Dec 28, 2016

STRIDER - Misunderstood (GM Records GML 1012, 1974)

"Misunderstood" war 1974 das zweite und bereits letzte Lebenszeichen von Strider, einer der vielleicht besten bluesigen Hardrock-Bands der 70er Jahr, die niemand kannte. Dieses, auch von Sammlern häufig übersehene Werk, blieb bis heute nahezu unbekannt, verkaufte sich damals auch ausserordentlich schlecht. Man kann das angesichts der gebotenen Musik auf dieser LP kaum nachvollziehen. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass man es bei Strider mit einer regelrechten Supergroup zu tun hatte, deren Mitglieder ausnahmslos hochkarätige Musiker mit prominenter Vergangenheit waren. "Misunderstood" halte ich wie einige wenige Rockfans für einen echten Meilenstein des 70er Jahre Rock. Die Band, die aus Gary Grainger, Tony Brock, Ian Kewley, Lee Strzelczyk und Rob Elliott bestand, darf man durchaus als ein einmaliges Stelldichein von Top-Musikern bezeichnen.

Die 1972 in London gegründete Truppe bestach durch glanzvolle instrumentale Leistungen und einen markanten, sehr guten Leadsänger. Rob Elliott war der vormalige Sänger auf dem legendären Album "Death May Be Your Santa Claus" der Gruppe Second Hand. Elliott komponierte praktisch sämtliche Songs auf jenem herausragenden Rock-Werk, das längst Kultstatus erlangt hat. Elliott schloss sich später der Band Seventh Wave an. Zu dem hervorragenden Sänger gesellte sich bei Strider der Gitarrist Gary Grainger, der zu dem Zeitpunkt ebenfalls längst kein Unbekannter mehr war. Grainger, der später der Band Strapps beitrat und danach Gitarrist in Rod Stewart's Band wurde, spielte bereits für Roger Daltrey und Roger Entwistle auf deren Solo-Tourneen und auch auf deren Soloplatten. Seine Vielseitigkeit und stilistische Unvoreingenommenheit machten ihn zu einem gut gebuchten Studiogitarristen. Er spielte Blues, Rock, Funk und Jazz gleichermassen exzellent. Der Keyboarder Ian Kewley, der auch den zweiten Gesang beisteuerte, stand nach seiner Zeit bei Strider unter anderem in den Diensten von David Gilmour (LP "About Face"), wirkte auf Platten von Limey, Paul Young, The Alarm und auch von Stan Webb's Chicken Shack mit, bevor er zur Gründungsmannschaft der Manic Street Preachers gehörte.

Der Strider-Bassist Lee Strzelczyk ersetzte den zuvor aus der Band ausgschiedenen Lee Hunter, kam von National Flag und der originale Schlagzeuger Jimmy Hawkins war auf dem zweiten Album auch nicht mehr mit dabei. An seine Stelle trat Tony Brock, der ehemalige Schlagzeuger der Gruppe Spontaneous Combustion, der später Mitbegründer der sehr erfolgreichen Power Pop-Band The Babys wurde. In ihren frühen Tagen spielten Strider oft als Support Acts für berühmte Rock-Bands wie etwa Humble Pie, Status Quo und Deep Purple. Ihr Debutalbum ''Exposed" wurde 1973 auf Phillips Records veröffentlicht und präsentierte als Gastsängerin die ehemalige Background- und Lead-Sängerin Jennie Haan von Babe Ruth. Zusammen boten Strider einen hervorragenden musikalischen Mix aus Blue-, Heavy- und Hardrock, stets angereichert durch leise und recht anspruchsvolle Klänge, die recht typisch für die damalige Zeit waren. Man konnte schon musikalische Gemeinsamkeiten etwa mit April Wine oder den späteren Nutz heraushören, jedoch auch leicht Glamrock-artige Momente in Richtung frühe Mott The Hoople. 

Die Platte beginnt recht spannend mit einer leisen Gitarre, der Rhythmus wird untermalt von wabernden Spährenklängen des Keyboarders und verhaltenem Zischen der Becken, der Bass setzt ein und nimmt den Rhythmus der Gitarre auf. Der Sänger singt zwei Zeilen einer verhaltenen Melodie, bis die Band mit voller Breitseite losrockt. Sänger Rob Elliott schreit einem mit gewaltiger Nebelhorn gleicher Stimme sein "Open Your Eyes" unerwartet in die Gehörgänge und macht dies in den folgenden 40 Minuten ohne Unterlass. Krachender, vom Blues beeinflusster harter Rock, der ohne dumpfes Geballer auskommt und mitunter klingt, als wäre eine Pubrock Band der harten Gangart verfallen. Gary Grainger spielt eine aussergewöhnlich beseelte, zupackende Gitarre. Das fand dann schliesslich auch Rod Stewart, der schon kurz nach der Veröffentlichung des Albums "Misunderstood" den Gitarristen Grainger für seine eigene Band verpflichtete, was letztlich auch das Ende von Strider bedeutete. Der Schlagzeuger Tony Brock war aus meiner Sicht so etwas wie der Prototyp des Hard Rock Drummers mit seinem knappen, harten, präzisen und technisch anspruchsvollen Spiel. Er war nach dem Aus der Gruppe Strider Mitglied der erfolgreichen Power Pop Gruppe The Babys und ersetzte nach deren Auflösung immerhin keinen Geringeren als den legendären Carmine Appice in Rod Stewart's Band.

Ian Kewley spielt zurückhaltend aber songdienlich, der Bassmann mit dem herrlichen Namen macht seinen Job, fällt aber nicht weiter auf. Der unbestrittene Star der Band ist aber zweifelsfrei Rob Elliott mit seiner überaus kraftvollen Stimme. Der Mann kann echt singen,
auch die schwierigen Passagen auf der Ballade "Wing Tips", mit den herzzerreissenden Falsett-Einlagen meistert er souverän. Eigentlich sehr eigenartig, dass man nie vorher und auch nicht nach seinem Engagement bei Strider je wieder etwas von ihm gehört hat. Elliott entsprach eben auch nicht dem fast schon gängigen Cliché des in Whiskey badenden Shouters mit der Reibeisenstimme. Bei mir haben sich über all die Jahre viele der Songs festgehakt, ich weiss nicht ob der Begriff Ohrwurm negativ besetzt ist, aber anders als bei vielen Platten von populäreren Bands kann ich von der "Misunderstood" jedes Stück durchaus mit diesem Etikett versehen.

Die besten Titel dieses zweiten Strider Albums sind auf jeden Fall das auch als Single veröffentlichte "Seems So Easy", das damals ab und zu auch im deutschen Radio zu hören war, die Charts aber nicht mal annähernd schaffte; das bereits erwähnte "Wing Tips" mit der grossartigen Falsett-Stimmeinlage von Rob Elliott. Aber auch die Brecher "Open Your Eyes" und "Crossed Line" dürfen als Highlights bezeichnet werden. Nicht zu vergessen das Funk Rock Brett "Already Monday", das schon ähnlich klingt wie Mick Moody's Band Snafu zur selben Zeit, mit dem tollen Sänger Bobby Harrison. Es ist echt schade, dass die Musiker nicht länger durchgehalten haben. Es wäre bestimmt mehr aus der Band zu machen gewesen, hätte sie sich nur selbst ein bisschen mehr Zeit gegeben. Aber wenn aufgrund von hohen musikalischen Qualitäten natürlich Offertanfragen eines Rod Stewart kommen, kann man natürlich schlecht neine sagen. Für jeden Musiker kann es einen Karrierekick bedeuten, wenn er mit einem Weltstar musizieren darf. Um die Band Strider ist dies aber auf jeden Fall jammerschade.




1 comment:

  1. Ich habe Strider, in meiner Zeit in London, etliche Male gesehen, u.a. im Londoner Marquee mehrmals.

    Ich muss ein paar Sachen ergänzen :

    Man hat sich nicht "aufgelöst" mangels Lust oder Erfolg, sondern viel mehr hat die Band keinen Cent gesehen, von ihren LP Verkäufen. Wie so viele andere Bands aus dieser Zeit.

    Es gab sogar schon Aufnahmen für eine dritte LP, die lt. Gary Grainger, aber in den Marquee Studios "verschollen" sind. Selbst Grainger hat keine Kopien davon.

    Rob Elliott hat danach in der Band seines Bruders gesungen, die Band "Seventh Wave", von der es zwei LPs gibt. Das war allerdings eine völlig andere Musikrichtung.
    Mit 29 Jahren wurde er sehr krank und konnte nicht mehr singen oder auftreten.

    Die Informationen habe ich von Gary Grainger und von Rob Elliott`s Schwester.

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