THE FLAMIN' GROOVIES - Shake Some Action (Sire Records SASD-7521, 1976)
Die Flamin' Groovies erlangten leider nie eine grössere kommerzielle Bedeutung, doch Fans und Kritiker zeigten sich von den Werken der aus dem Umland von San Francisco stammenden Gruppe stets begeistert. Ein Grund für ihr hartnäckiges Scheitern war möglicherweise die Tatsache, dass die Flamin' Groovies stets wider die herrschenden Musiktrends spielten. Zu Beginn ihrer Karriere bevorzugten sie eine wilde Mischung aus Rock'n'Roll und Rhythm & Blues, in den 70er Jahren wandten sie sich dem 60er Jahre Pop nach klassischer Prägung zu und wurden als Wegbereiter des Power Pop und gar von Punkrock und New Wave gefeiert. Die Flamin' Groovies kamen 1966 in Kalifornien aus den Überresten der Surf-Bands Chosen Few und Lost and Found zusammen. Die Urbesetzung bestand aus Roy Loney (Gesang), Cyril Jordan, Tim Lynch (beide Gitarre), George Alexander (Bass) und Danny Mihm (Schlagzeug). Das Quintett legte sich ein Repertoire zu, das zu gleichen Teilen aus eigenem Material und Coverversionen bestand, und spielte sich fleissig durch die Clubszene Kaliforniens. Einer in Eigenregie produzierten Mini-LP namens "Sneakers" (1968) folgte schliesslich nach längerer Suche ein Plattenvertrag bei Epic Records. Das erste Ergebnis dieser Partnerschaft war das Album "Supersnazz", das 1969 mit einem Kleinstbudget produziert und vor allem von den Radiomoderatoren in und um San Francisco mit Begeisterung aufgenommen wurde. Die Verkaufszahlen waren jedoch, nicht zuletzt aufgrund der halbherzigen Promotion der Plattenfirma, nur sehr mässig.
Im selben Jahr traten die Flamin' Groovies mehrere Male im Fillmore West in San Francisco auf, teilweise zusammen mit Bands wie den Grateful Dead oder den Stooges. 1970 und 1971 folgten mit "Flamingo" und "Teenage Head" zwei weitere Alben (diesmal bei Kama Sutra Records), denen dasselbe Schicksal wie ihrem Vorgänger "Supersnazz" beschieden war. Kritiker zeigten sich sehr angetan von den Songs, die textlich ein unbeschwertes, freches Lebensgefühl transportierten und auch musikalisch überzeugten, aber jeglichen kommerziellen Erfolg verfehlten. Mit dem damals vorherrschenden Psychedelic Rock hatte die Band nichts gemeinsam, sondern spielte einen fröhlich-unbekümmerten Garagenrock. Während der Aufnahmen zum nächsten Album "Teenage Head" warf die Band ihren Leadgitarristen Tim Lynch wegen dessen Drogenproblemen raus und nahm James Farrell neu hinzu. 1972 verliess auch der charismatische Frontmann Roy Loney die Band und begann eine (ebenso) erfolglose Solokarriere mit seiner eigenen Formation The Phantom Movers ("Neat Petite" als Anspieltipp!). Sein Ersatz wurde Chris Wilson, der von der Band Loose Gravel kam. Der prägnante Anti Drogen-Song "Slow Death" erschien kurz nach Loney's Abschied und beendete das erste Kapitel der Bandgeschichte.
Mit Wilson an seiner Seite entdeckte Cyril Jordan, der zuvor mit Roy Loney das Material der Band verfasste, seine Ader für glasklare, gitarrengetriebene und melodische Popmusik. Es dauerte jedoch noch bis 1976, ehe die Band wieder ans Licht der Öffentlichkeit trat. Mit Dave Wright als neuem Schlagzeuger nahmen die Flamin' Groovies in London die von Dave Edmunds produzierte LP "Shake Some Action" auf, die ihr bekanntestes Werk werden sollte. Sie enthielt Songs wie "You Tore Me Down", "I Can't Hide" oder den Titelsong, die sich im Aufbau stark an den klassischen Popsongs der 60er Jahre orientierten und hochmelodische Gitarrenarbeit mit zweistimmigem Gesang verbanden. Die Flamin' Groovies waren nie innovativ und nie kommerziell erfolgreich, zudem mit dem unbekümmerten Rock'n'Roll, den sie spielten, um Jahre zu spät dran. "Shake Some Action", 1976 erschienen, hätte zehn Jahre zuvor für Furore gesorgt - am Vorabend der Punk-Revolution ging das Album jedoch leider gnadenlos unter.
Produziert wurde es von Dave Edmunds, eingespielt im Vereinigten Königreich, und bei den fünf Herren auf dem Cover meinte man glatt, eine Londoner Combo der späten Sechziger Jahre vor sich zu haben - dabei kamen die Flamin' Groovies aus dem sonnigen Kalifornien. "Shake Some Action" stellte dabei den Gipfel des kreativen Schaffens der Band dar - 14 eingängige Songs, zum Teil trockener, klassischer Rock'n'Roll, zum Teil druckvoller Power Pop mit meterdicken Gitarrenwänden, immer aber mit einprägsamen Melodien und handwerklich einwandfrei dargeboten. Dabei klang die Platte sowas von unverschämt schön nach dem Spät 60er Swingin' London, dass es eine Freude war. Textlich bewegten sich die beiden Songschreiber Cyril Jordan und Chris Wilson im bewährten Rahmen des klassischen Dreiminuten-Popsongs mit den üblichen Themen Spass, Freizeit, Mädchen, immer mit dem für die Flamin' Groovies typischen, leicht rebellischen Einschlag, der sich besonders in dem fantastischen Titelsong widerspiegelte: viereinhalb Minuten tolle Gitarren-Hooks, kraftvoller Bass und kerniges Schlagzeug und natürlich wie immer ein betont cooler Gesang.
Nach einer beeindruckenden, eine halbenStunde währende Party war der Spass leider schon wieder vorbei, aber was eindeutig blieb, war erneut der Eindruck, dass hier wieder eine Band ein fabelhaftes Album hinterliess, das einfach nur wundern machte, warum kaum ein grösseres Publikum daran nicht hängen blieb. Ein Album, das einfach unheimlich viel Hörfreude vermittelte und wohl auch gar nichts anderes verbreiten wollte als ein wenig Nostalgie-Feeling und unvergessliche Melodien zu präsentieren. Nachdem auch diese LP gefloppt war, hörte man von den Flamin' Groovies leider nicht mehr allzu viel. Umso erfreulicher, dass ihr grössßtes Werk es zumindest bis ins CD-Zeitalter schaffte und dadurch auch weiterhin erhältlich bleibt. Eine anschliessende Europa-Tournee mit über 250 Konzerten geriet zum Triumphzug für die Flamin' Groovies, trug jedoch nichts zu den immer noch mangelnden Verkäufen des aktuellen Albums bei. Gerne attestierte man dem Quintett in diesen Tagen, ein besonders charmanter Anachronismus zu sein: musikalisch unanfechtbar und höchst eigenständig, aber der Entwicklung im Musikgeschäft freiwillig um Jahre hinterher. Zum Zeitpunkt des Erscheinens von "Shake Some Action" war in Europa gerade der Punkrock im Kommen und machte es der Band schwer, Fuss zu fassen - ein Schicksal, das die Flamin' Groovies mich so vielen anderen Bands und Künstlern teilte damals. Nach einer weiteren Umbesetzung (Michael Wilhelm ersetzte James Farrell) und einem letzten Versuch, ein Erfolgsalbum zu produzieren ("Jumpin' In The Night", 1979), verschwand die Band aus dem öffentlichen Blickfeld.
Auch in den 80er Jahren gab es weiterhin Flamin' Groovies-Veröffentlichungen, die immer noch den alten Vorlieben verhaftet waren und keinerlei Aufsehen mehr erregten. Der Kreativkern beschränkte sich nur noch auf die beiden Gründungsmitglieder Jordan und Alexander, die mit wechselnden Mitmusikern spielten. Während ihnen keine Aufmerksamkeit mehr beschieden war, griffen aktuelle Bands wie Family 5, Yo La Tengo, die Hoodoo Gurus oder auch R.E.M. den typischen nostalgischen Spielstil der Flamin' Groovies auf und unterzogen ihn der nötigen Modernisierung. Anfang der 90er Jahre schliesslich löste sich die Band endgültig auf.
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