THE ELECTRIC FLAG - The Band Kept Playing (Atlantic Records SD 18112, 1974)
Die Band spielte erstmals im Jahre 1967 auf dem Monterey Pop Festival. Im gleichen Jahr nahm die Gruppe den Soundtrack für den Film "The Trip" von Roger Corman auf. Im April 1968 erschien ihr erstes reguläres Album "A Long Time Comin'", das von ungewöhnlichen Bläserarrangements geprägt war. Kurze Zeit später stieg Bloomfield aus, ihm folgten bald darauf auch Goldberg und Strazza. Für sie kamen John Simon von Big Brother& The Holding Company, Terry Clements, Hoshal Wright, Virgil Gonsalves und Harold Hunter in die Gruppe. Ebenfalls 1968 erschien das weniger erfolgreiche zweite Album "An American Music Band", auf dem ein lauter und aggressiver Soul-Rock zu hören war. Im Winter 1968/1969 trennte sich die Band bereits wieder. Im Film "Easy Rider" tauchte ihr Song "Flash, Bam, Pow" auf, wurde jedoch nicht mit dem Soundtrack zum Film veröffentlicht.
1972 arrangierten Bloomfield, Miles, Gravenites und Goldberg eine Reunion von The Electric Flag. Als neuer Bassist stieg Roger "Jellyroll" Troy ein. Das in dieser Besetzung entstandene dritte Album "The Band Kept Playing" erntete meiner Meinung nach völlig zu Unrecht schlechte Kritiken, weshalb sich die Band erneut trennte und diesmal leider keine Reunion mehr erfuhr. Man kann heute nur mutmassen, warum diesem hervorragenden Album damals keine positiven Beurteilungen beschieden waren. Ich könnte mir aber denken, dass mit den teils dramatisch unterschiedlichen Charakteren in der Band so mancher Kritiker seine liebe Mühe hatte, denn wo Buddy Miles bereits mit seinem BUDDY MILES EXPRESS in Erscheinung getreten war und engagierten Soul-Jazz-Rock präsentierte; wo ein Barry Goldberg mit seiner kurzlebigen Band IVAR AVENUE REUNION kurz zuvor mit der tollen Sängerin Mama Lion mit einem Bluesrock in verschiedenen Facetten aufwartete; Mike Bloomfield sich auch schon wieder mit seinem Solo-Blues profiliert hatte und schliesslich mit Nick Gravenites als einzigem wieder hundertprozentig hinter dem Unternehmen The Electric Flag stehenden Musiker einen süffigen und teils sehr lockeren Westcoast-orientierten Soul-Rock zeigten, wussten die Schreiberlinge nicht so recht, was sie damit nun anfangen sollten. Die Fans gingen trotzdem an die Konzerte, denn sie wollten vor allem ihre Helden wieder zusammen auf der Bühne sehen. Viele Konzerte absolvierte die Band indes nicht, da ja alle beteiligten Musiker inzwischen auch ihre eigenen Projekte verfolgten.
Die auf "The Band Kept Playing" präsentierte Musik war indes genauso vielseitig, wie es die Charakteren der beteiligten Musiker waren. Der aus der gemeinsamen Feder von Roger Troy und Mike Bloomfield stammende Slow-Soul "Sweet Soul Music" eröffnete das Album sehr gedämpft und sehr stimmungsvoll mit einer herrlich relaxten Nummer, die schon sehr von dem abwich, was die Band einige Jahre zuvor gespielt hatte. Hier war schon sofort der Einfluss der Westküste zu hören. "Every Now And Then", komponiert von Buddy Miles und Roger Troy fiel demgegenüber wesentlich rhythmischer aus. Der Song trug ganz klar die Handschrift des Schlagzeugers Miles, der auch auf diesem Album stets für einen gewissen Vorwärtsdrang sorgte, auch in den eher langsameren Nummern. "Sudden Change" glänzte durch den gemeinsamen Gesang von Roger Troy und Buddy Miles. Letzter hatte auch vorher schon bewiesen, dass er auch ein ganz hervorragender Sänger sein kann und nicht nur das Schlagzeugspiel perfekt beherrscht.
"Earthquake Country" dürfte das erste musikalische Highlight auf diesem Album sein: Ein mächtig aufsteigender Bluesrock, zäh in seiner Rhythmik, schleppend und bleischwer arrangiert. Die Nummer aus der Feder von Nick Gravenites wurde auch von ihm gleich eingesungen und damit hatte sich Gravenites natürlich einen tollen Song perfekt auf den Leib geschrieben. Diesen Groove, der an eine schwere Lokomotive erinnert, die stoisch die Schienen entlang rollt, präsentierte die Band auf diesem Album leider nur bei diesem einen Stück. Da hätte man sich sehr gerne mehr von gewünscht. Für das nachfolgende Stück "Doctor Oh Doctor (Massive Infusion)" gilt imgrunde genau dasselbe. Wiederum ein Stück von Nick Gravenites, auch von ihm selbst gesungen und ein weiterer musikalischer Höhepunkt. Man darf in der Tat konstatieren, dass diese Platte von Electric Flag vor allem durch seine Arbeit an diesen zwei Stücken viel an Gehalt erfährt.
Mit dem von Buddy Miles sehr schön gesungenen "Lovely Song", einem Titel von Mark Naftalin, ehemaliges Mitglied der Paul Butterfield Blues Band, folgte wieder eine sehr schöne und unspektakuläre soulige Nummer, mit dem von Barry Goldberg's Orgel dominierten Stück "Make Your Move" ebenfalls eine herrliche Nummer, die dank dem erneuten Leadgesang von Buddy Miles wieder diesen wundervollen laidbacken Soul-Charakter erfuhr. Mit dem Sonny Thompson-Stück "Inside Information", von Roger Troy gesungen, dem von Buddy Miles gesungenen "Talkin' Won't Get It" aus der Feder von Mike Bloomfield und Buddy Miles, sowie dem das Album beschliessenden Titeltrack "The Band Kept Playing" von Mike Bloomfield, noch einmal gesanglich hervorragend dargeboten von Nick Gravenites, präsentierten die Musiker noch drei weitere weit überdurchschnittliche Songs, die sich immer schön ausgependelt zwischen Rock- und Soulmusik bewegten und das Album letztlich trotz ihrer vor allem gesanglichen Vielfalt zu einem homogenen Ganzen werden liessen.
Natürlich war zu jener Zeit einfach extrem viel gute Musik am Start, 1974 etablierten sich gerade in den USA neue, aufstrebende Bands mit dieser lockeren Westcoast-infiszierten Rockmusik, man denke da nur etwa an die Doobie Brothers oder Steely Dan. Gegen diese neue Konkurrenz wirkte die Gruppe The Electric Flag im direkten musikalischen Vergleich dann letztlich vielleicht doch schon fast wie ein Anachronismus, obwohl die Gruppe für dieses quasi Reunion-Album mit dem hervorragenden und renommierten Mundharmonikaspieler Richard "The King Biscuit Boy" Newell, dem Keyboarder Richard Tee und dem Mellotron- und Moog-Spieler Barry Beckett noch zusätzliche prominente Unterstützung mit ins Tonstudio geholt hatte. Ausserdem gaben die Bläser der legendären Muscle Shoals Horns den Songs einen zusätzlichen Tiefgang. Bleibt noch die Produktion von Jerry Wexler. Zu seinem Namen braucht man allerdings nichts mehr zu schreiben. Er war immer ein Garant für hervorragende Werke aus den Bereichen Rock, Soul und Funk.
Das Album "The Band Kept Playing" ist auf jeden Fall wesentlich besser als sein damaliger Ruf, für mich persönlich sogar eines der besten Soul Rock-Alben der 70er Jahre, weil es dank der leicht bluesigen Einflüsse vor allem zweier ihrer Mitglieder (Mike Bloomfield und Nick Gravenites) genau jenes Quentchen Traditionalismus präsentiert, das bei stilistisch ähnlichen Alben anderer Bands und Musiker zumeist fehlen.
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