von "Hit Squad" im Jahre 2004. Ein paar Jahre zuvor unterzeichnete er einen Vertrag mit Past And Present Records für England und mit Rubric Records für die USA, so dass die meisten der frühen Alben remastert und mit Zusatzstücken ausgestattet wiederveröffentlicht wurden.
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