Oct 31, 2017


RYAN ADAMS - Gold (Lost Highway Records 088 170 256-2, 2001)

Ryan Adams' Musiksstil variierte immer punktgenau und sehr herzlich zwischen Rock, Country und Folk, wurde aber eigentlich dem sogenannten Alternative Country zugeordnet. Nach einigen wenig erfolgreichen Versuchen als Maler oder auch als Autor dramatischer Stücke verschrieb sich Ryan Adams schliesslich ganz der Musik. Seine Karriere begann er als Frontmann und Sänger der Band Whiskeytown. Vorher spielte er bei der Band The Patty Duke Syndrome. Nach seiner Zeit bei Whiskeytown startete er eine ziemlich erfolgreiche Solokarriere. Nach dem kommerziellen Erfolg des auf dem Independent-Label Bloodshot Records erschienenen Albums "Heartbreaker" nahm ihn ein auf Alternative Country spezialisiertes Unterlabel des grossen Labels Universal Music namens Lost Highway unter Vertrag. Dort veröffentlichte er im Jahre 2001 das Album "Gold". Dies wurde weltweit gefeiert, sowohl von Kritikern als auch von vielen Musiker-Kollegen. Zugleich verkaufte sich das Album ausserordentlich gut, was ein wachsendes Interesse an Adams und seiner Musik generell auslöste. Jedoch war der Verkaufserfolg nicht ohne Opfer: Das Album "Gold" entstand unter dem Druck des neuen Labels, erfolgreich zu werden, was es auch musikalisch kommerziell werden liess. Adams löste dieses Problem zumindest zum Teil über die Vinyl-Pressung, welche auf der vierten Seite mit fünf (auf dem CD-Album nur als limitierte Auflage erschienenen) weit weniger kommerziellen Stücke aufwartete, die das Gesamtalbum sehr viel plastischer werden liessen.

Man konnte sich schon damals mit Recht fragen, wo dieser exzellente Songschreiber nur immer seine vielen Ideen herholte, denn gegenüber Whiskeytown's finalem Album "Pneumonia" und seinem bereits gefeierten Solo-Einstand "Heartbreaker", bescherte Ryan Adams seinen weltweit immer zahlreicher werdenden Fans eine weitere hochkarätige Platte, die das unbescheidene "Gold" im Albumtitel auch zurecht trug. Doch das eigene Musikschaffen schien den offensichtlichen Workaholic Adams noch nicht auszulasten, denn neben der halb Hardrock und halb Countrypunk-Gruppe The Pink Hearts und einem regelrechten Allstar-Projekt mit Namen The Virgins mit James Iha (Smashing Pumpkins), Melissa Auf Der Maur (Hole, Smashing Pumpkins) und Evan Dando (Lemonheads) hatte der umtriebige Künstler nämlich noch jede Menge andere Beschäftigung. Aehnlich wie beispielsweise Howe Gelb eiferte auch Ryan Adams eine zeitlang dem Titel des 'hardest working Man in Show Business' nach, jedenfalls konnte man diesen Eindruck erhalten, wenn man sich all diese vielen Betätigungen innerhalb seines umfangreichen Musikschaffens betrachtete.

Adams' Album "Gold" hatte indes weitaus mehr zu bieten als einen zerzausten Kerl in Bluejeans vor Stars and Stripes auf dem Cover, auch wesentlich mehr als nur eine - oberflächlich betrachtete - Arbeits- und Schaffens-Wut. Wer aufgrund des Plattencovers patriotischen Weihrauch vermutete, sah sich getäuscht. Aehnlich wie Bruce Springsteen ("Born In The U.S.A.") streckte Ryan Adams der Gesellschaft die Zunge raus, drehte er die Flagge um und wollte provozieren. Trotz dieser Kontroverse gelang ihm mithin eines der wunderbarsten Pop-Covers der damaligen Zeit, das neben Provokation auch unglaublich viel Stil bewies. Und die Musik stand sowieso jenseits von allen Gütesiegeln. Schon das unwiderstehlich groovende "New York, New York" wehte einem wie ein frischer Fahrtwind durch die Haare. Da zwirbelte die beseelt gespielte akustische Gitarre zu wohlvertrauten und warmen Orgelsounds, und der Musiker begann seinen Roadtrip mit einem winkenden Abschiedslied an die ehemalige Wahlheimat: "Hell, I still love you New York". Auf dem Weg in sein neues Zuhause am Pazifik durchquerte Adams nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch gleich deren komplette Musikgeschichte. Was auf dem Vorgänger noch tieftraurig aus den Boxen schlich, fasste sich nicht nur dank der famosen Bluesharp im herrlichen Americana-Schunkler "Firecracker", dem schwelgenden Gospel in "The Rescue Blues" oder Adam Duritz' (Counting Crows) Hilfe im lüstern dräuenden "Touch, Feel & Lose" ein Herz und ging in die Offensive. Zwischen Heartland Rock und Alternative Country war für ihn eben genug Platz für Blues, Folk, Soul und jede Menge Melodie. Und wenn diese so mitreissend inszeniert war wie im Song "Gonna Make You Love Me" und derartig unter die Haut fuhr wie in "La Cienega Just Smiled", konnte man eigentlich nur noch ungläubig staunen.

Es war nicht nur dieses schlafwandlerische Bewusstsein für den richtigen Ton oder die passende Harmonie, der Adams' zweites Soloalbum zu einer solchen Goldgrube machte. Neben der sanften Poesie, die mit Zeilen wie "Better off as the fool than the owner of that kind of heart" betörte, faszinierte vor allem seine Unberechenbarkeit. Nie konnte man sich sicher sein, mit welcher Wendung der im besten Sinne moderne Singer/Songwriter-Rock den Zuhörer als nächstes überraschte. Wenn die Schubladendenker Adams einen Cowboyhut aufsetzen wollten, rockte er ihnen mit "Tina Toledo's Street Walking Blues" den Stetson aus der Hand. Kaum hatten sie die Vokabeln "Boss" oder "Cougar" auf den Lippen, schmatzte er ihnen ein genüssliches "Goodnight, Hollywood Blvd." auf die Backen. Und während sich die Gitarren in "Nowhere Girl" zu einem prächtigen Crescendo zusammenrauften, krächzte, gospelte und schwelgte Adams schon wieder im nächsten Song. Und während sich der Kenner noch eben Gedanken dazu hätte machen wollen, ob das nun alles noch irgendwie Alternative Country sein könnte, lieferte der Künstler mit "Sylvia Plath" oder dem verloren wirkenden "Harder Now It's Over" derart viel Melancholie, dass alle stilistischen Schubladen irgendwie stecken blieben. Selten verbreitete eine so uramerikanische Platte so viel Optimismus, so viel pure Lebensfreude und dennoch so viel aufrichtige Leidenschaft. Adams' Songs machten fernab von falsch verstandener Bodenständigkeit nicht weniger als süchtig. Niemand wagte es, dem Ohr die nächste Überraschung, den nächsten Seufzer, die nächste abhängig machende Tonfolge zu verwehren. "So close your eyes, so close your mouth and do this all in time with the music. That screams like a child in the back of your mind", hauchte Ryan Adams zum Abschied. Und die Kerzen flackerten im Rhythmus der Gitarre.

Nach dem prächtigen und süchtig machenden "Gold" nahm Adams 2001 noch gleich fünf weitere Alben auf: "48 Hours", "The Suicide Handbook", "Pinkhearts 1 & 2" und "Swedish Sessions". Diese Alben wurden allerdings nicht veröffentlicht. Entsprechend rankten sich verschiedene Mythen um sie. Lost Highway veröffentlichte die Alben nicht, da man befürchtete, dass sie sich nicht gut verkaufen würden. 2002 erschien dann das Album "Demolition", das im Prinzip kein eigenständiges Album darstellte. Es war vielmehr eine Zusammenfassung der nicht veröffentlichten Platten. Musikalisch bezeichnete es den Wendepunkt seiner bisherigen musikalischen Laufbahn. Zum einen enthielt es mehrere rockigere Songs wie "Nuclear" oder "Starting To Hurt", und ferner entwickelte sich Adams’ Stimme bereits merklich hin zur Kopfstimme, die den Charakter aller mnachfolgenden Alben prägte. Dennoch aber erntete das Album eher zurückhaltende Zustimmung bei Kritikern und Fans.

Durch den nur mässigen kommerziellen Erfolg von "Demolition" stand Adams von Seiten der Plattenfirma in der Folge unter Druck. Ende 2003 erschien das Album "Rock'n Roll", das er angeblich innerhalb von nur einer Woche aufgenommen hatte. Schon vom Namen her signalisierte es den von der Plattenfirma geforderten positiven, sehr rockigen Stil. Die hohen Erwartungen des Labels wurden allerdings nicht ganz erfüllt. Zwar verkaufte sich die Single "So Alive" recht gut, das Album konnte aber nicht ganz an die Erfolge von "Gold" anknüpfen. Im Zwei-Monats-Abstand erschienen noch die EPs "Love Is Hell Pt. 1" und "Love Is Hell Pt. 2". Diese EPs - jeweils in der Länge eines Original-Albums - wollte die Plattenfirma zunächst nicht auf den Markt bringen, Adams hatte sich aber das Recht zur Veröffentlichung als Gegenleistung für das stilistische Entgegenkommen beim Album zusichern lassen. "Love Is Hell Pt.1" und "Love Is Hell Pt.2" waren zwar kommerziell nicht überaus erfolgreich, erhielten aber deutlich bessere Kritiken als das Album selbst. Anders als auf "Rock'n Roll" gab es hier neben den rockigen Songs auch ruhigere, fragile, zum Teil auch wieder melancholische Stücke. Insgesamt stellten sie stilistisch wieder eine Anknüpfung an "Gold" dar. Eines der bekanntesten Stücke des Albums war das Oasis-Cover "Wonderwall", welches durch die amerikanische Serie 'O.C., California' grosse Bekanntheit erlangte.

Außerdem wurde 2003 das Album "We Are Fuck You" der Hardcore-Punkband The Finger veröffentlicht, die er mit seinem Freund Jesse Malin gegründet hatte und bei der er unter dem Namen Warren Peace (Wortspiel aus War and Peace) Gitarre spielte. Bei diesem Album handelte es sich um eine Zusammenfassung der beiden EPs "We Are Fuck You" und "Punk's Dead Let's Fuck", die die Band veröffentlicht hatte. 2004 wurden dann die Stücke der beiden "Love Is Hell"-EPs bis auf zwei Bonus-Tracks noch auf einem eigenen Album veröffentlicht. Zunächst erschienen keine weiteren Platten, da sich Adams bei der Tournee zu "Rock'n Roll" das Handgelenk brach, als er beim Liverpooler Konzert unter starkem Whiskey-Einfluss im Januar 2004 von der Bühne stürzte. Daraufhin musste er die restlichen Konzerte seiner Europatour absagen. 2005 erschien dann das Doppelalbum "Cold Roses", das Adams mit seiner neu formierten Band The Cardinals aufnahm. Es stellte eine Rückbesinnung zum Country und Rock dar und wurde von Seiten der Fans und Kritiker sehr gelobt. Das Album wurde sehr erfolgreich und seine Verkaufszahlen stellten die Plattenfirma endlich zufrieden. Die Europatournee 2005 wurde abgesagt, da Adams an einer schweren Ohreninfektion litt. Im Herbst 2005 erschien dann noch "Jacksonville City Nights", das eigentlich "September" heissen sollte. Dieses Album war noch Country-lastiger als sein Vorgänger und erhielt durchweg gute Kritiken.

Anfang 2006, in den USA noch 2005, erschien "29". Dieses Album stammte noch aus dem Jahre 2004 und wurde von Ethan Johns produziert, der auch schon für "Gold" und "Heartbreaker" die Produktion gefahren  hatte. Anders als "Jacksonville City Nights" und "Cold Roses" war dies ein völliges Solowerk ohne Adams Band The Cardinals. Es ähnelte zum Teil "Love Is Hell", hatte aber auch wieder viele Country-Elemente. Von den Kritikern wurde das Album durchwachsen aufgenommen. Damit hatte Adams drei Alben in einem Jahr veröffentlicht, von denen allerdings nur das erste kommerziell erfolgreich war. 2006 produzierte er das Album "Songbird" des grossen alten Mannes des Outlaw-Country, Willie Nelson, für das er den Song "Blue Hotel" schrieb und mit den Cardinals auch die Instrumentalbegleitung einspielte. Am 22. Juni 2007 veröffentlichte Adams sein neuntes Studioalbum "Easy Tiger", das ihm seine bisher höchsten Chartplätze international einbrachte und an den Erfolg seines Albums "Gold" heranreichte. Auch von den Kritikern -besonders in den USA - wurde das Album eher positiv aufgenommen. Musikalisch bot das Album eine grosse Bandbreite von Adams' Schaffen, neben Rocksongs wie "Halloweenhead" waren auch Countryrock-Songs und Piano-Balladen vertreten.

Am 23. Oktober 2007 erschien eine EP mit dem Namen "Follow The Lights", die live im Studio aufgenommene Songs aus Adams' älteren Alben und neue Songs beinhaltete. Die EP umfasste insgesamt sieben Titel und wurde nicht in Europa veröffentlicht. Im Gegenzug erschien aber am 9. November 2007 eine EP, die den Song "Everybody Knows" von dem Album "Easy Tiger" als zusätzlichen Song beinhaltete. Die restlichen Songs waren dieselben wie auf "Follow The Lights". Am 28. Oktober 2008 erschien das Album "Cardinology". Die Band nannte sich seit 2008 nicht mehr Ryan Adams And The Cardinals, sondern schlicht The Cardinals, um der gleichberechtigten Zusammenarbeit beim Schreiben und Spielen der Musik Rechnung zu tragen. Adams hatte am 14. Januar 2009 angekündigt, seine Band nach der Finalshow am 20. März zu verlassen. Aufgrund seiner schweren Erkrankung im Innenohr (Morbus Menière) entschied er sich damals ausserdem, zukünftig nicht mehr auf Tournee zu gehen. Ryan Adams' zweite Sammlung aussermusikalischer Poesie 'Hello Sunshine' erschien im Herbst 2009. Im März 2010 veröffentlichte Ryan Adams sein neues Studioalbum "Orion", das er selbst der Richtung Metal zuordnete. Inzwischen hatte er ein 2006 zusammen mit den Cardinals aufgenommenes Album namens "III/IV" veröffentlicht. Ferner kündigte er an, ein weiteres früher aufgenommenes Album namens "Blackhole" zu veröffentlichen. Im Sommer und Herbst 2011 war er auf Europatournee.

Ebenfalls 2011 erschien sein 13. Studioalbum "Ashes & Fire". Von Kritikern wurde das Album hoch gelobt, es sei sein bestes Soloalbum seit einer Dekade, die Musik klänge nach weitem Land und klarer Luft, was Ryan Adams umso jünger wirken liesse. Auch musikalisch war das Album eine Rückbesinnung auf Adams' Frühstil, mit spärlichem Einsatz der Kopfstimme und starkem Country-Einfluss. Der Kritiker Jamie Crossan verwies auf die Ähnlichkeit mit "Heartbreaker", die Zeitschrift Rolling Stone fügte hinzu, dass der Schmerz des Gesangs nun aber eine Aussicht auf Linderung beinhalten würde. Kommerziell gehörte "Ashes & Fire" zu Adams' erfolgreichsten Alben. 2013 gründete Ryan Adams zusammen mit Johnny T. Yerington und Leah Hennessey eine Punkrockband namens Pornography". Ein dazugehöriges Album "7 Minutes In Heaven" wurde aufgenommen. Nach seinem Auftritt in der Royal Albert Hall 2013 kündigte er an, ein weiteres Album aufzunehmen. Das mit seinem Namen betitelte nächste Werk wurde von den Musikkritikern der Süddeutschen Zeitung als Singer-Songwriter Album des Jahres hervorgehoben. Der Musiker habe zuvor seine Morbus Menière-Symptome mit Hilfe eines Hypnotherapeuten und medizinischem Marihuana in den Griff bekommen. Im September 2015 veröffentlichte Adams "1989", ein vollständiges Cover des gleichnamigen Albums von Taylor Swift.












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