Dec 19, 2016

SAVOY BROWN - Train To Nowhere (Secret Records SECDD015, 2010)

Die Coveroptik liess auf den ersten Blick vermuten, dass es sich bei dieser zwei CDs umfassenden Konzertveröffentlichung womöglich um ein Bootleg handeln könnte. Die Trackliste hielt mich dann auch einige Zeit davon ab, mir dieses Werk zuzulegen. Wie sich allerdings herausstellen sollte, waren meine Zweifel unbegründet, denn als ich diese Veröffentlichung einer Hörprobe unterzog, sah ich mich mit einem erstaunlich guten Live-Dokument konfrontiert, das die Band bei zwei Auftritten an hochkarätiger Knochenarbeit zeigte. Bei dem Set handelte es sich um zwei Radioshows, welche Savoy Brown in den Jahren 1997 und 1998 in Triobesetzung präsentierte, in ganz formidabler Klangqualität, die sich derer einer offiziellen Live-Veröffentlichung absolut ebenbürtig zeigte.

Die Doppel-CD ist bezüglich Live-Programm ebenfalls hochinteressant. Der Sound wiederum ist vom Mischpult direkt gezogen, Mixdown gibt es keinen, weshalb alle Stücke auf diesem Doppler roh und ungeschliffen klingen, allerdings extrem gut ausgepegelt, ohne irgendwelche störenden Drop Outs oder Fehlern in der Uebertragung. Die Live-Atmosphäre ist sehr gut eingefangen, was dafür spricht, dass wohl qualitativ hochwertige Raum-Mikrophone verwendet wurden, welche einerseits dem Sound den gewissen Raumhall gaben, auf der anderen Seite auch die Audience hervorragend einfangen konnten. Das klingt ehrlich, ungefiltert und echt "live". Die Songs auf den beiden CDs stammen von zwei Live-Konzerten, die für das Radio mitgeschnitten und ausgestrahlt wurden. die eine Show fand in Rochester, New York am 14. August 1997 statt, die zweite in Tampa, Florida am 9. Märzdes Folgejahres. Die Bandbesetzung war damals beide Male nur im Trio. So hatte ich sie damals auch selber live erlebt, mit dem genialen Bassisten und Sänger Nathaniel Peterson, der eine lange und sehr mysteriöse Karriere hinter sich hatte. Unter anderem war er in den 80er Jahren auch mal als Exorzist (Teufelsaustreiber) im Schweizer Kanton Wallis unterwegs. Nach seinem Aufenthalt bei Savoy Brown liess er sich dann in Italien nieder, wo er unter dem Bandnamen "Twin Dragons" ein sehr rauhes Bluesrock-Album einspielte, das nie offiziell veröffentlicht, an Konzerten aber verkauft wurde und sehr gesucht ist in Sammlerkreisen.

Zu den Stücken, welche die Band an diesen beiden Konzerten gespielt hatte, lässt sich sagen, dass Kim Simmonds damals ein recht ausgewogenes Live-Programm präsentierte, das einen grossen Teil seiner gesamten musikalischen Biographie abdeckte. So waren gut durchmischt alte wie neuere Stücke zu hören, die einander nicht störten, sondern gut ergänzten und insgesamt ein homogenes Ganzes bildeten, das abwechslungsreich und vielseitig zusammengestellt war und seine Wirkung beim Publikum nicht verfehlte. Jedenfalls kann man dank der direkten Aufarbeitung der beiden Auftritte viel vom begeisterten Publikum hören. Da wurde kein Beifall, kein Zwischenruf oder kein Mitgröhlen zurückgefiltert oder gar ausgemerzt. Herausragendster Track war aus meiner Sicht der "Louisiana Blues", dieser schnelle Blues, der es hier auf eine Spielzeit von 21:30 Minuten brachte, und von Kim Simmonds im Intro als "psychedelische Reise" angekündigt wurde. Und so klang dann diese Version auch ziemlich psychedelisch. Wobei sich die entsprechenden Effekte natürlich auf Kim's Gitarrenarbeit beschränkten. Diese hatte es allerdings in sich. Den "Louisiana Blues" gibt es, so wie hier präsentiert, auf keinem anderen Live-Dokument von Savoy Brown zu hören.


Herausragend ausserdem auch der Song "Stay While The Night Is Young". Im Original auf der Studioscheibe "Raw Sienna" in einer Songlänge von etwas über 3 Minuten zu finden, kam diese Live-Version auf über 12 Minuten Jam-Länge und beinhaltete einen langen sehr beseelten Soloteil von Kim Simmonds, der in seiner Grundstruktur recht jazzig ausgerichtet war. Das erstaunt deshalb, weil Kim Simmonds in seinem singenden Bass-Partner Nathaniel Peterson eigentlich eher einen bodenständigen Bluesrocker in der Band hatte, und auch die Schlagzeuger Al Cash (beim Auftritt in Rochester) und "T" Xiques (beim Konzert in Tampa) sich doch eher als ziemlich trocken ("tight") spielende Rockschlagzeuger präsentierten. Darin lag letztlich wohl das wirklich Interessante: Auf der einen Seite der Bandleader Kim Simmonds, der mit seinem Instrument, das er auch immer gerne mal wechselte auf der Bühne, immer wieder sehr abwechslungsreich seine bunte Palette aus Rock-, Blues- und Jazzspiel zeigte, und auf der anderen Seite die stoisch Boden machende Bass/Schlagzeug-Wand präsentierte, die nur äusserst selten mal filigranere Töne einschlug. Und dennoch wirken Savoy Brown in diesen beiden Trio-Besetzungen wesentlich transparenter und auch spielwitziger als so manch frühere Band-Inkarnation, die zeitweise bis zu sieben Bandmitglieder aufwies.

Die unverwüstlichen Savoy Brown-Klassiker "Train To Nowhere", "Looking In", der "Louisiana Blues" und "Little Wheel" standen an den beiden Auftritten neueren, ebenso guten Songs wie "Mr. Brown's Boogie", "Too Much Of A Good Thing", "Bad Shape" und "Mississippi Steamboat" gegenüber. Eine herrliche Version von "Little Red Rooster", auf welcher vor allem Nathaniel Peterson als bäriger Sänger mit sonorer und warmer Stimme brillierte, sowie der unvermeidliche "Savoy Brown Boogie" boten eine Bluesrock-Party pur. Dieser meist weit über 20 Minuten lange "Boogie", der seinen Ursprung in der Veröffentlichung der LP "A Step Further" sah und eine ganze LP-Seite füllte, wurde hier mit "Savoy Brown Medley" betitelt und enthielt eine grossartige Long Jam, in welcher Kim Simmonds mit seinen Mitmusikern seine Erfolgsnummern "
Shes Got A Ring In His Nose And A Ring On Her Hand", "Street Corner Talking", "Hellbound Train, "Wang Dang Doodle" und "Tell Mama" als Medley kompilierte und in einem Guss durchspielte, mit zahlreichen interessanten und engagierten Solodarbietungen. Ein weiteres Highlight war die in Rochester gespielte Version von "Stay While The Night Is Young", einer der schönsten lässig-lockeren Jazznummern aus dem "Raw Sienna"-Album von 1970, hier in einer über 12 Minuten langen Variante.

Wenn man berücksichtigt, dass dies keine offizielle Live-Veröffentlichung war, ist es, verglichen mit den "Offiziellen" oder gar den Bootlegs, welche es von Kim Simmonds' Band Savoy Brown doch recht zahlreich gibt, klar ein konzertantes Highlight. Die Band klingt hier bei beiden Auftritten abgespeckt auf's Minimum, roh, ungeschliffen und die Aufnahme ist, auf nichtoffizielle Veröffentlichugnen bezogen, als ausgezeichnet zu werten. Es sind meines Wissens auch die einzigen Radioshows von Savoy Brown, die man regulär kaufen kann und sie sind ihr Geld absolut wert. Für mich ganz klar eine der grossen Empfehlungen in Sachen Live-Bluesrock Musik.


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