Oct 4, 2017


VINEGAR JOE - Six Star General (Island Records ILPS 9262, 1973)

Vinegar Joe war eine britische Rhythm'n'Blues-Band um die begnadete Sängerin Elkie Brooks und den nicht minder talentierten Sänger und Gitarristen Robert Palmer. Die Gruppe wurde 1971 gegründet und löste sich nach drei Studioalben 1974 wieder auf. Obwohl Vinegar Joe als hervorragende Live-Band galt, verkauften sich die Alben leider nur mässig. Elkie Brooks' musikalische Karriere begann bereits, als sie 15 Jahre alt war. Mit der Aufnahme des Etta James-Titels "Something’s Got A Hold On Me" gab sie 1964 bei Decca Records ihr Plattendebüt. Den grössten Teil der 60er-Jahre verbrachte sie in der britischen Jazz-Szene. Mit ihrem späteren Ehemann Pete Gage trat sie der kurzlebigen Jazz Rock-Band Dada bei, bevor Brooks, Gage und Robert Palmer schliesslich Vinegar Joe gründeten. Nach drei Alben löste sich die Band 1974 auf, und Brooks und Palmer gingen ihre eigenen Wege. Nach einer Zeit als Background-Sängerin für die amerikanische Southern Boogie-Band Wet Willie kehrte sie nach England zurück. Ihr Solo-Debütalbum "Rich Man’s Woman" von 1975 wurde von der Kritik gelobt, blieb aber kommerziell erfolglos. Der kommerzielle Durchbruch gelang ihr mit dem von Jerry Leiber und Mike Stoller produzierten Nachfolger "Two Days Away" (1977), dem ersten von mehreren Hitalben in Folge, sowie den Hits "Pearl’s A Singer" und später "Sunshine After The Rain" und "Lilac Wine". Ihre Langspielplatten "Shooting Star" (1978), "Live And Learn" (1979), "Pearls" (1981), die überwiegend aus Cover-Versionen bestehende "Pearls II" (1982), "Minutes" (1984) und "Screen Gems" (1985) waren allesamt erfolgreich. Mit "Fool If You Think It’s Over" (1981) von Chris Rea und mit "No More The Fool" (1986) gelangen ihr erneut Hitparadenerfolge. Seither ist Elkie Brooks eine gefragte Live-Interpretin geblieben. Mit "Nothin' But The Blues" kehrte sie 1994 noch einmal zu den Wurzeln ihrer Musikalität zurück.

Robert Palmer's Eltern zogen mit dem dreijährigen Robert nach Malta, wo er seine Kindheit verbrachte. Musik von Künstlern wie Nat King Cole bis Otis Redding übte den Haupteinfluss auf seine musikalische Karriere aus. In England gelangte Palmer als Sänger verschiedener Bands zu regionaler Bekanntheit. Unter anderem war er zu dieser Zeit mit der Band Vinegar Joe erfolgreich, in der er an der Seite von Elkie Brooks als Lead-Sänger fungierte. Nach der Auflösung von Vinegar Joe begannen die beiden Künstler ihre Solokarrieren. Robert Palmer schloss mit Island Records einen ersten Plattenvertrag ab. Sein Debüt "Sneakin’ Sally Through The Alley" im Herbst 1974 beeindruckte allerdings nur die Kritiker und wurde ein kommerzieller Misserfolg. Auch das zweite Album "Pressure Drop" vom Herbst 1975 (unter Mitwirkung des Motown Bassisten James Jamerson und einem Grossteil der Band Little Feat) verkaufte sich nur mässig. Daher änderte Palmer für das Album "Some People Can Do What They Like" die musikalische Richtung und mischte Rock mit Reggae. Damit begann langsam der kommerzielle Erfolg. Mit dem Album "Double Fun" und der daraus ausgekoppelten Singles "Best Of Both Worlds" und "Every Kinda People" gelang ihm im Frühjahr 1978 der Durchbruch. Das Letztere und die erste Single "Bad Case Of Loving You" aus dem Nachfolgealbum "Secrets" waren Mitte 1979 beides Top 20-Erfolge in den US-Charts. 1980 und 1981 hatte Palmer dann seine grössten Erfolge auf dem europäischen Kontinent. Das Stück "Johnny And Mary" war ein Top Ten-Hit in den deutschsprachigen Ländern und ein Dreivierteljahr in den deutschen Charts. Es war in Deutschland eines der bekanntesten Lieder des Briten, obwohl es in seiner Heimat und in den USA kaum zur Kenntnis genommen wurde. Das Album "Clues" und die zweite Single "Looking For Clues" erreichten ebenfalls die Top 10.

Ende 1984 gründete Robert Palmer zusammen mit John Taylor und Andy Taylor von der Band Duran Duran sowie Tony Thompson von Chic die Band Power Station, die im Frühjahr und Sommer 1985 ein paar Hits mit den Titeln "Some Like It Hot", "Get It On" oder "Communication" hatte. Die Band wurde vom Chic-Mastermind und Bassisten Bernard Edwards produziert. Seinen grössten Hit hatte Palmer im Frühjahr 1986, als sein Song "Addicted To Love" es als einzige seiner Singles an die Spitze der Billboard Hot 100 schaffte, die sich dort eine Woche halten konnte und ihm 1987 sogar einen Grammy einbrachte. Im Video dazu sah man Robert Palmer mit einer Band aus fünf Models in schwarzen Miniröcken, die bewusst so ausgewählt wurden, dass sie nicht glaubhaft das Spielen ihrer Instrumente vortäuschen konnten. Ursprünglich hätten die hohen Passagen des Songs von Chaka Khan gesungen werden sollen, was aber durch Differenzen mit ihrer Plattenfirma nicht möglich wurde. Das zugehörige Album "Riptide" verkaufte sich alleine in den USA über zwei Millionen Mal. "I Didn’t Mean To Turn You On" war im Sommer 1986 ein zweiter grosser Hit aus dem Album. Mitte 1988 erschien das Album "Heavy Nova". Palmer gewann einen weiteren Grammy für seinen Song "Simply Irresistible" und mit diesem Album und dem folgenden "Addictions Volume 1", seinem ersten Best Of-Album, hatte er zwei weitere Millionenseller in den USA.

1987 zog Palmer nach Lugano in die Schweiz. Ab Herbst 1990 war er dann wieder in Europa erfolgreich: Zusammen mit der Reggae-Band UB40 hatte er den europaweiten Hit "I'll Be Your Baby Tonight". Sein Song "Life In Detail" gehörte zum Soundtrack des Erfolgsfilms 'Pretty Woman'. Im Frühjahr 1991 hatte er mit einem Medley aus den Hits "Mercy Mercy Me" und "I Want You" von Marvin Gaye seinen letzten grossen internationalen Hit. Im Mai 2003 veröffentlichte Palmer sein letztes Album "Drive", das eine Sammlung von Blues-Interpretationen beinhaltete. Robert Palmer starb am 26. September 2003 im Alter von 54 Jahren in einem Pariser Hotel an einem Herzinfarkt. Er hinterliess fünf Kinder.

Nachdem Elkie Brooks im Februar 1971 Pete Gage geheiratet hatte, änderte sich auch das Leben der Eheleute. Teil dieser Neuordnung war auch das Ende der Jazzrock-Band Dada, in der beide spielten. Chris Blackwell von der Plattenfirma Island Records hatte seinerzeit den Kontakt zwischen Robert Palmer und den Musikern von Dada hergestellt und verfolgte nach dem Ende von Dada das Ziel, eine neue Begleitband für Palmer zu formieren. Dieser setzte sich gegen Blackwell's Pläne durch und Elkie Brooks wurde neben ihm die zweite Sängerin. Mit Gitarrist Pete Gage und Bassist Steve York waren zwei weitere ehemalige Mitglieder von Dada in der neu gegründeten Gruppe. Vervollständigt wurde die erste Besetzung mit Keyboarder Tim Hinkley und Schlagzeuger Conrad Isadore. Namensgebung und musikalische Ausrichtung wurden von Chris Blackwell und Ahmet Ertegün von Atlantic Records vorgegeben. Mit der Unterstützung von Island Records erspielte sich Vinegar Joe bald den Ruf, eine hervorragende Live-Band zu sein. Die Band spielte regelmässig im Marquee Club in London, trat in Fernsehsendungen bis nach Deutschland auf und spielte im Februar 1972 eine Peel Session ein. Unter dem Eindruck des Erfolges beim Publikum nahm die Band das erste Album "Vinegar Joe" auf, das 1972 bei Island Records erschien. Brooks bezeichnete es in ihrer Autobiografie als Schnellschuss, der die Plattenfirma kaum Geld gekostet habe und kaum von ihr beworben wurde. Nur kurz darauf folgte das zweite Album "Rock'N Roll Gypsies", nun mit Mike Deacon als Keyboarder sowie den Schlagzeugern John Woods und Keef Hartley.

1973 folgte das dritte Album "Six Star General". Der Titel war Blackwell's Idee und sollte eine Anspielung auf General Joseph Stilwell sein, dessen Spitzname 'Vinegar Joe' war. Mit 'six star' ('sechs Sterne') sollte auf die Anzahl der Bandmitglieder angespielt werden, den Rang eines Sechs Sterne-Generals gibt es nicht. Trotz der Veröffentlichung dreier Alben innerhalb von weniger als zwei Jahren blieb der kommerzielle Erfolg aus und die Band lebte von den Konzertgagen. Höhepunkt war im Frühjahr 1973 eine USA-Tournee als Vorband von Wishbone Ash. Als später die Popularität der Band abzunehmen drohte, beschlossen Brooks und ihr Ehemann Gage, einen Raubüberfall auf Brooks vorzutäuschen, um so auf die Titelseiten zurück zu gelangen. Doch innerhalb der Band kam es zu Spannungen zwischen Robert Palmer und Elkie Brooks. Beide hielten sich gegenseitig vor, eine Solokarriere anzustreben und die Band nur als Sprungbrett nutzen zu wollen. Laut Brooks war es allerdings Robert Palmer, der mit Hilfe von Chris Blackwell und ohne das Wissen der anderen Bandmitglieder Pläne für seine eigene Karriere machte. Als diese Pläne den anderen Bandmitgliedern bekannt wurden, löste sich Vinegar Joe Ende 1973 auf.

Sängerin Brooks und die anderen ehemaligen Mitglieder stammten aus dem Jazz der späten 1960er Jahre. Doch Chris Blackwell wollte die Musik der Band in Richtung zeitgenössischer Rockmusik und Rock'n'Roll entwickeln, um die kommerziellen Chancen von Vinegar Joe zu erhöhen. Beim Gesang wechselten sich Brooks und Palmer ab, sang Palmer die Leadstimme, fungierte Brooks als Background-Sängerin und umgekehrt. Der Allmusic-Guide nannte Vinegar Joe die Antwort von Island Records auf die amerikanischen Bands wie The Allman Brothers Band. Insbesondere das dritte und letzte Album "Six Star General" beinhaltete etliche akustische Perlen, von denen das vor allem gesanglich beeindruckendste wohl der Rocker "Proud To Be (A Honky Woman)" war, in welchem Elkie Brooks ihre ganze stimmliche Klasse in einem grandiosen Rock'n'Roll-Feuerwerk unter Beweis stellte.







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