RANK AND FILE - Sundown (Slash Records SR-114, 1982)
'Rank and File' ist ein englischer Ausdruck für die Basis einer Organisation oder eines Betriebes, das heisst die Mitglieder einer Einheit ohne ihre Führungskräfte. Der Ausdruck wird vor allem im Bereich von politischen Parteien und Gewerkschaften gebraucht und beruht auf der Ordnung, in der Soldaten und Unteroffiziere der Armee bei einer Militärparade antreten. Rank And File waren aber auch eine Post Punk Band, welche im Jahre 1981 aus der Fusion zweier Punkbands aus dem Raum Los Angeles und San Diego hervorgingen. Die beiden Brüder Chip Kinman (Gitarre und Gesang) und Tony Kinman (Bass und Gesang) spielten zuvor bei den Polit-Punkern Dils, welche mit der Single "I Hate The Rich" für ziemliches Aufsehen sorgten. Alejandro Escovedo, zuvor erster Gitarrist bei den Nuns und der Schlagzeuger Slim Evans schlossen sich den erfrischenden simplen Ideen der Kinman Brüder an und folgten ihnen nach Austin in Texas. Rank And File spielten recht einfache und typisch amerikanische Musik, die zweifellos von Beginn weg nicht nur vom Rock härterer Gangart, sondern auch vom traditionellen Country And Western inspiriert war, was die Band schliesslich zu Trendsettern werden liess: Der Cowpunk war nicht zuletzt eine Stilart, die von Rank And File entscheidend mitlanciert wurde. Gleich ihr erstes Album "Sundown" erhielt diesbezüglich erfreuliche Kritiken, die von einer witzigen und subversiven Verdrehung des Lagerfeuer-Realismus sprachen, deren Sound gleichzeitig aber auch als delikater und kraftvoller Cowboy-Rock gelobt wurde.
1980 war die erste Punkbewegung praktisch gelaufen. Auch in den USA ebbte die Welle rasch ab und es etablierten sich zwei neue stilistische Zweige: Auf der einen Seite kam der kompromisslose Hardcore auf, der besonders in den 80er Jahren sehr erfolgreich war durch Bands wie etwa Black Flag oder die Dead Kennedys, Greg Ginn und die Bad Brains; andererseits der sogenannte 'Mall Punk' (auch als 'Mallcore' bekannt), der mehr oder weniger schnell und riffig und dreckig aufspielte, inhaltlich jedoch meist keine ideologische Message mehr transportierte, sondern eher dem musikalischen Spass folgte und dem beispielsweise auch die Ramones angehörten. Der 'Mall Punk' führte schliesslich zum EMO Revival, das mit Green Day ihren populärsten Vertretere hervor brachte. Die neu formierten Rank And File brachten als weiteres stilistisches Mittel noch dezente Reggae-Klänge in ihre Stücke mit ein, was sie in dem neu definierten Punk-Umfeld recht einzigartig machte. Von Reggae-Anleihen war allerdings auf dem späteren Debutalbum "Sunfown" kaum mehr etwas zu hören. Alejandro Escovedo gab als Hauptkomponente beim 1982 erschienenen Werk eher Country-Einflüsse an, die typischen Punk-Merkmale gerieten zunehmends in den Hintergrund. Dies folgte einem weiteren, sich abzeichnenden neuen musikalischen Trend, dem sogenannten Cowpunk, der nur kurze Zeit später mindestens so populär wurde und in den USA Künstler und Bands wie beispielsweise Joe 'King' Carrasco & The Crowns, Jason (Ringenberg) And The Scorchers, die Meat Puppets und Rubber Rodeo hervorbrachte, wobei gerade die Letzteren entgegen ihrem eindeutigen Bandnamen eher weniger Country-, dafür umso mehr harte Rock-Elemente in ihrer Musik präsentierten.
Das Auffälligste am Debutalbum von Rank And File war sicherlich der sehr transparente und glasklare Sound, zumindest auf dem nicht ganz ausproduzierten Debutalbum. Das liess dieses Werk einerseits recht spartanisch wirken, andererseits klang es wesentlich glaubwürdiger als manche der üppig produzierten typischen Hochglanzproduktionen beispielsweise aus Nashville. Das Einzige, was gleich zu Beginn des Albums schon beim Opener "Amanda Ruth" auffiel war der relativ blasse Tiefenbereich, dem etwas die entscheidende Bass-Wärme fehlte. Dieser recht kühle Gesamtsound zog sich letztlich durch das gesamte Album. Wenn man aber heute dieses Werk wieder auflegt, spürt man sofort eine wohlige, ehrliche Atmosphäre, die noch heute angenehm wirkt, vor allem in Zeiten, in welchem man nur noch mit überproduzierten lärmigen Sachen konfrontiert wird. Gerade deshalb empfiehlt es sich auch unbedingt, die originale Vinyl-Ausgabe dieser Platte zu suchen, da dieser prägnante Sound auf einer CD-Variante einfach kein angenehmes Flair versprüht, flach und unemotional auf den Zuhörer wirkt.
Insbesondere wenn man sich heute das Debutalbum "Sundown" anhört, stellt man durchaus fest, dass Rank And File vielleicht auch die erste sogenannte Roots Rock Band gewesen ist, denn viele musikalische und stilistische Zutaten des längst etablierten klassischen Roots Rock finden sich auf diesem Debutalbum wieder - und zwar in purer und lupenreiner Art. Rank And File zeigten hier noch vor den Genre-Dominierern Jason & The Scorchers die Möglichkeiten der Einflussnahme traditioneller Country & Western Elemente auf bodenständige Rockmusik auf, ohne auf Punk-Traditionen gänzlich zu verzichten. Nebst dem drallen Vorwärtskurs ihrer Lieder offenbarten sich viele Songs auch als Perlen, die von den Byrds, von Gram Parsons und von Merle Haggard inspiriert waren. Auch der Harmoniegesang stand bei der Band Rank And File von Beginn weg ganz oben auf der Erkennungs-Skala: Hier standen durchaus die typischen Gesangsarrangements der Everly Brothers Pate. Unklischeetiert wirkten auch ihre Songs, die vor allem das immense Talent von Alejandro Escovedo offenbarten. Es ist sehr schade, dass Escovedo dann bereits nach diesem vielversprechenden und aus heutiger Sicht klassischen Roots Rock Album die Band bereits verliess, um sich einer Solokarriere zu widmen, die zugegebenermassen sehr erfolgreich verlaufen sollte. Davor gründete er allerdings eine weitere vielversprechende Band, die True Believers, die aber ebenfalls nach nur einem einzigen und nicht minder brillianten Album wieder Geschichte waren. Ein zweites True Believers-Album wurde zwar eingespielt, aber nicht veröffentlicht. Erst 1994 erschien es als Beilage zu einer Wiederveröffentlichung des Debutalbums.
Nach dem tollen "Sundown" brachten Rank And File zwei weitere Alben auf den Markt, nunmehr ohne ihren stilistischen Mentor Alejandro Escovedo. Mit dem im Jahre 1984 veröffentlichten "Long Gone Dead" nährte die Band die Hoffnung, dass noch einige Alben von dieser ausgesuchten Qualität folgen würden, denn auch dieses Zweitwerk war brilliant, jedoch wesentlich stärker ausproduziert als das archaisch wirkende Debutalbum. Die Gruppe vollzog allerdings nach dem zweiten Album einen radikalen Stilwechsel und veröffentlichten mit dem selbstbetitelten Werk "Rank & File" im Jahre 1987 ein Rock'n'Roll-Album, das stark Hard Rock orientiert klang, eine musikalische Neuausrichtung, welche beim treuen Publikum jedoch nicht ankam. Rank And File trennten sich in der Folge. Die Kinman-Brüder lancierten anschliessend ein neues Bandprojekt unter dem Namen Blackbird, das noch einmal einen radikalen Soundwechsel bedeutete: Der Synthesizer-lastige Popsound fand keine Käufer und endete so schnell, wie er begonnen hatte.
No comments:
Post a Comment