JOHN MARTYN - Grace & Danger (Island Records ILPS 9560, 1980)
John Martyn, Träger des Order Of The British Empire 'OBE', geboren am 11. September 1948 als Ian David McGeachy in New Malden Surrey, gestorben am 29. Januar 2009 in Irland, war einer der populärsten britischen Folkrock -Musiker. Er vereinigte in seiner Musik allerdings verschiedene Stilarten zu einem neuen Ganzen, er war ein elektrisierender Gitarrist und Sänger, dessen Musik die Grenzen zwischen Folk, Jazz, Rock und Blues verschwimmen liess. John Martyn, ein Einzelkind, verbrachte seine frühe Kindheit in London. Martyns Eltern, beide Opernsänger, liessen sich scheiden, als er fünf Jahre alt war, und er zog zu seiner Grossmutter nach Glasgow. Mit 15 Jahren begann er Gitarre zu spielen, zunächst unter der Anleitung von Hamish Imlach, einem traditionellen schottischen Sänger, bei dessen Shows er als Gastmusiker auftrat. Mit 17 begann er mit Soloauftritten in Schottland, ein Jahr später zog er nach London, wo er in Folk-Clubs auftrat.
1967 bekam Martyn einen Vertrag bei Island Records und nahm seine erste Platte "London Conversation" auf, seine zweite Platte "The Tumbler" aus dem Jahre 1968 wurde von Al Stewart produziert. Seine Musik war zu dieser Zeit sehr von Davey Graham beeinflusst, der eine Mischung von Jazz, Folk, Blues und verschiedenen anderen Musikrichtungen spielte. Er beschäftigte sich jedoch zunehmend mit irischer und indischer Musik sowie mit dem späten John Coltrane, und begann mit Experimenten auf der elektrischen Gitarre. 1969 lernte er die Sängerin Beverley Kutner kennen, die beiden heirateten. Sie traten zusammen auf und nahmen 1970 ihre erste gemeinsame Platte "Stormbringer" auf. Martyn suchte weiterhin einen eigenen Gitarrenstil und führte auf "Stormbringer" das Echoplex ein, ein analoges Delay, das in seiner weiteren Karriere vor allem in den 70er Jahren ein Markenzeichen seiner Musik wurde. Martyn adoptierte Wesley, den zweijährigen Sohn Beverlyes, und 1971 wurde ihre Tochter Mhairi geboren. Schon bei der Veröffentlichung ihres zweiten Albums "The Road To Ruin" im Jahre 1970 wurde allerdings klar, dass ihre musikalischen Ziele nicht übereinstimmten. John war mit konventioneller Musik nicht zufrieden und suchte nach einem freieren Stil abseits des Mainstreams.
Beverley Martyn, 1947 bei Coventry geboren, veröffentlichte ihre erste Single im Jahre 1965 mit der Jug Band The Levee Breakers. Es folgten einige Solo-Singles unter ihrem Vornamen. Sie lernte Paul Simon kennen, mit dem sie nach New York ging. Sie war zu hören im Simon & Garfunkel-Song "Faking It" auf deren Album "Bookends" von 1968, wo sie sagte: "Good morning, Mr Leitch, have you had a busy day". Am 16. Juni 1967 trat sie beim Monterey Pop Festival auf, ebenso wie Simon & Garfunkel. 1969 traf sie John Martyn, es folgten die wenigen gemeinsamen Jahre. Beverley Martyn zog sich nach der Scheidung aus dem Musikgeschäft zunächst zurück. In den 90er Jahren wagte sie jedoch ein Comeback. Sie ging mit Loudon Wainwright III auf Tour. 1998 erschien ihr Album "No Frills". 2004 wurde ihr Song "Primrose Hill" von Fat Boy Slim für seinen Titel "North West Three" auf dem Album "Palookaville" gesampelt. Im Laufe ihrer musikalischen Karriere hatte Beverley Martyn mit zahlreichen Künstlern zusammengearbeitet, darunter Levon Helm, Jimmy Page, Dave Pegg, Richard Thompson, John Renbourn, Ralph McTell, Davy Graham und Sandy Denny. Sie war zu sehen auf dem Cover des Albums "It Don’t Bother Me" von Bert Jansch, der ihr in den 60er Jahren das Gitarrenspielen beigebracht hatte. Sie war befreundet mit Nick Drake, der zeitweise als Babysitter half. Mit ihm schrieb sie den Song "Reckless Jane".
John Martyn's nächstes Soloalbum "Bless The Weather" aus dem Jahre 1971 wurde in drei Tagen im Studio aufgenommen. Viele der Songs zeigten die typische Spielweise Martyns, die perkussive Spielelemente und Zupftechniken der akustischen Gitarre mit einem Gesang verbanden, der eher einem Instrument als einer Stimme glich. Auf diesem Album spielte der Kontrabassist Danny Thompson das erste Mal mit Martyn zusammen, der ihn während seiner gesamten Karriere immer wieder begleiten sollte. Martyn experimentierte auf diesem Album mit Tape-Loops, einem Effekt, den er auch später noch lange einsetzte. Das Album "Solid Air" aus dem Jahre 1973 setzte den begonnenen Kurs fort, wenn auch die Stimmung insgesamt düsterer war als die des vorhergehenden Albums. Typisch für diese Stimmung war der Song "Solid Air", der seinem kurz darauf verstorbenen Freund Nick Drake gewidmet war. Ein Gegenpol zu dieser Stimmung war "May You Never", das später von Eric Clapton auf dessen Album "Slowhand" gecovert und zu einem grossen Hit wurde. Zusammen mit "Bless the Weather" galt "Solid Air" als das Meisterstück Martyns.
Mit dem nächsten Album "Inside Out" begann John Martyn 1973, die vorher verfolgte Linie schöner Melodien und Klänge zu verlassen. Seine Musik wurde wütender und rauher, die Stimme wurde immer mehr als Instrument eingesetzt. Martyn begründete diesen Wechsel damit, dass er eigentlich keine so nette Person sei, und wandte sich bewusst vom Image des netten Troubadours ab: "I’m not really that nice, and I very consciously turned away from all that". Er setzte vermehrt Effektgeräte zusammen mit seiner Stahlsaitengitarre ein, und wechselte zwischen Soloauftritten und dem Zusammenspiel mit Danny Thompson ab. 1974 nahm er das im Folgejahr veröffentlichte Album "Sunday's Child" auf, danach wurde es in Bezug auf Veröffentlichungen drei Jahre still um ihn. In dieser Zeit tourte er viel und versuchte, ein selbstproduziertes Live-Album von zu Hause zu vertreiben, das von Island Records nicht angenommen worden war. 1976 nahm er eine Auszeit, unter anderem auch, um seine zunehmenden Alkohol- und Drogenprobleme zu kurieren und verbrachte vier Monate auf Jamaika. Nach seiner Rückkehr 1977 veröffentlichte er das Album "One World", ein fast minimalistisches, jazziges Album, auf dem seine Stimme einmal mehr eher als Instrument denn als Gesang eingesetzt wurde und bei dem unter anderem auch Steve Winwood mitwirkte.
Die Musik dieses Albums ging einen Schritt zurück auf die nicht so rauhe und wütende Seite, eine Entwicklung, die er mit seinem Album "Grace And Danger" jedoch 1980 erneut komplett zurücknahm. Dieses Album war die Verarbeitung seiner schmerzlichen Scheidung von Beverley, eine wütende Widerspiegelung der Auseinandersetzung mit der Trennung. Aus dieser dunklen Stimmung ragte insbesondere der Song "Sweet Little Mystery" heraus, ein leichtes, ohrwurmartiges Lied, das an die Stimmung der beiden Alben "Bless The Weather" und "Solid Air" anknüpfte. Phil Collins, der sich in dieser Zeit ebenfalls von seiner Frau trennte, wirkte an dem Album mit. John Martyn begann wieder stark zu trinken und umschrieb diese Phase später so: "You name it, I soaked myself in it. It was a dark period in my life". Martyn spielte kaum noch akustische Gitarre, sondern fast ausschliesslich elektrisch, was viele seiner altgedienten Fans verstörte. "Grace And Danger" kann man letztlich alsdas emotionalste Album von John Martyn bezeichnen, mithin es auch das Unprätenziöseste des fragilen Musikers blieb. Hier standen letztlich persönliche Erfahrungen, Brüche und Schicksale im klaren Vordergrund. Die Musik setzte er lediglich als Vehikel für seine Emotionalität ein. Durch die Zusammenarbeit mit Phil Collins geriet dieses Album zu einem fabelhaften Statement und zu einem Unikum im Schaffenswerk des Musikers: Nie zuvor und auch danach nicht klang John Martyn bei all seiner destruktiven Gedankenwelt positiver. Es war bemerkenswert, dass sein an sich traurigstes Album irgendwie am hoffnungsfrohesten klang.
Phil Collins produzierte danach John Martyn, der Island Records 1980 für einen Vertrag bei Warner Brothers verlassen hatte. Sie veröffentlichten gemeinsam im Jahre 1981 das Album "Glorious Fool", auf dem Phil Collins erneut Schlagzeug und Eric Clapton in einem Song Gitarre spielte. Das Album war kommerziell recht erfolgreich und erreichte Platz 25 in den Charts. Das nachfolgende 1982er Album "Well Kept Secret", ebenfalls mit Phil Collins produziert, war sehr Pop-orientiert und wiederum sehr erfolgreich, denn es erreichte die Top 20. John Martyn zog danach nach Schottland und heiratete Annie Furlong. 1983 gab er, zu dieser Zeit ohne Plattenvertrag, das Live-Album "Philentrophy" auf seinem eigenen Musiklabel Body Swerve heraus, das auf einer Reihe von Auftritten in den Jahren 1982 und 1983 aufgenommen wurde und die charakteristische Spielweise und den Gesang John Martyns einfing. Die Produktion des im nfolgendenn Jahr herausgegebenen Albums "Sapphire" war wegen Missverständnissen zwischen John Martyn und dem Produzenten sehr schwierig. In den nächsten Jahren erschienen einige Kompilationen von Island Records, bei dem John Martyn wieder unter Vertrag stand, und 1986 das Album "Piece By Piece", auf dem er erneut mit dem Einsatz seiner Stimme experimentierte. Sein nächstes Album, das 1987 erschienene, live aufgenommene "Foundations", zeigte Martyn wieder mehr in altem Stil, indem er neben drei neuen Songs einige seiner älteren Favoriten wie "May You Never" überarbeitete, der Song, den inzwischen durch den Erfolg in der Version von Eric Clapton, Millionen von Musikfans kannten.
Nachdem sein Entwurf für ein neues Album 1988 von Island Records abgelehnt wurde, verliess er das Label und unterschrieb nach zwei Jahren mit einer Reihe von Auftritten einen Vertrag bei Permanent Records. Hier erschien 1990 das Album "The Apprentice". Neben dem mittlerweile bei John Martyn üblichen Einsatz der elektrischen Gitarre, dem Einsatz von Synthesizern und Ausflügen in den Disco-Beat griff er in dem Stück "Patterns In The Rain" nach langer Zeit wieder zur akustischen Gitarre. Auf dem nächsten Album "Cooltide" von 1991 verzichtete er weitgehend auf den Einsatz von Synthesizern. 1992 erschien "BBC Radio 1 Live in Concert", ein Live-Mitschnitt eines Konzerts in Glastonbury aus dem Jahre 1986. Das Album erhielt gute Kritiken, es zeigte John Martyns Fähigkeiten als exzellenter Gitarrist und seinen souveränen Umgang mit Effektgeräten. Im selben Jahr brachte Permanent Records gegen den Willen von Martyn das Album "Couldn’t Love You More" heraus, das der Künstler als überproduziert bezeichnete, und dem er im nächsten Jahr das Album "No Little Boy" entgegensetzte: mit den gleichen Titeln, aber vollständig unter der Regie von John Martyn produziert. Infolge des damit verbundenen Streits verliess Martyn das Label.
In den nächsten Jahren erschienen einige weitere Kompilationenn darunter die "Island Anthology" von 1994, die einen grossen Teil seiner Karriere abdeckte, und Live-Aufnahmen, bei denen unter anderem David Gilmour von Pink Floyd mitwirkte. Martyn schlug sich mit seiner Gesundheit, dem Tod seiner Frau Annie und anderen Problemen herum, sodass er erst 1996 sein nächstes Album mit neuem Material herausbrachte. Musikalisch ging er neue Wege und verwendete Samples und Trip Hop-Stilelemente. Als Gastmusiker traten Phil Collins und John Giblin auf. Auch sein nächstes Album, "The Church With One Bell" von 1998, war ungewöhnlich für ihn, da es nur Coverversionen von Liedern anderer Künstler enthielt. Martyn prägte den Stücken jedoch seine unverwechselbare Handschrift auf, und das Album war vor allem in den USA ein Erfolg: Martyn konnte die neben seiner bisherigen Wohnung gelegene namensgebende Kirche kaufen, in der er seitdem mit seiner Partnerin Teresa Walsh lebte. Auf Anregung von Phil Collins änderte John Martyn seine Herangehensweise an das Schreiben von neuen Stücken. Er lernte Keyboard und benutzte dieses Instrument anstatt seiner Gitarre zum Komponieren. Im Jahre 2000 veröffentlichte er das so erarbeitete Album "Glasgow Walker", das eine Reihe von melancholischen und sanften Stücken enthielt und von den Kritikern gut aufgenommen wurde.
In den nächsten Jahren wurde eine ganze Reihe von Konzertmitschnitten und Kompilationen veröffentlicht. John Martyn kämpfte in dieser Zeit mit gesundheitlichen Problemen, und im Jahr 2003 wurde ihm wegen einer Zyste ein Bein amputiert, sodass er nur noch im Rollstuhl auftreten konnte. Erst 2004 kam mit "On The Cobbles" ein Album mit neuem Material heraus, das in verschiedenen Studios vorwiegend mit akustischen Instrumenten aufgenommen wurde. Abgesehen von einer Reihe weiterer Zusammenstellungen und Live-Mitschnitten blieb dies John Martyns letztes Album zu Lebzeiten. Vor seinem Tod hatte er mit den Arbeiten an einem neuen Album begonnen. Dieses wurde nach seinem Tod von beteiligten Musikern fertiggestellt und erschien 2011 unter dem Titel "Heaven And Earth". Im Dezember 2008 wurde John Martyn durch Königin Elisabeth II. zum 'Officer of the Order of the British Empire ernannt'. Er verstarb im Januar 2009 im Alter von 60 Jahren durch eine doppelseitige Lungenentzündung in einem Krankenhaus in Irland.
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