Aug 20, 2016


STEPPENWOLF - For Ladies Only (ABC Dunhill Records DSX 50110, 1971)

Die legendären Steppenwolf waren spätestens seit dem bis heute unvergessenen Hit "Born To Be Wild" eine der legendären End 60er Bands, die es auch nach diesem Riesenhit einige erfolgreiche Singles feiern konnten, von denen der "Magic Carpet Ride" und vor allem der bluesrockige "The Pusher" die erfolgreichsten waren. Steppenwolf's Frontmann und Sänger John Kay wurde als Joachim Fritz Krauledat am 12. April 1944 in Tilsit (Ostpreussen) geboren. Als er vier Jahre alt war, floh seine Mutter mit ihm aus der sowjetischen Besatzungszone nach Hannover. Dieses Erlebnis wurde von John Kay im Lied "Renegade" auf dem Album "Steppenwolf Seven" verarbeitet. Nach zehn Jahren in Westdeutschland, wo der junge Joachim über die Soldatensender BFBS und AFN den Rock'n'Roll kennenlernte, emigrierte die Familie 1958 nach Kanada.

John Kays erster Band The Sparrow, einer experimentierenden Folk-Gruppe im Torontoer Stadtteil Yorkville und später in San Francisco, war wenig Erfolg beschieden, und so formierte Kay die Band neu mit dem Schlagzeuger Jerry Edmonton, dem Keyboarder Goldy McJohn, dem 17-jährigen Nachwuchs-Gitarristen Michael Monarch (der später zusammen mit dem Silverhead-Sänger Michael Des Barres in deren gemeinsamer Formation Detective spielte) und dem Bassisten Rushton Moreve. Andere Quellen benennen den ebenfalls deutschstämmigten Bassisten Nick St. Nicholas als Gründungsmitglied. Er war Mitglied bei The Sparrow und hatte die Band bereits verlassen, als aus ihr Steppenwolf wurde. Zu dieser Zeit spielte er bei T.I.M.E. Nach dem Weggang Moreves kehrte er zurück und ersetzte diesen. Der Name Steppenwolf wurde nach dem gleichnamigen Roman von Hermann Hesse gewählt. In nur vier Tagen wurde 1968 das Debüt-Album "Steppenwolf" aufgenommen und geriet zum Megaseller und weltweiten Hit. Produzent war Gabriel Mekler von der Plattenfirma Dunhill in Los Angeles.

Der von dem ehemaligen Sparrow-Mitglied Dennis Edmonton, Bruder von Schlagzeuger Jerry Edmonton, als Mars Bonfire geschriebene Song "Born To Be Wild" wurde 1968 der erste Hit der Band. Als dieses Lied 1969 im Road Movie "Easy Rider" die Titelsequenz mit den über die Colorado-Brücke und die Route 66 fahrenden Harley Davidson Motorrädern begleitete, wurde die Band schlagartig weltberühmt. Im Film wurde ausserdem mit Steppenwolf's "The Pusher" ein Drogendeal untermalt, dessen Gewinn in Form von Dollar-Noten symbolträchtig in dem mit der US-Flagge bemalten Benzintank versteckt wird. Das Lied stammt im Original vom Country-Sänger und Schauspieler Hoyt Axton; es richtet sich gegen den profitorientierten Drogenhandel, verteidigt jedoch das individuelle Recht auf Drogenkonsum. Auch in Live-Auftritten verkörperte John Kay das Image des grimmigen Rockers und Outlaws in schwarzem Leder mit dunkler Sonnenbrille. Die Brille trägt er allerdings aufgrund einer angeborenen Achromatopsie; er gilt als legally blind (blind nach gesetzlicher Regelung, seine Sehstärke liegt bei 21 %) und darf somit auch keinen Führerschein erwerben.

Die Band hatte weitere Erfolge mit den Liedern "Magic Carpet Ride", "Hey Lawdy Mama", "Rock Me" und "Monster", mit dem das Amerika der Nixon-Ära kritisiert wurde. 1972 brach die Band nach turbulenten Jahren mit mehreren Umbesetzungen auseinander. Das finale Album "For Ladies Only" war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Es war das erste Album, das weitgehend erfolglos blieb, obschon es musikalisch das vielleicht routinierteste, sich qualitativ jedenfalls als absolut herausragend präsentierte. Schon der dreiteilige Opener "For Ladies Only", der es auf fast 10 Minuten Lauflänge brachte, war bemerkenswert. Der Idee des dreiteiligen "Monster" folgend, das die Band zuvor veröffentlicht hatte, bot das Stück einen tollen Grundgroove, der in der Mitte unterbrochen wurde von einer schon fast der klassischen Musik entlehnten, sich in der Dynamik konsequent steigernden Klavierthematik, um schliesslich wieder zum Grundthema zurückzukehren. Auch die Steppenwolf-typischen Poprock-Songs "Sparkle Eyes", "Shackles & Chains" und ganz besonders das herrlich laidback groovige "I'm Asking", das perfekt dem lockeren Lebensgefühl der kalifornischen Westküste folgte, wusste hundertprozentig zu überzeugen. Und dann war da noch diese göttlich schöne countryfizierte Rockballade "Tenderness" aus der Feder von Mars Bonfire, die bestimmt Jeder schon etliche Male gehört hat, aber vermutlich erstaunt reagiert, wenn er hört, von wem dieses Stück eigentlich gespielt ist.

Rhythmisch gab es auch auf diesem Werk wieder all das zu hören, was vorherige Alben der Band immer auszeichnete: Vielseitige Stücke, allesamt hochmelodisch und mit diesem typischen Anteil kernigem Rock, der kaum je in einem Stück der Band gefehlt hat. Leider war der Platte "For Ladies Only" kein nachhaltiger Erfolg beschieden, und auch heute bleiben nicht viele Musikhörer an diesem brillianten Album hängen, wenn sie sich mit John Kay's Musik befassen wollen, was absolut schade ist, denn die Platte ist in der Tat ein extrem unterschätztes Album. Es ist auch mit Sicherheit auf einem so hohen qualitativen Level, wie es die Band später, als John Kay immer mal wieder zu Reunions ansetzte, nie mehr erreichen konnte. John Kay begann danach eine Solo-Karriere. Mitte der 1970er Jahre traten Steppenwolf noch einmal im Rahmen einer Tour auf, um sich dann abermals zu trennen. Nachdem einige der vielen ehemaligen Bandmitglieder den Namen Steppenwolf für eigene Projekte genutzt hatten, sicherte sich John Kay die Rechte und tritt seither als John Kay and Steppenwolf auf. Die verschworene Anhängerschaft der Band bezeichnet sich als Wolf Pack (Wolfsrudel). Im Jahr 2012 feierten John Kay & Steppenwolf ihr 45-jähriges Bandbestehen.

Da Kay die Band nach dem Roman Hermann Hesse's benannt hatte, lud Hesse's Geburtsstadt Calw ihn 2002 zum Internationalen Hermann Hesse Festival ein, bei dem auch andere von Hesse inspirierte Gruppen, wie zum Beispiel die deutsche Art Rock Band Anyone’s Daughter, auftraten.

Interessant am Rande ist noch, dass das sechste Steppenwolf-Album "For Ladies Only" in Amerika auch wegen seines Plattencovers polarisierte, weil auf der Innenseite des aufklappbaren Albums ein Auto in Form eines Penis zu sehen war, was die Sittenwächter in natürlich sofort auf den Plan rief. Der Band wurde umgehend Sexismus vorgeworfen, was lächerlich war, da John Kay die Songtexte mehrheitlich eher als politische Statements bezüglich Feminismus verstand, was man zwischen den Zeilen auch durchaus herauslesen konnte. Vor allem unter Motorradfahren geniessen Steppenwolf heute Kultstatus, obwohl der farbenblinde und stark kurzsichtige Kay immer wieder betont: "Auf die Gefahr hin, dass das eine Enttäuschung ist: Das Einzige, was ich je auf öffentlichen Strassen an Zweirädern gefahren habe, waren Fahrräder".



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