Aug 22, 2017


GRAND FUNK - Shinin' On (Capitol Records SWAE-11278, 1974)

Grand Funk Railroad zählten in den frühen 70er Jahren zu den erfolgreichsten Rockbands in den USA. Künstlerisch umstritten, von Zeitgenossen oft wegen eines wenig innovativen, um Effekte bemühten Stils kritisiert, genoss die Band in ihren ersten Jahren dennoch grosses Ansehen bei Musikkonsumenten und übertraf bei einem Konzert am 9. Juli 1971 im New Yorker Shea Stadium den sechs Jahre zuvor aufgestellten Einnahmerekord der Beatles. Die Gründungsmitglieder von Grand Funk Railroad waren der Sänger und Gitarrist Mark Farner und der Schlagzeuger Don Brewer aus Flint, Michigan sowie der Bassist Mel Schacher aus Owosso, ebenfalls im Bundesstaat Michigan. Die drei Musiker kannten sich seit ihren Teenagerjahren. Ihr Einstieg ins Musikgeschäft erfolgte, nachdem Don Brewer den Sänger der Band The Pack kennengelernt hatte, Terry Knight, der ab 1969 das Management von Grand Funk Railroad übernahm. Terry Knight stammte ebenfalls aus Flint und war ein populärer Discjockey einer Radiostation in Detroit. Nachdem er im Alter von 20 Jahren von seinem Sender wegen seiner aufbrausenden Persönlichkeit entlassen wurde, trat er The Pack als Leadsänger bei. Die Band nannte sich später denn auch Terry Knight And The Pack. Don Brewer und Mark Farner schlossen sich ebenfalls The Pack an. Sie brachten es zu einer Reihe lokaler Hits, bis Knights schwieriger Charakter die Band auseinanderfallen liess.

Don Brewer und Mark Farner beschlossen deshalb im Jahre 1968, eine eigene Band zu gründen. Wenig später trat Mel Schacher der Gruppe bei. Brewer verpflichtete Terry Knight, das zunächst noch namenlose Trio zu beraten. Der Anfang 1969 eingeführte Bandname bezog sich auf eine Eisenbahnlinie, die durch Brewers und Farners Heimatstadt Flint verlief. Knight übernahm das Management unter der Bedingung, in allen wichtigen Belangen freie Hand zu haben. Bereits im Frühjahr 1969 organisierte er den ersten Auftritt der Band in Buffalo (New York). In der Folgezeit prägte er alleinverantwortlich und konsequent den Stil der Gruppe und beherrschte deren Entwicklung als Pressesprecher, Verleger, Produzent und Verantwortlicher für die aussergewöhnliche Aufmachung der Band.

Ihren endgültigen Durchbruch erlebten Grand Funk Railroad auf dem Atlanta Pop Festival am 4. Juli 1969, wo sie ohne Gage spielten. Ermutigt durch das grosse Faninteresse, sprach Knight anschliessend bei Plattenfirmen vor und erreichte, dass Capitol Records die Gruppe unter Vertrag nahm. Ihr erstes Album "On Time" wurde zum musikalischen Muster für alle nachfolgenden Werke. Als unmelodisch und zu laut wurde die Musik der Band von vielen Rezensenten geschmäht. Rod Stewart bezeichnete sie einmal als 'the all-time loud white noise' (deutsch: permanentes weisses Rauschen). Trotz der teils massiven Kritik vieler britischer und amerikanischer Rezensenten und Musikzeitschriften spielten Grand Funk Railroad eine Serie von mit goldenen Schallplatten ausgezeichneten Alben ein und traten erfolgreich in den USA und Europa auf.

Der Begriff Heavy Rock war indes äusserst irreführend, da man Parallelen zu der grossen Stilrichtung Heavy Metal vermuten könnte, die bei Grand Funk Railroad jedoch gar nicht existierten. Mit der Stilrichtung Heavy Metal, die erst später entstand, hatte die Band allenfalls die Härte und die Lautstärke gemeinsam. Diese Härte beruhte aber nicht, wie zumeist im Heavy Metal, auf brachialen und aggressiven Riffs und auf einer forcierten Geschwindigkeit, sondern auf dem Groove. Dabei waren das unverwechselbare Markenzeichen der ersten Schaffensphase bis etwa 1972 die Riffs einer Gitarre, die auf dichten, warmen Klang getrimmt war und der ungewöhnlich dominante Part einer ebenfalls warmen und hohen Bassgitarre, der eine äusserst eigenständige und tragende Rolle zuteil wurde. Abgerundet wurde das Ganze durch ein knallhartes und gewaltiges Schlagzeug. Falls man unbedingt den schwierigen Versuch unternehmen mochte, den eigentlich unverwechselbaren Stil der Band zu kategorisieren, kam man diesem noch am nächsten mit einer Mischung aus Hard Rock, Blues, Boogie und einem Schuss Funk und Soul. Die Band schuf auch einige ruhigere Songs, bei denen die warme und klare Stimme von Mark Farner besonders ausgeprägt zur Geltung kam. Das Prägnanteste blieb in dieser Phase aber stets der harte Groove. Das Musikmagazin Rolling Stone bezeichnete die Gruppe als amerikanische Version der Nürnberger Reichsparteitage.

Grand Funk Railroad erreichten die Spitze der US-Albumcharts und wurden ein Jahr nach der Gründung 1969 erstmals mit Gold ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erschienen die ersten Singlehits "Timemachine" und "Mr. Limousinedriver". 1970 verzeichnete die erstaunte Presse sensationelle Verkäufe. Drei Alben erschienen in relativ kruzer Abfolge: "Grand Funk", "Closer To Home" und ein inzwischen zu den besten Live-Werken einer Rockband zählende Doppelalbum "Live Album". Mehrere aufeinander folgende Singlehits machten die Band zum lukrativen Act. Fünf Millionen Dollar Umsatz wurden alleine in diesem einen Jahr verzeichnet. Als 1971 jedes Grand Funk Album garantiert nach Fertigstellung Erfolg und Ruhm brachte, machte Knight die Band mit seinem Verkaufstalent zur absoluten Attraktion in den USA, unter anderem durch zwei ausverkaufte Konzerte im New Yorker Shea Stadium. Die Karten wurden schneller verkauft als bei den Beatles-Konzerten. Während viele Länder dem Grand Funk Fieber verfielen, blieb man in Grossbritannien dem importierten Hard Rock gegenüber jedoch reserviert eingestellt und setzte lieber auf heimische Bands wie Black Sabbath, Led Zeppelin und Deep Purple.

Nach drei Jahren und dem Erscheinen des Albums "E Pluribus Funk" trennten sich Grand Funk Railroad von ihrem Manager Terry Knight. Dieser verklagte sie wegen Vertragsbruch. Höhepunkt des Streits war die Einziehung der Instrumente bei einem Auftritt, was zu einem Aufstand geführt hätte und im letzten Moment abgewendet werden konnte. Der Rechtsstreit um die 55 Millionen Dollar-Klage ging nach jahrelangen Prozessen mit einem Vergleich zu Ende. Craig Frost, ein alter Freund der Gruppe, spielte ab 1972 und dem Album "Phoenix" die Keyboards und wurde endgültig viertes Mitglied ab dem Album "We’re An American Band" (1973), das von Todd Rundgren produziert wurde und mit dem die Härte und der Killergroove endgültig verschwunden waren. Gleichzeitig avancierte "We're An American Band" zu einem weltweiten Hit, was die Gruppe weiter darin bestärkte, den eingeschlagenen neuen musikalischen Kurs hin zu melodiösem Rock beizubehalten und weiter auszubauen.


"Shinin’ On" wurde 1974 fertiggestellt und konnte einen Welt-Hit abwerfen: Eine Coverversion des Songs "Locomotion" von Little Eva. Auf dem Album präsentierten sie etliche geniale Songs, die entgegen späterer Werke dem Zahn der Zeit bis heute gut widerstanden haben. Das Titelstück war ein energetischer Vorwärts-Rock mit einer tollen Orgelarbeit und dem nachwievor sehr energischen Gesang von Mark Farner. "To Get Back In" war wiederum eher der neuen musikalischen Ausrichtung geschuldet, präsentierte eine recht ansprechende Melodie und geriet angenehm zum Mitsingen. Der schleichende und schleppende Blues "Mr. Pretty Boy" wurde von vielen Fans der ersten Stunde als müden Abklatsch früherer Bluesrock-Stücke gewertet, passte ins Gesamtbild der Platte jedoch gut hinein. Aussergewöhnlich war schliesslich der praktisch nur auf einem einzigen Akkord basierende Vorwärts-Rocker "Little Johnny Hooker", der weitgehend von einer im Vordergrund stehenden aggressiven Hammond-Orgel dominiert wurde, und das Album abschloss. Interessant war auch die Cover-Arbeit: Ein 3D-Bild zeigte die Bandmitglieder verzerrt. Zur optimalen Betrachtung wurde jedoch eine 3D-Brille mitgeliefert, welche in das Frontcover eingestanzt worden war (als sogenanntes 'Die-Cut').

Noch im selben Jahr wie "Shinin' On" folgte der Nacholger "All The Girls In The World, Beware" (1974), auf dem Grand Funk Railroad dem Soul einen immer grösseren Einfluss beimassen. Der eigentliche Stilbruch hatte aber bereits mit dem Album "We’re An American Band" stattgefunden, danach hatte man alles, was die Band so einzigartig gemacht hatte, aufgegeben. Bevor 1976 das Werk "Born To Die" veröffentlicht wurde, hatte sich die Band inoffiziell getrennt, sie plante ihr letztes Album. Sie kehrte jedoch zurück, um Frank Zappa einen Dienst zu erweisen, mit dem das Album "Good Singin', Good Playin'" produziert wurde, das 1976 erschien. Im selben Jahr begann Mark Farner auch damit, sich einer Solokarriere zu widmen. Die verbliebenen Mitglieder gründeten das nach ihrer Heimatstadt benannte Trio Flint.

Von 1981 bis 1983 reformierten sich Grand Funk Railroad mit Dennis Bellinger (ohne Mel Schacher) und veröffentlichten ein weiteres Album: "Grand Funk Lives". Die Kritiker des Rolling Stone urteilten harsch ('Grand Funk Lives' wird als eines der peinlichsten Comeback-Alben in die Geschichte eingehen). Trotzdem erschien in dieser Zeit ein weiteres Album mit dem Titel "What’s Funk". Danach setzte Mark Farner seine Solokarriere fort und brachte zahlreiche Alben heraus, die heute nur noch als rare Sammlerstücke zu bekommen sind ("Mark Farner", "No Frills", "Some Kind Of Wonderful", "Just Another Injustice", "Wake Up"). In einer Phase nannte er sich Christian Mark Farner und spielte ausschliesslich bei christlichen Veranstaltungen. Ab 1995 trat er mit Ringo Starr's All Star Band auf und verzeichnete Erfolge mit Kollegen wie John Entwistle von The Who und Billy Preston. 1997 vereinigten sich Grand Funk Railroad erneut mit Mark Farner, um ein Benefizkonzert für die Opfer des Bosnienkriegs zu geben. Eine Doppel-CD mit einem neuartigen Sound, unter der Mitwirkung eines Sinfonieorchesters, mit den Gatmusikern Peter Frampton und Alto Reed, war das Ergebnis dieser Reunion. 1999 erschien das Dreierset "Thirty Years Of Funk" mit allen Erfolgen der Band und einigen bisher unveröffentlichten Stücken.

Mark Farner tourte danach mit der N’r’G Band (Lawrence Buckner, Paul Ojibway, Hubert Crawford) durch die USA. Don Brewer und Mel Schacher entschlossen sich, Grand Funk Railroad weiter bestehen zu lassen und verpflichteten Bruce Kulick (vormals bei Kiss), Tim Cashion (zuvor bei Bob Seger) und Max Carl (Ex-38 Special). Ab dem Jahr 2000 absolvierte die Gruppe ebenfalls zahlreiche Konzerte in den Vereinigten Staaten. Im November 2004 wurde Terry Knight ermordet. Grand Funk Railroad haben in ihrer musikalischen Laufbahn mehr als 20 Millionen Alben verkauft.




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