Oct 26, 2017


TITO & TARANTULA - Hungy Sally & Other Killer Lullabies 
(Goldrush Records Nugget 027, 1999)

Für die einen ist es Schokolade - für die anderen die längste Praline der Welt. So lässt sich vielleicht grob in etwa das musikalische Oeuvre des Señor Larriva umschreiben. Fakt ist nun mal, dass am Anfang von Herrn Larriva's Geschichte dieser Vampirschinken steht - Quentin Tarantino's "From Dusk 'Til Dawn". Klar, die Performance im 'Titty Twister' ist optisch ein Genuss: Senor Larriva raffelt auf einem wabbelnden Torso seine "Angry Cockroaches" herunter. Und das ist natürlich eine Splatter-Augenweide. Auch der Song selbst ist genial, zweifellos. Und Salma Hayek’s Tabledance zu "After Dark" ist vielleicht eine der spannendst-prickelndst-erotischsten Filmszenen in einem Horrormovie. Indes, würde man Tito Larriva’s Welt auf diese beiden Songs reduzieren, täte man dem Mann schon ziemlich Unrecht. In den Jahren seit diesem Film hat er nämlich eine Menge ausprobiert, und dabei auch mit so manchem Vorurteil kämpfen müssen. Denn leider ist er ein Musiker, der immer wieder an diesen beiden Songs gemessen wird. Das ist sicherlich nicht ganz unverständlich, denn Filmszenen wie jene aus dem 'Titty Twister' bleiben halt im Hinterkopf hängen. Das ist insofern schade, als dass dadurch ein paar ganz tolle Platten, die er gemacht hat, auf der Strecke bleiben, denn schliesslich war Señor Tito in früheren Jahren auch bei den Cruzados dabei, einer der stärksten Vorreiter-Bands der Americana-Bewegung.

Ueber das Erstlingswerk "Tarantism" bleibt mir nur soviel zu sagen: "After Dark" und "Angry Cockroaches" sind meisterliche Songs, leider anders abgemischt als auf dem Original-Filmsoundtrack von 'From Dusk ´Til Dawn' (besserer Mixdown!). Der Rest der Platte ist aber ebenfalls exzellent und bietet vor allem viele gitarristische Höhepunkte von Peter Atanasoff, welcher seine Karriere bei Paul Butterfield und Bonnie Bramlett begann. Tito & Tarantula gab es ja bereits lange Zeit vor den legendären Auftritten im 'Titty Twister' oder in Robert Rodriguez’ Film 'Desperado'. Bereits seit 1992 feierten Larriva und Gitarrist Atanasoff mit verschiedenen Freunden auf wöchentlichen Live Jam-Sessions in den Cafés und Clubs von Los Angeles grosse, spontane Partys. 1997 dann kam es zum lang erwarteten Plattendebut und der herbe, staubige Tex Mex Rock auf "Tarantism" machte Fans und Kritiker völlig benommen. So schrieb das Magazin Intro: "In jeder Lebenslage hörbar und trotzdem gegen jegliche Abnutzungserscheinung gefeit. Kompliment!" "Hungry Sally and Other Killer Lullabys", Album Nummer zwei, war ebenfalls ein phantastisches Album und hatte fast gar nichts mit dem 'Desert'-Touch des Erstlingswerks gemein. Die Platte war einige Ecken vielfältiger ausgefallen als das Erstlingswerk und hatte dadurch natürlich viele Fans irritiert, die weitere Erotikbüschel wie "After Dark" erwartet hatten. Wenn man allerdings tiefer in die Platte hineinhörte, so stellte man fest, dass das alles so etwas wie Methode hatte und sich in wundersamer Weise immer wieder ergänzte: Neben dem fiesen Schleicher "Hungy Sally" und dem mit viel Sixties-Feel ausgerüsteten "Slow Dream" überzeugte vor allem der hypnotische Rock von "Love In My Blood" und der unverschämt tolle Ohrwurm-Charakter in "Bleeding Roses". "When You Cry" schliesslich legte noch Platz frei für sanfte Flötentöne. Ein aussergewöhnliches Album, das leider etwas übergangen wurde. Für mich klar die beste Platte von Amigo Tito.

Mit dem dritten Album, "Little Bitch" hatte ich persönlich dann allerdings meine liebe Mühe. Irgendwie wirkte die Scheibe blutleer, es rockte zwar alles ganz ordentlich, aber die gestreuten Balladen wirkten ziemlich kalkuliert, waren kompositorisch nicht gerade Highlights und dienten wohl nur dem Zweck, das teilweise wüste und derbe Rock-Geballer gelegentlich etwas auszubremsen. Für Tito Larriva sicher ein ziemlich enttäuschendes, wenig berauschendes Album. Kein Tex Mex Feeling mehr, etwas morbider, gruftiähnlicher Rock und insgesamt eher desorientiert. Das nachfolgende "Andalucia" hatte ich dann in der Doppel-CD Edition gekauft, denn da gab es noch einige Unplugged-Tupfer dazu. Für mich war dies das letzte Album der Band um Señor Larriva, das mich richtig überzeugen konnte: Vielleicht nicht gerade das rockigste, schon gar nicht das mexikanischste, und auch nicht das kompositorisch ausgereifteste (das blieb für mich immer die 'hungrige Sally'), aber es war mit Sicherheit das eleganteste Album der Band. Man spürte hier sehr schön, dass die Band insgesamt gereift war, dass sie sich traute, auch mal neben den Schienen zu fahren. Mexikanisches Feeling wurde mit spanischem Gusto angereichert und das ergab eine ganz wunderbare Symbiose. Es gibt für mich bis heute nur ganz wenige Alben, die dem Anspruch 'Sonnenuntergang mit Rotwein und Freundin im Schaukelstuhl auf der Terrasse' gerechter werden als "Andalucia". Die Platte erzeugt Sehnsucht nach Ferien im Süden, ganz klar. Sie ist Hintergrundberieselung und konzentriertes Hinhören in einem. The Mysterious Myndfuckin’ World of Señor Larriva umfasst zumindest vier sehr empfehlenswerte Scheiben, die zwar nicht ganz zusammenhalten, aber immer wieder für musikalische Ueberraschungen sorgen, und somit ein doch relativ breites Spektrum verraten.

Wer Tito & Tarantula kennt, hat sie daher wahrscheinlich zum ersten Mal in 'From Dusk Til Dawn' erlebt: Dort spielen Sie in einer Bar namens 'Titty Twister', verwandeln sich in Vampire und sind die Einzigen Nicht-Menschen, die das Schlachtfest von George Clooney und Abenteuergefährten überleben. Der Auftritt im Film und der dazugehörige Soundtrack bescheren der Band Kultstatus. Im Gegensatz zu den Leningrad Cowboys, die von der Leinwand auf die Bühne stiefelten, können Tito & Tarantula aber auf einen soliden musikalischen Hintergrund verweisen. Als sie sich 1992 als Spassprojekt gründeten, hatten Frontmann Tito Larriva, Gitarrist Peter Atanasoff und Schlagzeuger Johnny 'Vatos' Hernades bereits in einer Vielzahl von Bands gespielt und kannten sich bereits seit den 70er Jahren. Mit bodenständigem Südstaatenrock und einer Prise Mexico traten sie in kleineren Clubs im heimischen Los Angeles auf und stiessen Mitte der 90er Jahre auf die begeisterten Ohren des Regisseurs Robert Rodriguez. Neu im Filmbusiness war zumindest Larriva indes nicht. Auf den Auftritt in 'From Dusk Til Dawn' folgte für ihn eine Rolle in 'Desperado', wo er Quentin Tarantino in einer Absteige erschiessen durfte. Schon zuvor hatte er in David Byrnes 'True Stories' gespielt, dazu war er ein gefragter Soundtrack-Komponist, unter anderem für 'Der Schrei Der Schmetterlinge' und Wim Wenders' 'Million Dollar Hotel'. Auf das Debutalbum "Tarantism" (1997) liessen Tito & Tarantula in regelmässigen Abständen neue Alben folgen. Es waren jedoch vor allem ihre Liveauftritte, die für Begeisterung sorgten: schweisstreibend, energiegeladen und gut gelaunt präsentierten sie ihre teils wirklich hervorragenden Songs vor einem durchwegs begeisterten Publikum.





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