YOUSSOU N'DOUR - Dakar-Kingston
(Universal Music France 06007 5325472 1, 2010)
Der aus dem Senegal stammende Youssou N’Dour verfügt über eine dieser Stimmen, die man, wenn man sie einmal gehört hat, nie wieder vergisst. Wer ihn nicht schon 1989 durch den mit Peter Gabriel aufgenommenen internationalen Hit "Shaking The Tree" kennengelernt hatte, tat dies spätestens 1994, als er im Duett mit Neneh Cherry, der Tochter des Free Jazz Pioniers Don Cherry und Schwester von Eagle-Eye Cherry, den ungemein betörenden Ohrwurm "7 Seconds" aufnahm. Seitdem stand für viele Musikkenner fest: Wenn eine Stimme den gesamten afrikanischen Kontinent repräsentieren sollte, dann ist es jene von Youssou N’Dour. Der Senegalese stand seit jeher wie kein anderer für den friedlichen Dialog zwischen den verschiedenen Ländern, Rassen, Ethnien, Geschlechtern und Religionen. Als Verfechter des Panafrikanismus lautete sein Motto schon immer: "Sehr viel wichtiger als das, was uns trennt, sind die Gemeinsamkeiten, die wir haben". Vom Panafrikanismus zur Rastafari-Bewegung war es nur ein kleiner Schritt. Die so genannten panafrikanischen Farben Rot, Gelb und Grünwaren zugleich die Farben der Rastafaris und des Reggae. Auf seinem Album "Dakar-Kingston" widmete sich Youssou N’Dour erstmals dezidiert dem Reggae, der 1980 nach einem Auftritt Bob Marley's in Zimbabwe in Afrika neue Wurzeln schlug, sich dort wandelte und auch vielgestaltiger wurde.
"Von Brasilien bis Australien und sogar in Bombay, Afrikaner, Inder und die Portugiesen, sie alle lieben den One Drop Rhythmus des Roots-Reggae”, sang Youssou N’Dour in dem Bob Marley gewidmeten Opener des Albums. Und dann hiess es weiter: "Auf dem Markt spielt man seine Musik den ganzen Tag lang. Marley war ein junger Mann, der davon trieb. Er zeigte der Welt den Weg zum Reggae / One Love, No Woman, No Cry". Youssou N’Dour zeigte seine Verbundenheit zum Reggae zwar deutlich, beging dabei aber nicht den Fehler, dem Publikum vorgaukeln zu wollen, dass er ein Teil der Tradition dieser Musik sei. Sein Ansatz unterschied sich auch deutlich von dem der typischen afrikanischen Reggae Musikern und Künstlern wie etwa den Ivorern Alpha Blondy und Tiken Jah Fakoli oder dem Südafrikaner Lucky Dube, der 2007 Opfer der ausufernden Gewalt in seiner Heimat wurde.
Einige der Titel dieses Albums hatte Youssou N’Dour schon auf früheren Alben vorgestellt. In diesen neuen Variationen gab er ihnen aber mit den One Drop Rhythmen einen Reggae-Einschlag. Etwa dem Stück "Don’t Walk Away", das er ursprünglich im Duett mit Sting für das Album "Joko From Village To Town" aufnahm, oder auch "Medina" und "Pitche Me". Unter den Gastmusikern, die Youssou N’Dour auf dem Werk "Dakar - Kingston" präsentierte, fand sich auch ein sehr prominentes afrikanisch stämmiges, deutsches Künstlerpaar: Der Reggaesänger Patrice, Sohn des sierra-leonischen Schriftstellers Gaston Bart-Williams, nahm mit Youssou N’Dour den Song "Joker" neu auf, während seine Lebensgefährtin Ayo Youssou's Duettpartnerin in "Africa, Dream Again" war. Natürlich durfte man das gesamte Album als eine Hommage an Bob Marley verstehen, dessen Musik der Senegalese schon als 13-Jähriger kennen und lieben gelernt hatte. Doch es war kein simpler Tribut an den verstorbenen Heroen. Vielmehr betrachtete Youssou N’Dour, der 2005 für das Album "Égypte" seinen ersten Grammy erhielt, sich selbst und sein Werk im Reggae-Spiegel.
Auf "Dakar-Kingston" präsentierte Youssou N’Dour also im Grunde alte Hits und neue Songs im Reggae-Gewand. Die Wiedergeburt Afrikas, seine kulturelle Vielfalt und die afrikanische Einheit waren der thematische Dreh- und Angelpunkt des dritten Festival Mondial des Arts Nègres, das im Dezember 2009 in der senegalesischen Hauptstadt Dakar stattfand. Das Festival feierte ausserdem die 50jährige Unabhängigkeit Afrikas. Denn 1960 hatten gleich siebzehn afrikanische Länder - darunter der Senegal - die Unabhängigkeit von ihren Kolonialmächten erlangt. Youssou N'Dour, der prominenteste Musikbotschafter des Senegals und König des Mbalax-Stils, stellte bei seinem Festivalauftritt sein damals neuestes Projekt vor: "Dakar-Kingston", eine Hommage an Bob Marley, eine der Kultfiguren der afrikanischen Diaspora und den ersten internationalen Star der Dritten Welt. "Wenn ich Reggae höre, dann spüre ich den Schmerz, der sich hinter der Freude verbirgt, dann spüre ich das Gewicht der Rebellion und Geschichte, das hinter jeder Note steckt", meinte Youssou N'Dour. Schon seit fünfzehn Jahren, so erzählte er, lag ihm einer seiner Freunde mit dem Wunsch in den Ohren, doch endlich mal ein Reggae-Album aufzunehmen. 2010 sah Youssou die Gelegenheit endlich für gekommen, dieses Projekt unter dem Titel "Dakar-Kingston" endlich in Angriff zu nehmen.
Für die Aufnahme des Albums begab er sich an einen historischen Ort: das Tuff Gong International Studio in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston. Das Studio war 1965 von Bob Marley aufgebaut worden. Dort entstanden seitdem etliche der bedeutendsten Reggae-Aufnahmen. Und genau dort traf sich Youssou N'Dour mit legendären Reggae-Musikern wie dem Keyboarder Tyrone Downie, dem Gitarristen Earl 'Chinna' Smith und dem Saxophonisten Dean Fraser, die allesamt einst zum Tross von Marley gehört hatten, sowie dem Dancehall-Bassisten Michael Fletcher. Gemeinsam transformierten sie Youssou's Lieder in Reggae-Nummern, indem sie die lebhaften senegalesischen Mbalax-Rhythmen durch jamaikanische One Drop Rhythmen ersetzten.
In seiner Heimat galt Youssou N’Dour seit jeher als starke kulturelle Symbolfigur, die sich imemr auch aktiv sozialen Fragen widmete. 1985 organisierte er ein Konzert zur Freilassung von Nelson Mandela. N’Dour und seine Band besangen im Jahr 1986 den Kämpfer gegen die Apartheid mit einem eigenen Song. Er trat 1988 auf der weltweiten Amnesty International Human Rights Now! Tour auf und arbeitete mit den Vereinten Nationen und UNICEF. Er gründete das Projekt Joko, um in Afrika Internetcafés zu eröffnen und Menschen aus dem Senegal weltweit zu verknüpfen. Auf dem Live 8 Konzert am 2. Juli 2005 trat er im Duett mit Dido in London und Paris auf. Er organisierte das am 12. und 13. März 2005 stattfindende Konzert Africa Live, bei dem in der senegalesischen Hauptstadt Dakar einige der renommiertesten afrikanischen Musiker auftraten. Das Konzert war Teil der Kampagne 'Roll Back Malaria' und unterstützte den Kampf gegen die Krankheit Malaria, der noch immer Millionen Menschen vor allem in Afrika zum Opfer fallen. Beim Music & Messages-Konzert der Initiative 'Deine Stimme gegen Armut' am 7. Juni 2007 in Rostock engagierte er sich neben weiteren Stars wie Bono, den Toten Hosen und den Fantastischen Vier. Das Konzert fand im Rahmen des G8-Gipfels in Heiligendamm statt. Seit dem Mai 2007 ist Youssou N'Dour ausserdem Ratsmitglied des World Future Council und engagiert sich für die Rechte zukünftiger Generationen.
Anfang Januar 2012 gab N’Dour bekannt, dass er bei den kommenden senegalesischen Präsidentschaftswahlen im Februar desselben Jahres gegen den bisherigen Amtsinhaber Abdoulaye Wade antreten wolle. Das Verfassungsgericht liess jedoch Ende Januar eine Kandidatur N’Dours nicht zu, da er nur 8900 gültige Unterschriften anstatt der erforderlichen 10000 vorgelegt hätte. Gleichzeitig wurde Abdoulaye Wade zur Wahl zugelassen, obwohl die senegalesische Verfassung eine dritte Kandidatur eigentlich nicht vorsieht. Dies führte in Dakar zu Strassenschlachten zwischen oppositionellen Demonstranten und der Polizei. N’Dour, der selbst von fast 13000 erhaltenen Unterschriften sprach, plante zunächst, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen, unterstützte dann aber den späteren Sieger der Wahl, Macky Sall. Am 4. April 2012 wurde er zum Minister für Kultur und Tourismus in dessen Kabinett berufen. Ende Februar 2012 unterzeichnete Youssou N’Dour bei einem Treffen mit Jo Leinen den Aufruf der internationalen Kampagne für eine Parlamentarische Versammlung bei den Vereinten Nationen.
Auch als Schauspieler betätigte sich Youssou N'Dour in den vergangenen Jahren: Der Film 'Retour à Gorée / Return to Gorée', deutscher Titel 'Rückkehr nach Gorée' aus dem Jahre 2006 war ein Dokumentarfilm, in welchem Youssou N’Dour zusammen mit anderen Musikern eine Reise zu einem der grössten Sklavenhandelsplätze, der Insel Gorée, unternahm, auf der Suche nach musikalischen Wurzeln unter anderem des Jazz. Im Verlaufe der Reise schrieb Youssou N’Dour neue Songs, beeinflusst von den Eindrücken der Reise. Der Film endete mit einem Gedenkkonzert an die Gräueltaten der Sklaverei auf der Insel Gorée. Ein weiteres Filmprojekt N’Dours war der Spielfilm 'Amazing Grace' von 2007. Dieser behandelte den Beginn der Antisklavereibewegung in Grossbritannien. N’Dour verkörperte in dem Film die Rolle des Olaudah Equiano. Dieser war eine der prominentesten Personen afrikanischer Herkunft innerhalb der britischen Parlamentsdebatten gegen den Sklavenhandel zu Ende des 18. Jahrhunderts.
No comments:
Post a Comment