KLAATU - Endangered Species (Daffodil Records SBA-16060, 1980)
Klaatu waren eine kanadische Progressive Rock-Gruppe, die von 1975 bis 1981 aktiv war. Sie wurde von den drei Musikern John Woloschuk, Dee Long und Terry Draper in Toronto gegründet. Aufsehen erregte die Band zunächst vor allem durch das Gerücht, es handle sich bei Klaatu um eine heimliche Wiedervereinigung der Beatles. Die Verkaufszahlen des ersten Albums waren dementsprechend. In den sechs Jahren ihres Bestehens veröffentlichte die Gruppe fünf Alben. Die wahre Identität der Musiker wurde erst 1980, mit Erscheinen ihres vierten Albums "Endangered Species" bekannt gegeben. Die Ursprünge von Klaatu reichen jedoch bis zum Ende der sechziger Jahre zurück. Die kanadischen Musiker Terry Draper, John Woloschuk und Dee Long begegneten sich anlässlich eines Konzertes in Toronto zum ersten Mal. Alle drei Musiker spielten in unterschiedlichen Bands und arbeiteten 1971 zum ersten Mal gemeinsam unter dem Namen Mudcow. Diese Zusammenarbeit dauerte jedoch nur etwa ein Jahr. Als die Band, zu der noch der Musiker Jamie Bridgman gehörte, auseinanderbrach, entwickelte sich langsam aber sicher das Projekt Klaatu. Terry Brown arbeitete tagsüber in einem Tonstudio in Toronto und nutzte nachts die Räumlichkeiten für Aufnahmen mit Klaatu.
Als erstes Stück nahm die Band den Song "Anus Of Uranus" auf. Zusammen mit dem Titel "Sub Rosa Subway" veröffentlichte die Gruppe ihn 1973 als erste Single in Kanada. Einen nennenswerten Erfolg konnte weder diese noch die folgende Single "Dr. Marvello" mit der B-Seite "For You Girl" erzielen. Erst das Stück "California Jam" konnte bei einigen Radiostationen kleinere Erfolge verbuchen. Dadurch wurde das Plattenlabel Capitol Records auf die Band aufmerksam. Für die erste LP "3:47 EST" griff man auf einige Stücke aus der Frühzeit der Gruppe zurück, sodass die Produktionszeit im Grunde von Januar 1973 bis Januar 1976 reichte. Während der Aufnahmen zu ihrer zweiten Platte "Hope" ab Juni 1976, tauchte erstmals das Beatles-Gerücht auf. Klaatu waren von einem Tag auf den anderen über die Grenzen Kanadas hinaus bekannt. Selbst deutsche Teenagermagazine wie die Bravo, Pop oder der Musikexpress berichteten damals über das Ereignis: Klaatu profitierten von der Veröffentlichung in entscheidendem Masse, nicht nur finanziell, sondern auch künstlerisch. Nun war Geld vorhanden, um das Album "Hope" noch einmal zu überarbeiten. Ein ganzes Jahr, von Juni 1976 bis Juni 1977, konnte sich die Gruppe nun den Aufnahmen widmen. Kurz nach der Fertigstellung des Tonträgers veröffentlichte das Duo The Carpenters eine Coverversion des Songs "Calling Occupants Of Interplanetary Craft" vom ersten Klaatu-Album. Ihre Version konnte sich 9 Wochen lang in den englischen Charts halten und den neunten Platz erreichen. In den USA hingegen kam der Titel nur bis auf Position 32, verblieb jedoch 14 Wochen in den Charts.
Als Klaatu 1976 ihr erstes Album "3:47 EST" veröffentlichten, kamen Gerüchte auf, es handele sich um ein geheimes Projekt der Beatles. Als Anhaltspunkte für die Theorie dienten angebliche Ähnlichkeiten zu deren Sound, besonders auffällig beim Titel "Sub Rosa Subway". Die Stimme des Sängers John Woloschuk erinnerte zudem frappant an jene von Paul McCartney. Das Fehlen jeglicher Informationen zu den Musikern auf dem LP-Cover nährte diese Spekulationen zur Freude der Plattenfirma nur noch zusätzlich. Trotzdem wäre die Veröffentlichung wohl untergegangen, wenn nicht der US-amerikanische Journalist Steve Smith in einer in Providence (Rhode Island) erscheinenden Zeitung die Meinung vertreten hätte, bei Klaatu handle es sich um die Beatles. Er stellte hierbei die These auf, Klaatu seien entweder die Beatles selbst oder die Beatles und befreundete Musiker. In den folgenden Tagen verbreitete sich diese Meldung weltweit. Selbsternannte Beatles-Forscher suchten ähnlich wie sieben Jahre zuvor bei der legendären 'Paul is dead'-Episode nach möglichen Indizien. Diese fanden sich bald. Die Gruppe hatte sich nach der Hauptfigur aus dem Science Fiction Spielfilm 'Der Tag, an dem die Erde stillstand' benannt. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Ex-Beatle Ringo Starr auf dem Cover seines Albums "Goodnight Vienna" eine Szene aus genau diesem Film aufgegriffen und war selbst als Filmfigur 'Klaatu' abgebildet. Dies wurde als Hinweis gedeutet, die Beatles würden sich hinter dem vermeintlichen Band-Pseudonym Klaatu verbergen. Auf der Vorderseite des Plattencovers von "3:47 EST" war eine strahlende Sonne zu sehen, die als Anspielung auf die Beatles-Stücke "Good Day Sunshine" oder "Here Comes The Sun" verstanden werden konnte. Die Rückseite hingegen zeigte mit einer Nachtszene und dem Mond das Gegenstück dazu, sodass man dies als einen Verweis auf "Good Night" vom sogenannten 'Weissen Album' der Beatles interpretieren könnte.
Die Texte auf der Innenhülle zitierten in den Liedern "Sir Bodsworth Rugglesby III" mit "The End" und "Little Neutrino" mit "Good Night" eindeutig zwei Titel aus der späten Schaffensphase der Beatles. Ian Ballon führte in Ausgabe Nr. 13 des Fanzines Beatles Unlimited 150 Beweise für die Beatles-Theorie an. Darunter war die Behauptung, bei der LP "3:47 EST" handle es sich um das als verschollen geltende Album "Hot As Sun", dessen Existenz auf einer fiktiven Geschichte aus dem Rolling Stone beruhte. Spielte man die Platte rückwärts ab, glaubten 'Beatologen' im Lied "Sub Rosa Subway" die geheime Botschaft "It’s Us, it’s the Beeeeeeeatles" zu hören. Zudem sahen einige in diesem Song sowie im Titel "Doctor Marvello" Anspielungen auf die LP "Red Rose Speedway" von Paul McCartney's Wings oder das Stück "Dr. Robert" vom Beatles Album "Revolver". Hinzu kam, dass die Platte bei Capitol Records, dem US-amerikanischen Label der Beatles, erschienen war. Die einzelnen Mitglieder der Beatles schwiegen zu den Gerüchten. Klaatu profitierten stark von der Aufregung um das Album. Allein in den USA über wurden über 300000 Exemplare verkauft. Dies reichte für elf Wochen und Platz 32 als Höchstnotierung in den Billboard Charts. Die gleichzeitig erschienene Single "Sub Rosa Subway" hielt sich sechs Wochen in der Hitparade, konnte jedoch nur Platz 62 erreichen.
Im September 1977 erschien mit "Hope" das zweite Album der Gruppe. Es war als Konzeptalbum angelegt, das die faschistische Diktatur auf einem fremden Planeten schilderte. Von der Grundstruktur war es weitaus düsterer und beklemmender angelegt als die Vorgängerplatte. Sie erinnerte Beatleskenner aufgrund seiner breit angelegten Struktur an die Beatles-Meisterwerke "Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band" und "Abbey Road". Neben einem künstlerisch hochwertigen Artwork, kennzeichnend für alle Produkte von Klaatu, fanden sich auch wieder die Texte auf dem Innencover. Von näheren Angaben zur Gruppe oder den Komponisten wurde wie beim Debütalbum abgesehen. Dafür wurde in einer Werbung für "Hope" geschickt auf den Mythos um die Band angespielt: 'Klaatu is an English Band from Birmingham, England. Klaatu is four well known musicians attempting to wrap their collaborative work together in a cloak of secrecy'. Wieder waren viele der Meinung, dass die Musiker sich eindeutig nach den Beatles anhören würden. Insbesondere die Stimme erinnerte bei einigen Stücken frappierend an Paul McCartney. Vielleicht, weil das Interesse nachliess, vielleicht auch, weil die Musik anspruchsvoller als das Debütalbum der Gruppe war, blieb Hope nur sieben Wochen in den Top 100 mit einem Platz 83 als Höchstplatzierung.
Obwohl die Musik von Klaatu grossen Anklang bei den Kritikern fand, konnte sich die Band auf dem internationalen Markt nicht behaupten. Der krampfhafte Versuch, für das kommende Album "Sir Army Suit", welches im August 1978 erschien, unbedingt mehrere potentielle Single-Hits zu schreiben, führte zu einem Qualitätsverlust, obwohl die Band von August 1977 bis Mai 1978 ununterbrochen im Studio war. Die Arbeiten wurden jedoch von Spannungen mit dem Produzenten Terry Brown überschattet. Anstelle des Angebots, die Geschichte von "Hope" zu verfilmen, entschied sich die Band, ein Video zum Titel "A Routine Day" zu produzieren. Klaatu verabschiedeten sich mit dieser Platte vom Progressive Rock und vollzogen den Wechsel hin zur Popmusik. Insbesondere der Titel "Dear Christine" entwickelte sich mit der Zeit zu einem Ohrwurm, ging jedoch 1978 in der Discowelle unter. Nach dem Misserfolg des Albums "Sir Army Suit" wollte die Plattenfirma mehr Einfluss auf die Produktion gewinnen.
Für das vierte Album "Endangered Species" wurden ein anderer Produzent, Christopher Bond, und weitere Studiomusiker engagiert. Im Vergleich zu früheren Sessions gestaltete sich die Produktionsphase von September 1979 bis Dezember 1979 geradezu bescheiden. Klaatu konnten ihre Ideen nur noch teilweise umsetzen. Während die Aufnahmen mit den Overdubs der Studiomusiker erweitert wurden, geriet Terry Draper geradezu in die Rolle eines Zuschauers, der auf seiner eigenen Platte nicht mehr spielen durfte. Im Juni 1980 erschien die LP, die zwar musikalisch auf einem neuen Top-Level angesiedelt war, und zwar sowohl kompositorisch wie spielerisch, ohne jedoch einen bleibenden Eindruck beim Publikum zu hinterlassen. Auf dieser Platte, in der es inhaltlich um den Erhalt einer bedrohten Umwelt ging, richteten Klaatu eine von ihnen namentlich unterzeichnete Botschaft an ihre Fans, in der sie diese aufforderten, sich aktiv für den Schutz der Natur einzusetzen. Das Rätsel um die Musiker war damit gelöst. "Endangered Species" erreichte ebenso wie das Vorgängeralbum keine Hitparadenplatzierung in den Top 100.
Capitol Records hatte aufgrund dieser beiden Misserfolge das Interesse an der Band zunächst verloren. Im Frühjahr 1981 gingen die Verantwortlichen der Firma jedoch wieder auf die Musiker zu und boten ihnen einen neuen Vertrag an. Die Band erlangte hierbei ihre künstlerische Freiheit zurück, verpflichtete sich jedoch im Gegenzug dazu, nicht mehr in der Anonymität zu bleiben und auf Tournee zu gehen. Nachdem das fünfte Werk "Magentalane" im Oktober 1981 erschienen war, spielten Klaatu vom 10. bis 24. November mit grossem Erfolg im Vorprogramm der ebenfalls aus Kanada stammenden Band Prism. "Magentalane" galt als etwas virtuoser als die beiden Vorgängeralben, konnte jedoch ebenfalls nicht an die Erfolge der ersten beiden Alben "3:47 EST" und "Hope" anknüpfen. Auf der Innenhülle waren nun zum ersten Mal jene drei Musiker abgebildet, die hinter Klaatu steckten und so gar keine Ähnlichkeit zu den Beatles aufwiesen. Allerdings wurde John Woloschuk als der Sänger mit der 'Paul McCartney-Stimme' identifiziert. Da die Platte nur noch in Kanada erschien, wurde jenseits der Landesgrenzen kaum jemand auf das letzte Werk der Band aufmerksam. Dee Long verliess die Gruppe zu Beginn des Jahres 1982. Nach einer weiteren Tournee mit Sessionmusikern lösten Draper und Woloschuk die Band noch im selben Jahr auf. Capitol Records veröffentlichte zur Tournee 1982 noch den Sampler "Klaasic Klaatu", der 1993 in erweiterter Version als CD unter dem geänderten Titel "Peaks" herausgebracht wurde.
1988 kam es zu einer Wiedervereinigung der Band. Ausgerechnet dort, wo die Geschichte der Beatles ihren Anfang nahm, sollte die Geschichte von Klaatu enden, nämlich in Deutschland, genauer gesagt im deutschen Tatort, der beliebten Krimiserie der ARD. Im Laufe der Zeit hatten die Bandmitglieder einiges an Schulden angehäuft. Da musste ihnen das Angebot wohl gerade recht gekommen sein, für die Folge 'Tödlicher Treff' des Süddeutschen Rundfunks aus dem Jahre 1988 einen neuen Song mit dem Titel "Woman" aufzunehmen. Der Titel erschien in insgesamt drei Fassungen als Single, als Maxi-Single und als Single-CD, kurioserweise bei Polydor, jenem Plattenlabel, auf dem die Beatles gemeinsam mit Tony Sheridan ihre ersten professionellen Stücke eingespielt hatten. "Woman" besass allerdings keine Übereinstimmung mit den gleichnamigen Kompositionen von Paul McCartney und John Lennon. Der Titel hatte auch keinen Erfolg in der deutschen Hitparade, so dass Klaatu sich erneut auflösten. Ausser zum 'Klaatu Kon 2005 – World Contact Day' kam die Band nie wieder zusammen. Terry Draper verabschiedete sich vorläufig von der Musik und arbeitete wieder in seinem Beruf als Dachdecker, John Woloschuk blieb in der Musikindustrie und Dee Long arbeitete in George Martin's Air Studio als Engineer unter anderem mit Paul McCartney zusammen. Zwar waren Klaatu nicht die Beatles und kein Beatle hatte jemals eine Note auf einer Klaatu-LP gespielt. Trotzdem konnte man die Musik von Klaatu als vielseitig, interessant und von der Musik der Beatles stark beeinflusst betrachten.
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