DONALD FAGEN - The Nightfly (Warner Brothers Records 9 23696-1, 1982)
Donald Jay Fagen, geboren am 10. Januar 1948 in Passaic, New Jersey, war der Sänger und Keyboarder des US-amerikanischen Duos Steely Dan. Donald Fagen und Walter Becker lernten sich in den 60er Jahren am Bard College, Annandale on Hudson (New York), kennen. 1972 gründeten sie die Gruppe Steely Dan. Fagen und Becker waren der Kern der Gruppe, und schrieben gemeinsam alle Titel. Bei Studioaufnahmen und Konzerten spielte Walter Becker den Bass und später die Leadgitarre. Donald Fagen spielte die Tasteninstrumente und war in der Regel der Sänger der Gruppe. Die beiden Musiker entwickelten einen sehr eigenen, anspruchsvollen Stil mit Elementen aus Rock, Funk und Blues (unter anderem amerikanisches Songwriting der 30er- und 40er-Jahre). Auch ein ausgeprägter Jazzeinfluss war zu hören, etwa im Stück "Rikki Don’t Lose That Number" (1974), das im Intro den Pianisten Horace Silver zitierte. Im Stück "Parker’s Band" nahmen Steely Dan explizit Bezug auf den Jazzmusiker Charlie Parker. Fast alle Songs waren von Walter Becker und Donald Fagen als Duo geschrieben worden.
Nachdem Becker und Fagen zwischen 1968 und 1971 zahlreiche Demoaufnahmen von Eigenkompositionen, teilweise auch unter Beteiligung von Denny Dias, eingespielt hatten, formierte sich Steely Dan im Jahr 1972 mit folgender Besetzung: Donald Fagen (Gesang und Keyboards), Walter Becker (Bass), Denny Dias (Gitarre), Jeff 'Skunk' Baxter (Gitarre), Jim Hodder (Schlagzeug, Gesang) und David Palmer (Gesang). Auf ihrem ersten Album "Can’t Buy A Thrill" wirkte Elliott Randall als Gastgitarrist mit. 1974 ging die Band auf Tournee. Verstärkt wurde sie hierbei von Michael McDonald (Gesang, Keyboards), Jeff Porcaro (Schlagzeug) und Royce Jones (Gesang und Percussion). 1974 wurde nach der Support-Tour für ihr Album "Pretzel Logic" das Projekt Steely Dan von Fagen und Becker als Duo nur noch im Studio fortgesetzt, wobei sie von einer zunehmenden Anzahl von Studiomusikern bei der Einspielung ihrer Alben unterstützt wurden. Aus der alten Band wurde lediglich Denny Dias gelegentlich als bezahlter Studiomusiker eingesetzt. Auch McDonald und Porcaro wirkten noch vereinzelt mit. McDonald folgte deshalb Baxter zu den Doobie Brothers, Porcaro wurde 1977 neben David Paich, der auch Steely Dan Songs mit eingespielt hatte, einer der Mitbegründer von Toto. Von 1975 bis 1980 produzierten Steely Dan vier von der Kritik hoch bewertete Alben. Nach der Veröffentlichung des Albums "Gaucho" im Jahre 1980 lösten Becker und Fagen ihr gemeinsames Projekt Steely Dan vorerst auf. Ihr grösster gemeinsamer Erfolg war das Album "Aja" von 1977, das Platin-Status erreichte. Das Magazin Rolling Stone listete Donald Fagen und Walter Becker im Jahre 2015 auf Rang 71 der 100 besten Songwriter aller Zeiten. Fagen's Duopartner Walter Becker starb am 3. September 2017.
Zwischen der Auflösung der Band und ihrer Wiedervereinigung brachte Donald Fagen zwei Soloalben heraus, später noch zwei weitere. Fagen erhielt (ebenso wie Becker) 2001 die Ehrendoktorwürde für Musik des Berkley College of Music. Im Oktober 2012 veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ein Interview mit Donald Fagen, in welchem es unter anderem um seine neue Platte "Sunken Condos" ging. Besonders sein erstes Soloalbum aber, das 1982 erschienene, von Gary Katz produzierte Konzeptwerk "The Nightfly" erlangte grosse Popularität und erreichte damals Platz 11 in den US-Charts. Das Konzeptalbum war ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Sämtliche Songs des Albums befassten sich mit tatsächlichen oder fiktiven Ereignissen aus der Jugend, die einen jungen Mann in den späten 50er und frühen 60er Jahren beschäftigen, und dem Zeitgeist jener Zeit. Das Albumcover zeigte dazu absolut passend und stilvoll in Szene gesetzt ein Schwarz/Weiß-Foto des Interpreten als Chesterfield King-Zigaretten rauchenden Radiomoderator neben einem Plattenspieler. Das auf dem Tisch liegende Cover einer Sonny Rollins Platte verwies auf den fiktiven Zeitpunkt der Aufnahme in den späten 50er Jahren und die musikalischen Vorlieben des Moderators. In dieser Rolle als Nacht-DJ einer fiktiven Radiostation namens WJAZ in Baton Rouge, der merkwürdige Höreranrufe entgegennahm und einer verflossenen Liebe nachtrauerte, präsentierte sich Donald Fagen auch auf dem Titelsong des Albums.
Die Platte enthielt ausserdem den in den 80er Jahren viel gespielten Song "I.G.Y." über das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58, das Fagen als Symbol wählte, um in halb nostalgischer, halb parodistischer Weise den in seinen Augen naiven Optimismus und die Technologie-Gläubigkeit dieser Zeit darzustellen; der Titel erreichte Platz 26 der amerikanischen Singles-Charts. Ebenfalls populär wurde das mehr als sechs Minuten lange "New Frontier", das eine Prägung John F. Kennedys als Titel trug, der sich damit auf die Grenze ("Frontier") des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts bezog - den nordamerikanischen Westen, den Wilden Westen jener Zeit mit seiner Verheissung von Chancen und Gelegenheiten, die einem Mann noch gestatten sollten sein Glück zu suchen, zu machen in der Konfrontation nur mit der ursprünglichen Natur. Die störenden Ureinwohner mit ihren offensichtlich älteren Ansprüchen fanden keine Aufnahme in diesen, den alten Mythos vom Leben an der Grenze zur Natur, die im Wesentlichen leer imaginiert wurde. Fehlender Realismus im Begriff von der alten wiederholte sich im Begriff der neuen Grenze. Die "New Frontier", die Kennedy der bedürftigen Öffentlichkeit der USA empfahl, war nicht geeignet, die Wünsche und Ansprüche derer zu erfüllen, welche von den Versprechungen der kommerzialisierten Welt wundersam enttäuscht zurückgelassen worden waren, noch konnte eine Versöhnung der tiefen Klüfte im soziologischen Profil, die Rassengegensätze und die Versuche sie notdürftig zu vertuschen durch die NASA und ihre teilweise spektakulären Bemühungen an der neuen "Frontier" im Weltall befördert werden.
Die Boom-Jahre von Krieg und Nachkriegszeit liefen aus und es begann sich die Welt dahinter abzuzeichnen, der diese Schallplatte letztlich gewidmet war. Der Song deutete die Szene einer alkoholseligen Party in einem privaten Atomschutzbunker der Zeit an und ironisierte Verhalten und Ansichten der Teenager damals. In "The Goodbye Look" skizzierte Donald Fagen einen Militärputsch auf einer karibischen Insel, wie sie in Süd- und Mittel-Amerika während der 50er und 60er Jahre wiederholt vorgekommen waren. Mit der Coverversion des Stücks "Ruby Baby" der Drifters war ein Lied auf dem Album enthalten, das aus der thematisierten Zeit stammte (1956). Mitglieder des Studio-Ensembles für dieses Album waren unter anderem Greg Phillinganes (Piano), Jeff Porcaro (Schlagzeug) sowie die Brüder Randy (Trompete) und Michael Brecker (Tenorsaxophon). Donald Fagen benutzte auf "The Nightfly" musikalische Motive des Jazz der 50er Jahre, im Songtext von "New Frontier" heuchelte der Protagonist Bewunderung für den Pianisten Dave Brubeck. Das Material aus der Musik jener Zeit transformierte Donald Fagen in zeitgemässe Popmusik der 80er Jahre. Fagen's Musik klang dabei nicht unerwartet ähnlich wie die von Steely Dan, er arbeitete solo aber mehr mit elektronischen Mitteln und setzte die auch von Steely Dan bekannten komplexen Bläserarrangements ausgiebig ein. Ausserdem handelte es sich beim Album "The Nightfly" um eines der ersten rein digital aufgenommenen Studioalben.
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